Arda Fanfiction

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Vergessen

von Valinja

Chapter #1

Kälte umschließt mich, durchdringt meinen Körper, lässt mich kaum atmen. So kalt der Boden ist, auf dem ich liege, so kalt sind die Herzen der Kreaturen, die meine Liegestatt mit mir teilen, die mein Leben auf dem Gewissen haben. Denn ich werde sterben...

Die Luft um mich herum ist erfüllt von Schreien, Schreie des Kampfes, qualvolle Schreie des Todes. Langgezogenes Donnern hallt durch die Gassen der Stadt, wenn die Steine auf dem Pflaster zerbersten, unermüdlich von den Katapulten auf ihre unheilbringende Reise geschickt. Die lauten Geräusche an meinem Ohr übertönen das Wimmern, dass sich über meine Lippen schleicht. Wie gerne würde ich schreien, meine Wut, mein ganzes Leid hinausschreien. Vielleicht würden sie mich dann bemerken, vielleicht würden sie aufmerksam. Ein rascher Hieb eines Schwertes und ich könnte sterben, schnell, so wie es jetzt mein einziger Wunsch ist. Aber ich habe nicht die Kraft zu schreien.

So wird mein Tod ein doppelt Qualvoller sein, denn Qualen bereiten mir die Schmerzen, die ich erleide, die meinen Körper durchzucken, mich immer wieder peinigen. Doch sind sie nichts im Vergleich zu der Qual, die mir der Gedanke an dich bereitet. Schon allein das Flüstern deines Namens würde mich um den Verstand bringen. Ich weiß nicht einmal, ob du noch lebst, noch, ob du tot bist. Werden wir uns wiedersehen, wenn der letzte Lebenshauch mich verlässt?

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Oft waren wir uns begegnet, bezaubert hast du mich fast vom ersten Anblick an, nur schien ich dir nie aufzufallen. Manchmal gingst du an mir vorbei, dein Blick geradeaus gerichtet, mich nicht einmal wahrnehmend, kein Lächeln auf deinen Lippen. Das Herz wurde mir schwer, und ich hatte die Hoffnung fast aufgegeben, dass du mich nur einmal ansehen würdest.

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Ein stechender Schmerz durchzieht meine Seite, lässt mich leise aufkeuchen, denn zu mehr bin ich nicht mehr fähig. Ich höre das Stampfen von Füßen, höre wie sie durch die Gassen und Straßen laufen, wie sie die Soldaten niederstechen, die sich ihnen in den Weg stellen. Achtlos stoßen sie gegen die Körper, die schon auf dem Pflaster liegen, trampeln über sie hinweg, so wie über mich. Sie bemerken nicht, dass ich nicht tot bin, und selbst wenn, es wäre ihnen egal.

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Ob es dir egal gewesen wäre, wenn wir uns nicht doch einmal begegnet wären, in dieser einen Nacht, oben an der Mauer im zweiten Ring? Keine Sterne funkelten vom Firmament herab, dunkle Wolken hatten sich über den Himmel geschoben, doch war es angenehm warm. Ein sanfter Wind wehte, ließ meine wirren Haare tanzen, wie ich dort an der Mauer lehnte, die Augen geschlossen, als sich ein Gefühl meiner bemächtigte, dass ich nicht alleine war.

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Manchmal spüre ich, wie Körper durch die Luft fliegen, und ich spüre das mächtige Erzittern des Bodens. Ich weiß nicht, was für Kreaturen noch an der Seite der dunklen Mächte kämpfen, ich möchte es gar nicht wissen. Zu sehr habe ich Angst, immer noch, auch wenn mein Leben beinahe ausgehaucht ist. Rot, rot und warm läuft es über meine Haut, meine zerrissene Kleidung, hinab auf den Boden. Kurz schaffe ich es, meine Augen zu öffnen, und ich sehe das Blut, mein Blut. Soviel... um mich herum...

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Es machte mich sprachlos, dass du mich erkanntest. So oft hatte ich deinen Weg gekreuzt, wenn ich kleine Botengänge erledigt hatte, immer dann, wenn ich ihnen nicht helfen konnte in den Häusern der Heilung. Aber du musstest mich bemerkt haben, denn du kamst auf mich zu. Und ich konnte mich nicht rühren. Dein Blick hielt mich gefangen, ein Funkeln lag in deinen Augen. Warm waren meine Hände, als du meine ergriffst, und dort, wo ich deine Haut auf meiner spürte, durchlief mich ein Schauern.

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Der Gestank, der über den Boden wabert, lässt mich würgen in meinem Kampf mit dem Tod. Ein Gestank der toten Menschen und Orks, die ihr Schicksal mit mir teilen, keiner von ihnen konnte ihm enteilen, nach jedem streckte es seine langen Arme aus. Für niemanden gibt es ein zurück.

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Erst waren es nur Gespräche, die wir führten. Nacht für Nacht standen wir dort an der Mauer, blickten hinunter auf die übrigen Ringe Minas Tirith’s, ließen unsere Blicke über den Pelennor schweifen. Es entzieht sich noch immer meiner Kenntnis, warum du dich plötzlich für mich interessiertest, doch ich hinterfragte nicht, ich war glücklich. Das Glück Mittelerdes schien mit mir zu sein.

