Arda Fanfiction

Das neue Archiv für Geschichten rund um Tolkiens fabelhafte Welt!

Nyere

von Chelly Laire

Chapter #1

Elwing hielt den Silmaril fest in ihren blassen, zitternden Händen. Tränen strömten ihr aus den verschleierten Augen, landeten auf seiner schimmernden Oberfläche und ließen die Lichter darin noch strahlender leuchten und in unzähligen Farben reflektieren, die über ihr trauriges Gesicht tanzten. Ihr langes silbernes Haar peitschte im stürmischen Seewind um ihren schlanken Körper und trugen ihr die Rufe und Schreie von Gier und Tod der Schlacht zu.

Sie wehrte sich gegen den Drang, hinter sich zu blicken, denn sie wusste, was sie sehen würde. Die verkohlten und zerstörten Überreste ihres Heims, ihre Verwandten tot auf den Straßen liegend, die brennenden Feuer des Hasses, den Schatten von Zorn und Schmerz, den Verlust, die Trauer… Sie sah hinab auf den leuchtenden Stein und verfluchte seine Existenz. So viele verloren, jene, die nicht zum Sterben geboren waren, zu einem bitteren Ende gebracht durch Habsucht und Gier. So viele Leben, wofür?

Wofür? Was konnte dieses Ding bieten, das jemals dem Wert selbst eines einzigen Lebens, das für seinen Besitz gekämpft hatte, gleichen könnte? Nicht einmal eines einzigen. Ihre silbernen Augen schlossen sich langsam. Es erschien ihr jetzt so wertlos, selbst als es, schön jenseits aller Worte, in ihren Händen lag.

„Elros… Elrond…“, flüsterte sie die Namen ihrer Söhne und fiel auf die Knie, als Schmerz und das tiefe Verlangen, sie zu halten, sie in einer verzweifelten, reißenden Welle durchflutete. „Eli nîn.“ Sie waren ihre Sterne gewesen, ihre Hoffnung, mit den dunklen, nahezu schwarzen Flechten ihres Vaters und ihren eigenen sturmgrauen Augen. Sie waren während des Kampfes von ihrer Seite verschwunden und als sie um die zerstörte Stadt weinte, hatte sie nur wenig Hoffnung, dass sie noch lebten.

Mutlos blickte sie über den Ozean und fühlte, als ob sie hier für alle Ewigkeit verbleiben könnte, niemals sich regend, verloren in kaltem Schmerz und auf ihre Liebe wartend. Earendil war fort, vielleicht für immer. Er hatte sie verlassen und jetzt war sie allein, mit dem Schmerz, nichts als dem Schmerz. Sie würde hier warten und er würde niemals zurückkehren.

Sie hörte Stimmen und stolperte auf die Füße, den Rücken den Klippen zugewandt, die steil hinab in die See weit unter ihr stürzten. Eine Schar war durchgebrochen und näherte sich ihr jetzt und Sieg leuchtete in ihren Augen. Ein Gedanke, ein kleines Etwas, fügte irgendwie all die zerbrochenen Teile in ihrem Inneren zusammen und gab ihr Trost. Sie hob ihr Kinn, Trotz verscheuchte Trauer und dräuenden Schmerz und entzündete ein scharfes Aufblitzen in ihren tumultartigen Tiefen. Sie hatten ihr alles genommen, und sie würde ihnen alles nehmen.

Sie trat einen halben Schritt zurück und presste den Silmaril an ihre Brust. Einer der Elben trat einen Schritt vor, Blut verschmierte seine Klinge und war auf seiner Kleidung und seinem Gesicht verspritzt, triumphierend. Er streckte seine Hand aus und sie schüttelte unwillkürlich den Kopf. Er hob das Schwert und sie sträubte sich. Alles, er hatte alles genommen und er würde sie nehmen. Ohne Reue, ohne Gnade würde er ihr das eigene Leben nehmen.

Verzweiflung durchflutete Elwing. Meine Liebe, wo bist du? Lebst du noch? Ich werde dich nie wieder sehen. Ich wünsche mir dich festzuhalten, einen letzten Kuss auf deine Lippen zu drücken, dass er die Ewigkeit überdauert. Deine Arme noch einmal um mich zu spüren und mich vor dem Schmerz zu schützen und die Trauer mit deiner Liebe zu verjagen. Mit dir zu weinen, jemanden zu haben, der sich in meiner Verwundung um mich sorgt, denn ich habe alles verloren, und jetzt werde ich dich verlieren.

Sie kamen bedrohlich näher, immer näher, Raubtiere. Beute, sie war nicht mehr als Beute. Ein Objekt, um gejagt und zerstört zu werden. Tränen, die Welt war kalt, ohne Gnade. Wie ihre Augen, Stein und Feuer und Dunkelheit und Strahlen. Grausam und schön. Wie der flüsternde Edelstein in ihrer Hand, leuchtend, verfluchend. Ihre Sicht schwand, als ihre Lider sich senkten, ein gestohlener Moment des Friedens, und dann wieder in die Höhe schnellten.

Sie stieß den Atem, der in ihren Lungen flatterte, aus und spürte die kalte Luft zurückströmen. Sie waren nah, so nah. Jetzt, es war keine Zeit mehr. Earendil… du bist nicht zu mir gekommen. Ich liebe dich, mein Herz! Mögen die Valar dir diese Gedanken in deinen Träumen bringen in den Tagen, die kommen, Gemurmel in den Lüften wie Atem auf deiner Haut. Doch ich muss diese Welt, und dich darinnen, verlassen. Mein Leben ist mir genommen.

Lebewohl…
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