Arda Fanfiction

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Das Licht der Hoffnung

von Dairyû

Prolog - Der Ring

Nicht wenig erschöpft stehe ich nach einem langen und ereignisreichen Tag an einem Ort, den zu betreten vor mir erst einem einzigen Wesen vergönnt war. Doch spüre ich weder Stolz noch Erhabenheit, denn es ist ein zweifelhaftes Geschenk auf den Spuren des verabscheuungswürdigen Bösen zu wandeln.
Aber die Notwendigkeit hat meine Schritte gelenkt und mir den Weg gezeigt, den ich mir aus gutem Grund nicht ersparen wollte.
Wieder ist Feuer um mich, doch diesmal habe ich seine Gegenwart bewusst gesucht und weiß, dass es mir nichts anhaben kann. Es glüht in den Tiefen des Berges, während ich hier oben verharre, den Abgrund wenige Schritte hinter mir.

Ich bin nicht allein.
Und doch habe ich mich selten zuvor einsamer gefühlt - oder hilfloser. All mein Wissen und mein Sehnen nützt mir nichts in diesem Augenblick, in dem ich begreife, dass wir einen schalen Sieg errungen haben.
Oder war es gar eine Niederlage?
Alles ist möglich in den Wirren der grausamen Zeit, die wir durchleben müssen. Aber noch gebe ich mich nicht geschlagen. Zögern muss nicht zu Widerstand werden.

"Isildur!"
Jetzt erhebe ich meine Stimme, und gebieterisch lege ich meine ganze Autorität in sie. "Wirf ihn hinein! Vernichte ihn!"
Der Mensch sieht mich an, ruhig steht er da, ein Stück weit vor mir im Zwielicht des Berges, und ich blicke in seine Augen wie in einen Spiegel, der mir die hässliche Wirklichkeit vorhält.
Schweiß, Blut und Tränen haben uns beide verunstaltet; im Angesicht des Todes und des Grauens sind wir Elben den Menschen sehr ähnlich, auch wenn viele von uns diese Tatsache von sich weisen. Doch wir alle sind Ilúvatars Kinder - und manchmal bedeutet es nicht das Geringste, dass wir als die Erstgeborenen vor den Menschen unter dem weiten Himmel wanderten, an dem nur das silberne Licht des Mondes schien, und das Funkeln der Sterne uns den Weg wies.

Sind wird deshalb besser als die Sterblichen?
So wie an meinem besudelten Gewand klebt auch an Isildurs der schwarze Staub, der das Land des Feindes überzieht und alles Leben zu ersticken sucht. Fein und tückisch ist er - so wie der Geist des Dunklen Herrschers, der wie ein fernes und schwächer werdendes Echo über Siegern und Besiegten schwebt, und fast meine ich, Saurons Racheschwur zu hören.
Kalte Finger tanzen meinen Rücken entlang. Viele Menschenalter werden vergehen müssen, bis von der Gegenwart des Bösen nichts mehr zu spüren sein wird. Und solange der Eine existiert, wird die Erinnerung an seinen Gebieter nicht vom Angesicht der Welt getilgt sein. Deshalb bin ich ... sind wir hier.

Noch vor wenigen Stunden gab es kein Zögern. Isildur nahm meinen Rat an, die mächtigste und gefährlichste Hinterlassenschaft Saurons dem Feuer anheimzugeben, aus dem sie einst erstanden war - zum Gedenken an das Opfer so vieler Leben.
Doch wehe, der Wille der Menschen ist schwach und ihre Herzen sind leicht zu verführen! Wo kurz zuvor eiserne Entschlossenheit herrschte, regieren nun Zaghaftigkeit und Wankelmut. Nicht wenig bestürzt muss ich sehen, wie der Sohn Elendils den Einen Ring in den Händen hält.
Zart und wie eine zerbrechliche Kostbarkeit, besitzergreifend und beschützend. Zugleich betrachtet er den goldenen Reif, gelockt vom dunklen Schimmer des Kleinods, und mit jedem Augenblick, der vergeht, wird sein Blick verträumter und ein Lächeln stiehlt sich auf seine Lippen, die sich zum Sprechen formen.
"Nein."

Dieses eine Wort trifft mich wie ein Schlag ins Gesicht, den ich zwar habe kommen sehen, aber den abzuwehren mir nicht gelungen ist. So sitzt der Schmerz tief wie ein giftiger Stachel; und genauso verheerend ist er, denn er nimmt mir die Kraft zu handeln. Statt dessen muss ich in die Augen des Menschen sehen, und dort entdecke ich ein spöttisches Funkeln, das zu einem triumphierenden Ausdruck wird - wenige Augenblicke nur, aber in diesem Moment spüre ich meine Machtlosigkeit.
Der Geist des Ringes hat von dem Sohn Elendils Besitz ergriffen. Und ich bin zur Hilflosigkeit verdammt. Denn weder Zorn noch Trauer lösen meine unsichtbaren Fesseln. Ich bin gefangen in einem finsteren Traum. Meine Hände ballen sich zu Fäusten, als der Mensch langsam beginnt davonzugehen. Ein letztes Mal sieht er mich an, ein verzücktes und zugleich erschreckend abstoßendes Lächeln auf den Lippen, und seine Hände umfangen und streicheln den Ring wie eine Geliebte.

"Isildur!"
Meine Stimme überschlägt sich, während ich dem Menschen nachsehe, der sich einfach von mir abwendet, seine Ohren verschlossen vor meinen drängenden Worten, sein Herz verhärtet gegen die Wahrheit und Notwendigkeit etwas zu vernichten, das durch seine Einfachheit den Eindruck der Harmlosigkeit erweckt und durch seine Formvollendung den Anschein des unendlich Wertvollen.
Welch ein Hohn ist es, dass Saurons Fähigkeiten, sich und seine Werke im Lichte der Schönheit und des aufrichtigen Wohlwollens darzustellen und die Ahnungslosen zu verführen, auch jetzt Früchte tragen, da er vom Angesicht der Welt vertrieben wurde!

Meine Glieder sind noch immer wie gelähmt.
Ich kann nichts anderes als dastehen, so sehr ich mich dafür auch verabscheue. Das Grollen des Berges ist wie ein grausames Lachen, das mich verhöhnt und das Brüllen der Flammen in seinem feurigen Schlund hebt an, verebbt, und erklingt von Neuem, so dass der Fels erbebt.
Ich verharre dort in der Hitze des Feuers, dessen Atem über mein Gesicht streift und an meinem Umhang zerrt. Das helle Licht des Tages, welches durch den Felsspalt fällt, durch den man Zugang in den Feurigen Berg erlangt, verschluckt die Gestalt des Menschen, als er hinausgeht - selbstvergessen und verzaubert. Ich muss ihn aufhalten, ihm den Ring entreißen und das tun, wozu er nicht fähig ist, aber mein Körper gehorcht mir nicht; er ist von unendlicher Schwere ...
Ebenso mein Herz.

Ist das der Sieg, den wir errungen haben?
Die Vernichtung des Dunklen Herrschers war unser Ziel.
Aber haben wir es erreicht?
Und zu welchem Preis?
Ich kann nicht anders, als mich den Erinnerungen hinzugeben, die meine Seele bedrücken; schnelle und stumme Bilder vor meinen Augen. Ich lasse sie zu und dann greife ich nach ihnen, finde mich wieder an dem Abend vor der gewaltigen Schlacht, die das Dasein so vieler Lebewesen verändern sollte.
Auch das meine ...
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