Arda Fanfiction

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Ein goldener Sommer

von Alystraea

Die Rettung

Am späten Nachmittag. Die Grasebenen von Rohan. Ein heißer Sommertag.

Ihr Hengst war dehydriert, erschöpft und begann zu straucheln, sein stolzer Kopf hing kraftlos herab, die Flanken und der Biss schäumten. Und doch kämpfte er tapfer, um weiter zu galoppieren. Aus Liebe zu ihr.

Über das Rauschen der Hufe und den Wind in ihren Ohren, wurden die harten, gutturalen Schreie der Orks hinter ihr, an sie herangetragen.

Die Orks hatten ihr vom Süden, wo Edoras lag, und vom Osten, wohin sie unterwegs waren, den Weg abgeschnitten. Sie ritt nach Norden und Westen, in der Hoffnung, dass Gesaelig den Orks entkommen könnte. Aber die Bande übelster Kreaturen hatte sich als unermüdlich erwiesen, und ihr Ross, das bereits von den vielen Stunden der Reise müde war, konnte nicht mehr lange durchhalten.

Um sie herum erstreckten sich die offenen Grasebenen Rohans. Weit im Nordwesten lagen die hohen Gipfel des Nebelgebirges am Horizont, zu seinen Füßen kauerte der Wald von Fangorn. im Osten der Fluss Entwasser, der tief und schnell floss.

Es gab keinen Zufluchtsort. Keine Stelle, wo man sich verstecken konnte.

Vor ihr, dachte sie – oder war es Einbildung? - sah sie einen Schimmer von Gold und Weiß. Ein strahlend weißes Pferd, das in der Ferne auf sie zugeritten kam, das Haar des Reiters flatterte lang und golden im Wind, leuchtend in der Westsonne. Sie blinzelte, als der Schweiß ihre Sicht verschwommen machte und fragte sich, ob es sich um eine Erscheinung aus den Hallen der Toten handelte. Vielleicht kommt ein Krieger des Himmels für die Gefallenen. Ein Omen des bevorstehenden Todes.

Als die Speere der Orks Gesaelig in die Flanke trafen und er unter ihr zusammenbrach, war ein Teil von ihr erleichtert, dass ihr leidender Hengst von seinem Elend erlöst wurde. Sie wunderte sich, dass die Orks das nicht schon viel früher getan hatten, fragte sich, ob die üblen Kreaturen ihr armes Tier vor sich hergetrieben hatten, um mit ihm Jagdsport zu treiben und seine Qualen zu auszukosten.

Sie machte einen klaren Sprung, als Gesaelig fiel, und ihr brach das Herz vor Trauer über den Verlust ihres tapferen Pferdes. Sie rollte schnell auf ihre Füße. Als sie geritten war und über ihre Schulter blickte, hatte sie noch gesehen wie viele hinter ihr her waren. Siebzehn Orks insgesamt.

Sie war die Tochter ihres Vaters. Sie würden schon sehen, wie eine Tochter der Mark dem sicheren Tod ins Auge zu blicken vermochte. Sie zog ihren acht Zoll langen Dolch aus ihrem weißen Rock und stellte sich ihren Feinden entgegen. Ihr flachsfarbenes Haar, das sich aus den Zöpfen löste, fiel schimmernd in einem feuchten Gewirr über ihre helle weiße Stirn und über ihre Schultern. Ihre stahlgrauen Augen funkelten wild und übersinnlich.

"Dann komm!", knurrte sie trotzig, den Dolch bereit, als sich die ersten Orks näherten. "Eorlingas!", rief sie als Kriegsschrei aus, ihre junge Stimme erklang mit dem ganzen Stolz ihrer Sippe, selbst als die ersten beiden Orks auf sie zustürmten.

Mit all ihrer Kraft schlug und stach sie mit ihrem Dolch heftig auf ihre missgebildeten Arme, Kehlen und Hände ein, erstickte fast in ihrem fauligen Gestank und keuchte, als ihre Klingen ihre Schulter und Arme, ihre Stirn und ihre Hände erwischten. Sie stürzte auf die Knie, ihr Dolch schwarz von ihrem Blut, ihr weißes Kleid schwarz und rot gefärbt.