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Ich merke wie mir die Sinne schwinden, doch wider meines Verstandes kämpfe ich dagegen an. Ich will nicht, dass mir auch noch die letzte Erinnerung genommen wird. Neue Bilder tauchen in meinem Kopf auf. Die letzte Erinnerung an dich, an deine zärtlichen Berührungen, unsere letzte Nacht. Ich will nicht, dass sie mich für immer verlässt.

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Warme Haut auf meiner, weiche Lippen, die die meinen zu einem Kuss treffen, lange und zärtlich, kurz und stürmisch, doch immer voller Leidenschaft. Du erforschtest meinen Körper, strichst sanft über meine Haut, meine Arme, meinen Bauch, meine Schenkel. Es bereitete dir Spaß zu sehen, welche Schauer du mit deinen Berührungen auslöstest, welches Prickeln mich durchlief, spürte ich nur einmal einen deiner Küsse. Ich überließ mich dir völlig, ließ mich fallen und genoss alles, was du mit mir tatest. Es waren auch Qualen, doch diesmal Qualen voller Süße, die du mir beschertest und die mich fast um den Verstand brachten. Fast musste ich weinen, als du mich schließlich erlöstest, mir das gabst, wonach ich mich schon so lange sehnte, und du endlich eins mit mir wurdest.

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Warum bin ich nicht in den Häusern der Heilung geblieben, denn dort wäre ich in Sicherheit gewesen. Warum musste ich hinunter gehen in den ersten Ring, nur einen Dolch in der Hand, mit dem ich kaum jemandem Schaden zufügen konnte, sollte mich jemand angreifen. Doch die Angst um dich trieb mich hinunter. Warum auch hatte dein Vater dich hinfort geschickt nach Osgiliath? Selbst ich weiß, dass ein Kampf dort vergebens sein muss. Habe ich deine Rückkehr verpasst, oder kehrtest du gar nicht zurück? Ich weiß es nicht, vielleicht habe ich dich verpasst. Mein Weg zurück blieb mir jedoch versperrt. Bald brach die Schlacht aus und nun getraute ich mich nicht mehr in die Häuser der Heilung. Ich verharrte im ersten Ring, suchte mir ein Versteck, hoffte zu überleben.

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Eng umschlungen auf dem Laken, zwei erhitzte Körper aneinander gepresst, verschmolzen zu einem. Ein Takt, der uns ergriff, zuerst langsam, dann immer schneller, bis mein Verstand fast zusammenbrach und eine Welle des Glücks mich hinfort trug.

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Mein Herz pochte mir bis zum Halse, als ich dort kauerte, in einem dunklen Winkel zwischen zwei Häusern. Kalter Schweiß brach mir aus, denn ich hörte ihre Schritte, ihre Stimmen, grauenvoll und gefühllos. Sie rannten vorbei und ich dachte schon, sie würden mich nicht bemerken. Doch dann sah ich, wie sie einen Soldaten erstochen, kurz und heftig. Ein leiser Aufschrei der Angst entwich mir, und schon blickten zwei gelb funkelnden Augen in die meinen. Ich wusste, ich war verloren.

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Atemlos lag ich danach auf dem Bett, meine Gedanken waren hier und dort, erfüllt von der Glückseligkeit des Moments. Dein Körper lastete schwer auf mir, keuchend ging dein Atem, und ein letztes Stöhnen fand den Weg über deine Lippen, bevor mir dein Gewicht genommen wurde und du neben mir auf das Laken fielst, den Blick gen Decke gerichtet, der Mund geöffnet. Eine Hand tastete nach der meinen, drückte sie,und ich sah ein kurzes Lächeln über deine Züge ziehen. Nun schlug mein Herz noch schneller, meine Liebe zu dir, sie war durch diese Nacht besiegelt worden.

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Kalter Stahl blitzte auf, als der Ork mit seinem krummen Säbel auf mich zurannte, Hass und Mordlust standen in seinen Augen geschrieben, vor Schreck war ich wie gelähmt. Doch bevor er zustoßen konnte, mir einen tödlichen Hieb versetzen konnte, schnellte mein Dolch nach vorne, geradewegs in sein Herz. Röchelnd sank er zu Boden, während mich der erste Schmerz durchzuckte. Überrascht presste ich die Hände auf meine Seite, spürte wie es warm über meine Finger lief. Verwirrt betrachtete ich meine Hände, beschmiert von rotem Blut – meinem eigenen. Kaum mehr bekam ich mit, wie ich auf den Boden sank. Mein Schicksal war besiegelt. Bevor der Ork starb, bevor mein Dolch sein Leben nahm, bevor dies geschah, traf mich sein Säbel.

Und so liege ich hier auf dem Boden, durchlebe die letzten Sekunden, die mir noch verblieben sind, immer noch gilt mein Gedanke dir. Die erste Nacht war unsere letzte gewesen. Nie wieder lagen wir beieinander, nie wieder spürten wir die Küsse des Anderen, nie wieder waren wir eins. Wenn du noch lebst, dann wünsche ich dir von ganzem Herzen, dass du glücklich wirst, Faramir.

Ein letzter Schmerz bemächtigt sich meiner, bevor der letzte Lebenshauch mich verlässt, in einem Strom wie mein Blut. Ich dämmere dahin, alles wird schwarz um mich, und dann falle ich in die tiefe Dunkelheit des Vergessens.

ENDE

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