Arda Fanfiction

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Swanheart

von Valinja

Erinnerung

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The days were brighter
Gardens more blooming
The nights had more hope
In their silence The wild was calling
Wishes were whispering
The time was there
But without a meaning

(Nightwish ~ Away)

Teil 2: Erinnerung

Faramirs Augen lassen nicht erkennen, ob er in diesem Augenblick dasselbe empfindet wie ich, nicht einmal ob er erkennt, wie sehr mein Innerstes in Aufruhr geraten ist. Ein letzter Blick zu dem Verwundeten auf dem Bett, dann erhebt der Truchsessensohn sich und schreitet zur Tür - genau auf mich zu. Mein Herz schlägt mir fast bis zum Halse, schnell und heftig und ich befürchte, dass alle es hören können, auch er.

Je näher er mir kommt, desto mehr versuche ich, die Luft anzuhalten. Dann plötzlich steht er ganz nah vor mir.
"Dem Mann geht es nicht gut. Ihr solltet seine Verbände erneuern und ihm eine schmerzstillende Medizin verabreichen."
Als Faramir zu mir spricht, versiegt mir für einen kurzen Moment wirklich der Atem Im nächsten Moment erröte ich jedoch zutiefst. So wie er mich ansieht, weckt sein Blick doch noch Schuldgefühle in mir, dass ich mich nicht zuvor um den Verwundeten gekümmert habe.

Hastig senke ich den Blick und nicke kurz.
"Ich... ich war bereits auf dem Weg, mein Herr", erwidere ich stockend und beeile mich, an ihm vorbei zu kommen. Plötzlich ist es mir unangenehm, dass er zu mir gesprochen hat. Solange habe ich mir dies gewünscht, aber es liegt in der Natur der Dinge, dass sie nie so eintreffen, wie man sie sich wünscht. Am liebsten würde ich mich selbst verfluchen, aber jetzt ist der Verwundete wichtiger.

In einer fließenden Bewegung setze ich mich auf den Hocker, auf dem zuvor Faramir gesessen hatte und bereite die sauberen Verbände vor. Ruhig sind meine Bewegungen, doch immer noch habe ich das Gefühl, dass jemand an der Tür steht und mich ansieht. Nervös werfe ich einen Blick zurück, sehe jedoch niemanden mehr. Ich ärgere mich über mich selbst und versuche, mich nun nur noch auf meine Arbeit zu konzentrieren, sodass ich sie sorgfältig und gewissenhaft erledigen kann wie sonst auch. Es gelingt mir fast.

Als der Verletzte endlich versorgt ist, die neue Salbe auf die Wunden aufgestrichen, die Verbände gewechselt und er das Mittel gegen den Schmerz erhalten hat, richte ich mich auf und reibe mir mit einem leisen Stöhnen den Rücken. Zu lange habe ich in der gebückten Position verharrt, nun werde ich dafür bestraft.

Ein leiser, unschicklicher Fluch liegt auf meinen Lippen, doch ich behalte ihn für mich, bevor ich nicht den Raum verlassen habe und wieder draußen auf dem Gang stehe, wo mich keiner hören kann. Dann haste ich schnell wieder zurück zu der Kammer, aus der ich gekommen bin. Die Tür steht immer noch offen, was mich verwundert. Doch dann sehe ich, dass Galudess noch immer in dem Raum verweilt.

Die Blonde sieht auf, als ich mich nähere.
"Du bist wieder da", stellt sie fest und lächelt mich an. "Ich habe bereits einen Teil deiner Arbeit gemacht."
"Danke", erwidere ich und lächele ebenfalls. Es kommt unerwartet, aber ich bin froh, dass sie mir etwas abgenommen hat.
"Aber nun muss ich wieder zurück."
Ich nicke und Galudess verlässt rasch die Kammer.

Wieder bin ich alleine. Seufzend begebe ich mich daran, die Kräuter weiter zu sortieren, die immer noch in dem Korb auf dem Schemel ruhen, genau dort, wo ich ihn zurückgelassen habe. Vorsichtig nehme ich die kleinen Pflanzen und Blätter in die Hände, lege sie in die Regale, eines nach dem anderen. Es ist eine eintönige Arbeit und bald gehen meine Gedanken auf Wanderschaft, fliehen aus der Kammer und verlassen Minas Tirith, bis sie wieder in meiner Heimat sind.