Sie hörte einen Aufschrei der Angst und Panik von den Orks. Sie sah fassungslos zu, wie schwarzes Blut über sie spritzte, und zwei Orkkörper vor ihr darnieder fielen, einer enthauptet, der andere vom Hals bis zu den Eingeweiden aufgeschlitzt. Sie hob den Kopf und sah über sich einen großen, glänzenden Krieger in Weiß, dessen langes goldenes Haar bis zur Taille wallte. Er schwebte schützend über ihr, bewegte sich leicht in einer verschwommenen, fließenden Bewegung, die angreifenden Orks fielen mit abscheulichen Schreien, schwarzes Blut regnete, als seine Zwillingsschwerter Fleisch und Knochen mit ebenso großer Leichtigkeit wie Luft durchschnitten.

Bald schrien sich die übrigen Orks - etwa ein halbes Dutzend - gegenseitig an und begannen zu fliehen. Sie lag nun halb auf dem grünen Gras, der Dolch fiel ihr aus der Hand, als sie mühsam den Kopf hob, um das Gemetzel ehrfürchtig zu beobachten.

Als die Orks flohen, legte der Krieger in Weiß seine Waffen nieder, bückte sich und hob sie hoch, als wäre sie ein kleines Kind. Sie sah intensive saphirblaue, von weißem Feuer glühende Augen, ein strenges, kaltes und grimmiges Gesicht, und für einen Moment hörte sie auf zu atmen. Denn noch nie hatte sie eine so makellose und strahlende Schönheit gesehen wie die Schönheit dieses Gesichts. Sie konnte nicht sterblich sein. In einer einzigen geschmeidigen Bewegung hob er sie mühelos und leicht auf den Rücken des weißen Hengstes, der in der Nähe gestanden hatte. Dann wandte er sich um, um seiner Beute nachzueilen, das Haar hell und golden wie die Morgensonne fliegend.

Während sie rittlings auf dem Hengst saß und sich an der weißen Mähne festhielt - denn auf diesem edlen Ross gab es weder Zaumzeug noch Sattel - sah sie zu, wie der Krieger des Lichts auf schnellen, leichten Füßen den Orks über das grüne Gras nachjagte. Sie sah fasziniert zu, wie die beiden glänzenden Klingen, die er schwang, sich bogenförmig bewegten und durch die Luft stießen; die fliehenden Orks, die sich zum Kampf umdrehten, wurden schnell getötet. Der Krieger bewegte sich mit fließender Anmut - ein surreal schöner Totentanz, keine vergeudete Bewegung, ein Schlag pro Tötung. In weniger als drei ihrer flatternden Atemzüge lag seine gesamte Beute still.

Der Schimmel glitt sanften Schritten an die Seite seines Reiters. Schwarzes Orkblut benetzte das Gesicht, die Haare und Kleidung des Kriegers. Seine strahlende Lichtaura war zu einem schwachen Schimmer gedimmt, der seine hohe, schlanke Gestalt umgab. Er wischte seine Schwerter ab, hüllte sie in die jeweilige Scheide und schob sie auf seinen Rücken. Mit dem Ärmel rieb er etwas schwarzes Blut von seiner Wange ab, während er auf sein Pferd zuging. Seine strahlend blauen Augen, die noch immer mit ihrem überirdisch glitzernden Licht leuchteten, waren auf sie gerichtet.

Sie starrte ihn an. Durch sein strahlend goldenes Haar sah sie, dass seine Ohren spitz waren.

"Sterbe ich?", fragte sie schwach durch ihren Schmerz und schaute dieses Geschöpf aus einer anderen Welt an.

Er betrachtete ihre Wunden schnell und mit scharfen Augen, seine langen, schlanken Finger bewegten sich behände und leicht von ihrer Stirn zu ihrer Schulter und ihren Armen und untersuchten sie sorgfältig. "Nein, Kind", sagte er beruhigend. "Ich hoffe, dass du noch viele Jahre bis zu diesem Ereignis haben wirst." Seine Stimme war tief und musikalisch. "Sie wollten dich gefangen nehmen, nicht töten. Sonst wärst du schon längst tot."

"Was seid Ihr?", platzte sie heraus.

Seine blauen Augen trafen ihre grauen, und zum ersten Mal lächelte er. Plötzlich erschien er ihr so jung wie ihr Bruder. Sein Gesicht war warm und freundlich, und seine Augen lachten und strahlten. "Ich bin ein Elb, junge Maid." Er hob sie behutsam von seinem Pferd und setzte sie auf den Boden.

