Arda Fanfiction

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Titheniell

von Elwen

Chapter #1

„Niemand sah ihr letztes Treffen mit Elrond, ihrem Vater, denn sie gingen hinauf in die Berge und sprachen lange miteinander, und bitter war ihr Abschied, denn er sollte über das Ende der Welt hinaus andauern.“
Die Rückkehr des Königs, Kapitel 6 „Viele Abschiede“


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Mit einem Schwung, so leicht und schnell wie er vor sechstausend Jahren gewesen war, saß Elrond Peredhil von seinem Pferd ab und hielt einen Moment inne, den Hals seines Tieres zu klopfen, bevor er seiner Tochter zu Hilfe kam. Arwen war durchaus in der Lage, selbst abzusteigen, doch wartete sie auf seine starken Hände um ihre Taille. Ihre schmalen Finger kamen auf seinen Schultern zu liegen und er setzte ihre Füße inmitten der wilden Blumen der Hochlandwiese nieder, die sie zusammen in den Bergen über den Ebenen von Rohan entdeckt hatten.

In dem Tal unter ihnen konnten sie die Leibgarde der Königin sehen, denn selbst der König hatte sie nicht davon abbringen können, ihnen zu folgen. Arwen war in der Obhut ihres Vaters dreitausend Jahre lang in Sicherheit gewesen, doch nun befand sie sich in der Obhut ihres Volkes... des Volkes von Gondor. Die beiden wandten sich ab und Elrond führte sie zu einem Vorsprung sonnenerwärmter Felsen. Für einen Moment blieb er stehen und sah in ihr empor gewandtes Gesicht, dann ließ er sich an ihrer Seite nieder.

Eine Zeitlang saßen sie und starrten geradeaus ... jeder den Blick des anderen meidend. Über ihnen zwitscherte eine Feldlerche, dann wehte ihr Gesang davon, als sie merkte, dass die beiden, die in ihr Gebiet eingedrungen waren, keine Bedrohung für ihre Jungen bedeuteten. Elrond beobachte, wie sie hinabkreiste und einige Meter entfernt im Gras verschwand. Die Luft war warm, erfüllt von dem Duft Hunderter verschiedener Wiesenblumen und untermalt vom Summen der Bienen. Dies wäre ein gutes Land, um dort Heilpflanzen zu sammeln.

Eine zarte Hand mit langen Fingern glitt unter seine, dort, wo sie auf seinem Knie lag. Seine Augen fielen von dem blauen Himmel hernieder auf diesen Leibesbeweis und seine Finger schlangen sich von selbst, aus eigenem Willen um die seiner Tochter. Wie oft, durch die Zeitalter ihres Lebens, hatte Elrond diese Berührung gespürt?

Da war der Moment, als er seinen Finger in eine kleine rosa Handfläche gedrückt und eine Faust, noch feucht von ihrer Mutter, sich fest um diesen Finger geschlossen hatte. Ein Band hatte sich gebildet, von dem er geglaubt hatte, dass es nie zerreißen würde. Sie war sein, eine Tochter, die er wertschätzte. Niemals würde es ihr an etwas mangeln. Niemals würde sie Schmerz fühlen. Es würde keine Kämpfe oder Qualen für sie geben. Arwen würde ihr Leben lang geliebt und vor Kummer geschützt werden ... er würde dafür Sorge tragen. Niemals würde sie die Einsamkeit und Angst von Elronds eigener Kindheit ertragen müssen.

Er entsann sich einer Zeit, als er mit Celebrían an seiner Seite durch die Wälder gewandert war, Arwens kleine Hand fest in der seinen, während sie lachte und mit dem Fuß einen Schauer goldener und kupferfarbener Blätter aufwirbelte. Noch immer ging ihm das Herz auf, wenn er ihr leichtes, sprudelndes Lachen hörte, denn es bedeutete, dass seine Tochter glücklich war. Und wenn sein Kind glücklich war, dann war in seiner Welt alles in Ordnung.

Elrond schloss die Augen gegen die Sonne, als eine weitere Erinnerung ihn befiel. Sie hatte ihre Stickerei fallen gelassen und war um Trost zu ihm gelaufen, ihre langen Finger in den Haaren in seinem Nacken verschlungen, während sie ihr Gesicht an seiner Schulter barg. Celebrían hatte ihr soeben erzählt, dass sie das Schiff in den Westen nehmen würde. Er hatte seine Gemahlin verloren, und sie verlor ihre Mutter. Es war jener Tag gewesen, an dem er endlich erkennen musste, dass es einige Schmerzen gab, vor denen er sie nicht bewahren konnte. Er trug einen der Ringe der Macht, doch er war kein Vala. Er war nur Elrond Halbelb. Ein Vater.

Als ob sie seinen Schmerz spürte, legte Arwen ihre andere Hand auf seine und er öffnete die Augen. Schon zuvor hatte er ihre Hände auf diese Weise ineinandergelegt gesehen, doch nicht mit seinen. Freude und Trauer waren unentwirrbar miteinander vermischt, als er die Hand seiner leiblichen Tochter in die seines angenommenen Sohnes legte, und selbst der Laut ihres Lachens konnte den Schmerz, der sein Herz umklammerte, nicht lösen.

„Ada?“

Er sah auf bei der sanften Frage und bemerkte, dass ein glitzernder Schleier die Welt überdeckt hatte. Arwens Hand bewegte sich, um seine stillen Tränen fortzustreichen und endlich begegnete er ihrem Blick. Ihre eigenen Augen waren noch trocken, ihr Antlitz voller Fragen.