Meine Heimat - so lange habe ich sie nicht mehr gesehen, so sehr sehnt sich mein Herz nach ihr. Aber egal wie sehr ich mir wünsche zurückkehren zu können, es wird mir wohl immer verwehrt bleiben.

Nur schwach erinnere ich mich an meine Kindheit. Ich wuchs in einem Dort nahe des Anduin auf - und auch nahe des dunklen Landes Mordor. Als ich klein war, konnte mich dies nie bekümmern. Ich war ein fröhliches Kind und tollte gerne mit meinem älteren Bruder über das Gehöft meiner Eltern. Neben der kleinen Viehzucht und und den Feldfrüchten auf einem kleinen Feld widmete sich meine Mutter einem Kräutergarten. Sie war bewandert in Kräuterkunde und im Dorf als gute Heilerin bekannt. Oft hatte ich ihr begeistert geholfen und so gab meine Mutter schon früh ihr Wissen an mich weiter, lehrte mich alles, was sie konnte.

Aber die Zeiten waren nicht lange glücklich. Ich mag zwölf Jahre alt gewesen sein, als das Dorf des Nachts überfallen wurde. Einige Häuser brannten, die Menschen liefen in Panik hin und her. Ich sah unsere Angreifer nicht, hörte nur das Prasseln der Flammen und die schrillen Schreie der Bewohner. In dem entstehenden Chaos wurde ich von meinen Eltern und meinem Bruder getrennt, unser Nachbar brachte mich schließlich mit seiner Familie in Sicherheit. Doch solange ich auch wartete, die meine sah ich nie wieder.

Nach Minas Tirith kam ich letztendlich, da ich einige der bei dem Überfall verwundeten in die Häuser der Heilung begleitet hatte. Die Menschen erhofften sich, dass die Verletzten dort gesund gepflegt werden konnten, doch die meisten von ihnen verließen Minas Tirith nach ihrer Genesung nicht wieder - ebenso wenig wie ich.

Die obersten Heiler hatten meine Talente erkannt und von nun an blieb ich in den Häusern, wurde mit kleinen Aufgaben betraut, und als ich zur Frau heranwuchs, übernahm ich die vollständigen Arbeiten und Pflichten einer Pflegerin. Seit dieser Zeit waren die Menschen, die hier arbeiteten und noch arbeiten, für mich immer wie eine Familie gewesen - die einzige, die ich kenne.

Gedankenverloren sitze ich auf dem Schemel und spiele abwesend mit dem langen Zopf, den ich mir jeden Morgen flechte. Eine widerspenstige Strähne des dunkelbraunen Schopfes hat sich gelöst. Achtlos streife ich sie hinter mein Ohr. Meine Arbeit habe ich beinahe vergessen, stattdessen sehe ich aus dem kleinen Fenster, das sich zwischen zwei Regalen verbirgt. Draußen ist die Dämmerung hereingebrochen, langsam senkt sich die Dunkelheit über die Hauptstadt Gondors herab. Ruhe breitet sich aus.

Aber anders als die Menschen in der Stadt werde ich mich noch nicht zu Bett begeben können. Immer noch steht ein halbvoller Korb mit Kräutern vor mir. Ich werde nicht eher gehen können, bis ich diesen geleert habe. Leise seufze ich, wende meinem Blick vom Fenster ab und versuche meine Aufmerksamkeit wieder auf meine Aufgabe zu richten.

Doch ich kann mich nicht mehr konzentrieren. Meine Hände zittern leicht und der Windhauch, der durch das Fenster weht, lässt mich frösteln. Entschlossen stelle ich den Korb zur Seite. Ich werde diese Arbeit heute nicht zu Ende bringen und so stehe ich auf und verlasse die Kammer. Allerdings tragen mich meine Füße nicht zurück in das Zimmer, welches ich bewohne.

Mein Weg führt mich aus den Häusern hinaus in die kühle Abendluft. Ich bemerke es kaum, doch in diesem Moment sind meine Gedanken bei Faramir.
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