"Ein Elb?", staunte sie. "Wir haben Eurem Geschlecht gehört. Aber nie haben einen Vertreter zu Gesicht bekommen." Geschichten über dunkle Zauberei, um ein Kind zu erschrecken. Doch jetzt da dieses Wesen vor ihr stand, spürte sie keine Furcht.

"Ich bitte um Verzeihung, dass ich die Riddermark unbefugt betreten habe", sagte der Elb mit einer Verbeugung. "Ich bin Glorfindel von Bruchtal, weit nördlich und westlich des Nebelgebirges." Er suchte in den weich gewebten Packtaschen, die an den Seiten des weißen Pferdes hingen, und holte ein Fläschchen und einen Beutel hervor. "Ich war gerade von einem Besuch bei einem alten Freund im Wald von Fangorn gekommen und wurde von der Neugierde, eure Lande wiederzusehen, in den Süden gezogen. Es scheint ein glücklicher Zufall gewesen zu sein, sonst wäre ich jetzt schon weit im Norden gewesen. Er nahm ein sauberes, quadratisches, weißes Tuch und befeuchtete einen Teil davon mit einer klaren Flüssigkeit aus dem Phiole. Vorsichtig säuberte er ihre Wunden an Stirn, Schulter, Armen und Händen. Es fühlte sich kühl an, aber es brannte wie Feuer. Sie biss schmerzerfüllt die Zähne zusammen. "Diese drei müssen genäht werden", erklärte er und schaute auf ihre Stirn, ihre linke Schulter und ihren rechten Unterarm. "Aber wir können dankbar sein, dass keine ihrer Waffen vergiftet war." Und er begann leise in seiner Sprache zu singen, während er ihre Wunden versorgte, fremde Worte, die sie an sprudelnde Bäche und tiefe Wälder und schroffe Berge und Sternenlicht denken ließen. Sie spürte eine Kühle, dann eine Wärme, und der pochende Schmerz ihrer Schnittwunden ließ nach.

Sie blickte ihn während dieser Behandlung misstrauisch an, saß still und unbeirrt da.

"Du hast gewiss viele Geschichten über dunkle Elbenmagie und die Bannsprüche meines Volkes gehört, daran hege ich keinen Zweifel", sagte Glorfindel. "Sei versichert, dass ich nur hier bin, um zu helfen und zu heilen."

Sie blickte in seine klaren, erhabenen Augen. "Ich habe keine Angst", erwiderte sie. Dann sah sie auf dem unteren Ärmel seines linken Arms einen Riss und einen roten Fleck. "Ihr seid verwundet", sagte sie mehr erstaunt als beunruhigt, dieses magische Wesen wirkte menschlich und verletzlich.

"Nur ein unbedeutender Kratzer", sagte er und machte sich kaum die Mühe, ihn anzusehen. Er befeuchtete seinen Finger mit Flüssigkeit aus dem Phiole und rieb ihn über den Schnitt. "Wenn du es mir gestattest, werde ich jetzt deine Wunden nähen."

Als er ihr ein anderes Fläschchen zum Trinken anbot, zögerte sie, aber diese klaren, ernsten Augen waren so rein im Geiste, dass sie wie befohlen einen Schluck daraus nahm. Es brannte warm und süß in ihrer Kehle. Er zog eine sorgfältig umwickelte Nadel und einen Faden heraus und setzte zum ersten Stich an, leise singend als er begann. Sie fühlte winzige Nadelstiche, mehr nicht. Sie fragte sich, ob es das Getränk oder seine Nähe war, die ihr ein Schwindelgefühl vermittelte.

"Wie heißt du, Kind?", fragte Glorfindel aus Bruchtal. Sie war sehr schön für eine sterbliche Maid, obwohl ihre Schönheit, so dachte er, nicht die einer Blüte war, sondern die einer tanzenden Flamme oder eines schimmernden Schwertes.

"Ich bin Éowyn, die Tochter Éomunds."

"Wird deine Sippe nach dir suchen? Wo sollen wir sie treffen?"

"Ich reise, um meinen Bruder in der Ostfold zu besuchen, aber er erwartet mich erst in einer Woche. Und in Edoras, von wo aus ich heute Morgen losgeritten bin, wird man mich erst in zwei Monaten erwarten. Niemand wird nach mir suchen."