„Weinst du um mich, Ada? Das musst du nicht, denn ich habe meine Entscheidung getroffen und ich erfreue mich daran.“

Es war schwierig, es einzugestehen. „Nein, ich weine nicht um dich. Aragorn ist ein guter und edler König und ein liebender Gemahl. Ich weine um mich selbst. Denn ich habe das verloren, was mir auf der ganzen Welt das Liebste war.“

Plötzlich schien es Elrond, als sei seine Tochter um tausend Jahre älter geworden, denn nun war sie es, die ihm Trost spendete. Ihre Worte wäre schroff gewesen, wären sie mit etwas anderem als der tiefen Liebe, die sie ihm entgegenbrachte, geäußert worden.

„Nein, Ada. Du hast mich nicht verloren. Eher hast du den Traum von meiner Zukunft verloren.“ Sie legte eine Hand auf sein Herz. „Ich bin immer hier. Du kannst mich nicht verlieren. Ebenso wie ich dich nicht verlieren werde, wenn du diese Gestade verlässt, um wieder mit Nana zusammen zu sein. Wenn du aufmerksam lauschst, dann wirst du mich hören, hier drinnen. Ich habe dein Leben für immer verändert und du hast mir geholfen, zu der Person zu werden, die du vor dir siehst. Du bist mein Heiler, Lehrer, Ritter, Herr und Freund gewesen. Doch am meisten von allem bist du mein Ada gewesen und ich deine Titheniell.“

Elronds Augen konnten seine Trauer nicht halten, und Arwen ließ ihren eigenen Tränen freien Lauf und lehnte ihren Kopf an seine Brust, wie sie es unzählige Male seit dem Moment ihrer Geburt getan hatte. Er legte seine Arme um sie und spürte, wie sie sich an ihn schmiegte, so wie sie es immer getan hatte.

„Titheniell ... ich habe deinem Herzschlag gelauscht seit der Nacht, da du empfangen wurdest. Ich bin mir nicht sicher, ob ich fähig sein werde, einer Welt entgegenzutreten, wo ich ihn nie wieder hören werde. Ich habe meines Bruders Wahl der Sterblichkeit überlebt, doch ich bin nicht sicher, ob ich es noch einmal tun kann.“

Arwens Arme glitten um seinen Hals, verwoben sich mit dem dunklen Schopf seines Haars und ihr Schluchzen erschütterte ihn. „Wie kannst du das sagen? Du hast uns deinen Segen gegeben! Wieviel mehr noch, meinst du, wird es mich quälen, wenn ich Estel jetzt verlasse? Denn wenn ich meine Liebe zurücklasse und mit dir nach Valinor reise, dann bin ich es, die ohne den Schlag eines Herzens in meiner fea leben wird. Würdest du mich dem unterwerfen?“

Ihre Worte trafen ihn tief in seiner Seele. Konnte er sie durch eine solche Qual gehen sehen? Es hatte ihn fast getötet, als Elros starb. Der einzige Weg, um das Leid über den Tod seines Zwillings zu lindern, war, sich um dessen Nachfahren zu kümmern. Das Ergebnis davon war Aragorns Ankunft in seinem Haushalt gewesen.

Und diese Entscheidung hatte Aragorns Zusammentreffen mit Arwen bedingt. Es schien Elrond, als habe er sein eigenes Schicksal herbeigeführt. Oder zu guter Letzt ... das seines jüngsten Kindes.

Er hatte von der Liebe zwischen Arwen und Estel von ihren ersten Regungen an gewusst ... hatte die Wärme ihrer Augen gesehen, wenn sie sich begegneten ... hatte das Beschleunigen ihres Herzschlages vernommen, wenn sie einander sahen. Für eine lange Zeit hatte er nur beobachtet, gehofft, dass die Unterschiede ihrer Rassen sie schließlich auseinander zwingen würden. Doch die Zeit hatte ihre Liebe nur gefestigt.

Galadriel hatte sie gesehen und sogar unterstützt, denn sie war schon immer rebellisch gewesen. Es war in Lóthlorien gewesen, dass Arwen sich Aragorn versprochen hatte und viele Jahre lang hatte Elrond es abgelehnt, zu seiner angeheirateten Mutter auch nur zu sprechen. Doch sie hatte sein Schweigen einfach abgewartet. Neben Galadriel war Elrond nur ein unreifer Jugendlicher. Er war immer ein wenig überrascht gewesen, dass sie ihm überhaupt erlaubt hatte, ihre Tochter zu heiraten. Doch selbst sie hatte der Liebe zwischen Celebrían und Elrond nicht im Weg stehen können.

Galadriel hatte den Weg der Liebe genauso wenig aufhalten können wie Elrond. Er beugte sich nieder, um den Kopf seiner Tochter zu küssen und bei der federleichten Berührung seiner Lippen verebbte Arwens Schluchzen.

„Es tut mir leid. Ich bin selbstsüchtig und hartherzig. Du liebst ihn.“

Arwen wandte ihr Gesicht zu ihm hoch und küsste eine Träne fort, die seine Wange benetzte. „Du bist nicht hartherzig. Deswegen trauerst du und ich liebe dich darum nur umso mehr.“ Sie löste sich von ihm und nahm noch einmal seine Hände in ihre. „Ich habe dich mein ganzes Leben lang geliebt, Ada, und ich werde es auch weiterhin tun, bis an das Ende meiner Tage. Ich kann nicht mehr Liebe als diese geben.“

Indem er ihre Hände an seine Lippen hob, küsste Elrond jede einzelne, bevor er sie lange betrachtete. Diese Erinnerung würde seine letzte sein. Niemals wieder würde er diese weichen Finger berühren. Zärtlich ließ er sie los.

„Ich kann nicht mehr von dir erbitten. Und ich werde dich für alle Zeit lieben. Sei glücklich, meine Titheniell.“


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Anhänge:
Titheniell – kleine Tochter
Nana – Mama
Ada – Papa
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