Arda Fanfiction

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Bis zum letzten Atemzug

von Valinja

Chapter #1

Der neue Tag hat begonnen, wie all die zuvor. Nichts lässt erkennen, ob etwas anderes geschehen wird, ob die Menschen etwas anderes tun sollten, als ihrem Tagewerk nachzugehen. Geschäftiges Treiben herrscht bereits seit den frühen Morgenstunden in den Straßen und Gassen Minas Tiriths und die weiße Stadt wird beschienen von den wärmenden Strahlen der hochstehenden Sonne. Der Himmel selbst erstreckt sich hellblau über Gondor, nicht eine einzige Wolke trübt an diesem Tag sein makelloses Aussehen.
Und doch ist etwas anders. Unbemerkt von den Menschen in den Gassen oder ihren Heimen, hoch oben im sechsten Ring der Stadt, in einem kleinen Raum, sitzt eine Person am Bett einer anderen. Beide befinden sich in den Häusern der Heilung, dennoch ist es keine Krankheit, an welcher der Liegende leidet, einzig und alleine das Alter verursacht die Schmerzen, die ihn an sein Bett fesseln.
Zwei kleine Gestalten sind in diesem Raum - Hobbits. Meriadoc Brandybock und Peregrin Tuk sind ihre Namen, genannt werden sie Merry und Pippin, und sie haben die letzten Jahre ihres Lebens hier in Gondor verbracht.
Nun haben sie gebeten alleine zu sein, alleine in den letzten Stunden, die Merry noch bleiben werden, denn der Hobbit weiß, dass das Ende naht. Pippin wird ihn nicht alleine lassen, in tiefer Freundschaft an Merry gebunden, wird er weiterhin auf dem Stuhl neben dessen Bett sitzen und bei ihm wachen, bis der letzte Atem über die Lippen seines Freundes kommt.
Die beiden Hobbits brauchen nun keine Worte mehr um sich zu verständigen und ohnehin hat Merry die Kraft dazu fast verlassen. So ist es ruhig in dem kleinen Raum und die Stille dieser Stunden scheint so wirklich, als könnte man sie greifen, in die Hand nehmen und betrachten, doch sobald man versucht sie festzuhalten, fliegt sie hinfort, fort in unerreichbare Höhen.
Etwas wie ein leises Röcheln ist zu hören und der Liegende bewegt sich leicht. Sogleich wird Pippin aufmerksam, streckt den Arm langsam aus und ergreift die Hand seines Freundes, birgt in seiner warmen die kühlen Finger Merrys.
Beiden sieht man ihr hohes Alter an, ihre Haare sind grau, nahezu weiß, die Gesichter sind von Falten durchzogen, die Bewegungen, so denn sie denn welche tun, wirken steif und ungelenk. Doch wenn sich ihr Blick trifft, dann sieht man für einen Moment das Funkeln in ihre wachen Augen zurückkehren, die Erinnerung an das Vergangene, Zeiten, die einst waren. Die Farben von damals, die Ereignisse und das Geschehen, sie sind nicht verblasst oder vergessen, kräftig erstrahlen sie in den Gedanken der beiden Hobbits wieder, die sich nur allzu gerne entsinnen.
Dann bricht der Kontakt ab und Merrys Augen schließen sich müde, während Pippins Blick weiter durch den Raum streift. Viel Licht dringt durch das große Fenster hinein und die Wände strahlen ihn in dieser Helligkeit nahezu freundlich an. Nur spärlich ist das Zimmer ausgestattet, neben dem Bett, dem Stuhl, dem kleinen Tisch und dem Schrank, gefertigt aus Eichenholz, liegt nur noch ein bunter Teppich aus Wolle auf dem Boden, wirkt wie ein Farbtupfer auf dem kargen Grau.
Merry braucht und will nicht mehr als die Einfachheit dieses Raumes, denn das, was ihm jetzt noch wichtig ist, sitzt neben ihm und umfasst immer noch mit leichtem Druck seine Hand.
So vergeht die Zeit, draußen in der Stadt, genauso wie in dem Zimmer in den Häusern der Heilung. Die Sonne schiebt sich über den Himmel, um dann langsam über dem Horizont hinabzusinken. Die Dämmerung bricht herein und die Menschen begeben sich zu ihrem Heim, um den Abend zu verbringen, die Nacht zu ruhen und den nächsten Tag von Neuem zu beginnen.
Für Merry wird es keinen nächsten Tag geben.
Es wird dunkel in dem Zimmer und Pippin zündet mit zitternden Fingern eine Kerze auf dem kleinen Tisch am Fenster an. Die gelbe Flamme wirft tanzende Schatten auf die Wände des Raumes und wärmt mit ihren Lichtstrahlen die zwei Freunde. Immer noch ist es still und ruhig, nur von dem Garten außerhalb des Hauses dringt das leise Geräusch herein, das der Wind verursacht, wenn er sanft durch die Blätter der Bäume streicht. Und drinnen wie draußen ist die Luft erfüllt von Frische und Blütengeruch, nur bemerken es die Hobbits kaum.
Hell spiegelt sich die Kerzenflamme in Merrys dunklem Blick wieder, als er Pippin ein letztes Mal ansieht, sein Mund sich zu einem letzten Lächeln verzieht und seine Finger kurz über die runzlige Haut seines Freundes streichen. Im flackernden Licht, welches sein faltiges Gesicht bescheint, tut der alte Hobbit schließlich seinen letzten Atemzug. Dann senken sich Merrys Lider. Er wird sie nicht wieder öffnen, sein Geist hat den gebrechlichen Körper verlassen.
Tränen schimmern in Pippins Augen, als er auf den leblosen Leib hinabblickt, immer noch die nun erschlaffte Hand in der Seinen hält. Er weiß und spürt es, dass er Merry bald nachfolgen wird. Und so werden die beiden Freunde, auf ewig verbunden durch die gemeinsam erlebten Abenteuer, wieder zusammen sein – auch im Tod.

ENDE
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