Wenn sie ihn ansah, staunte sie weiterhin über seine überirdische Schönheit, die sich so sehr von der breiten, muskulösen Kraft ihrer Männer unterschied. Sein Gesicht, auf sein Werk konzentriert, war entschlossen und fast streng im Ausdruck, seine Augen ein tiefes, wechselhaftes Blau wie Seewasser, das einen Sommerhimmel widerspiegelt. Sein Gesicht war so glatt wie das einer feinen Dame, ohne einen Hauch von Bart. Das Haar, das über seine Schultern und über den Rücken bis hinunter zu seiner Taille floss, war von einem so herrlichen Goldglanz, dass ihr eigenes Haar, so dachte sie beschämt, ihr so stumpf erschien wie das Stroh, das die Pferdeboxen auskleidete. Sein Duft war wie der von fallendem Regen, von den süßen Gräsern einer Wiese in der Sommersonne, ein sauberer, frischer Duft. In den kommenden Jahren würden diese Düfte ihr immer einen großen Elbenkrieger mit himmelblauen Augen und wallendem Haar aus strahlendsten Gold beschwören.

"Wohin wirst du dann gehen?", fragte er. "In die Ostfold oder zurück nach Edoras?"

"Ostwärts, zu meinem Bruder."

"Also gut dann. Das dürfte höchstens eine viertägige Reise werden, ganz einfach." Er beendete die letzten Nähte und verband die Wunden. "Du bist ein tapferes Mädchen. Keine Tränen und kein Jammern."

"Ich spürte nur schwache Stiche. Dank Eures Geschicks."

Dann ging sie zu der Stelle, an dem ihr edles und tapferes Ross verendet war, und stand schweigend daneben. Der weiße Reiter und sein Schimmel folgten ihr. "Es tut mir leid um deinen Verlust", sagte die Elb.

"Es gab Verluste, die weitaus gravierender waren", sagte sie und wurde plötzlich von der Tragweite eines Trauerfalls und der Tragödie getroffen, die sie bis jetzt ausgeblendet und verdrängt hatte. "Ceolmund und Rumwold ritten heute Morgen mit mir aus, wahrhaftig tapfere Männer. Sie gaben ihr Leben, damit ich fliehen konnte." Und plötzlich zitterten ihre Schultern. "Sie kannten meinen Bruder und mich seit unserer Geburt", weinte sie in seine Brust, als er seine starken Arme um sie schlang. "Sie waren die Freunde meines Vaters und auch die meinen."

"Wir werden sie finden und bestatten", sagte er. "Sie sind ehrenvoll dahingeschieden, um sich Eorl dem Jungen und ihren Vätern in den Hallen der Helden anzuschließen."

Sie leerte die Packtaschen von Gesaeligs Sattel, band ihre wenigen Habseligkeiten zu einem Bündel zusammen, und er schnallte sie an die Satteltaschen seines Pferdes, das er ihr als Asfaloth vorstellte. Er erlaubte der Tochter der Pferdeherren, Asfaloth selbst zu besteigen, nur mit der Hand, um ihr einen Schritt nach oben zu geben, bevor er sich leicht auf den Rücken des Hengstes schwang.

Es war Nacht geworden, als sie das flache Grab der beiden Rohan-Krieger zugedeckt hatten, von denen jeder mindestens fünf Orks getötet hatte, bevor sie umkamen. Sie wurden mit ihren Waffen auf ihrer Brust zur letzten Ruhe gebettet. Als es vollbracht war, zitterte sie und hatte einen angeschlagenen Magen, aber sie hatte es Glorfindel nicht allein tun lassen wollen, selbst als er ihr streng gesagt hatte, sie solle sich wegen der Wunden schonen.

"Sie starben für mich. Selbst wenn ich diese Gräber allein und mit meinen bloßen Händen hätte ausheben müssen, so hätte ich es getan."

Er stand in respektvoller Stille daneben, als sie Wildblumen von den Feldern auf die Gräber legte. Die Sterne blickten kalt vom wolkenlosen Himmel herab, während sie ein Klagelied für die Gefallenen sang. In der Nacht schimmerte seine Gestalt schwach, wie von Sternenlicht umrissen, und sein Haar leuchtete noch immer in goldenem Licht. In seinen Augen schimmerten Erinnerungen an andere Tode, andere Schlachtfelder.

Als sie sich verabschiedet hatte, weinte sie wieder. Er ließ sie eine Weile weinen, dann führte er sie sanft fort.
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