Arda Fanfiction

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Ein goldener Sommer

von Alystraea

Jung und alterslos

Sie ritten unter den Sternen nach Osten, bis sie an die Ufer der Entwasser kamen.

"Liegt die Furt etwa viereinhalb Kilometer (*) weiter nordöstlich?", fragte er sie.

"Ich glaube schon", sagte sie unsicher. Es war Nacht. Die offenen Ebenen boten ihr keinen Anhaltspunkt.

Er sah sie an. "Wir werden hier für die Nacht rasten." Sie schwankte vor Erschöpfung. Er hob sie von Asfaloths Rücken herunter.

Nachdem sie abgestiegen waren, sagte er: "Verzeih mir. Du bist halb tot vor Erschöpfung und Trauer, und ich hätte es früher bemerken sollen. Und ich vergaß dein Bedürfnis zu essen." Er überreichte ihr ein in ein Blatt gewickeltes Gebäck und ging, um seinen Wasserschlauch im Fluss aufzufüllen. Als er zurückkam, gab er zwei Tropfen aus einem kleinen Phiole in den Wasserschlauch. "Um es zum Trinken zu reinigen", sagte er und reichte es ihr. "War das Gebäck nach deinem Geschmack?" Sie hatte es gänzlich aufgegessen.

Sie nickte und fühlte sich gut gesättigt. "Ich danke Euch." Und sie trank tief von dem süßen, sauberen Wasser aus dem Schlauch. "Was ist mit Euch?", fragte sie und fürchtete, sie hätte alles aufgegessen, was er hatte.

Er lächelte. "Elben müssen nicht essen wie Menschen. Ich habe genug für uns beide für eine lange Zeit. Und ich kann, zumindest für die nächste Woche, leicht auf Nahrung verzichten. Er blickte über die windgepeitschten Ebenen. "Schlaf jetzt, Kind. Ich werde Wache halten." Er setzte sich ins Gras, die Schwerter an seiner Seite.

Sie legte sich unweit von ihm ins Gras, ihr Bündel als Kissen unter dem Kopf. "Warum nennst du mich Kind? Ich bin siebzehn Jahre alt und bald eine ausgewachsene Frau, und du ein Jüngling, sicherlich nicht älter als mein Bruder, der erst einundzwanzig Jahre alt ist."

Sie sah seine blauen Augen tanzen und leuchten wie die Sterne über ihnen, und er brach in ein musikalisches Gelächter aus. "Ah, Tochter der Rohirrim! Schätzt du mein Alter so ein? Nein. Ich bitte dich, noch eine Schätzung abzugeben." Er erhob sich und holte einen Umhang aus Asfaloths Packtaschen, um sie damit zuzudecken, denn der Nachtwind war kalt und sie sah unterkühlt aus. Sie war erstaunt über die Wärme des Umhangs trotz seiner Dünnheit.

Ihre grauen Augen verengten sich nachdenklich. "Fünfundzwanzig?"

"Ich gehöre zum Elbenvolk, das weder altert noch aus den Kreisen dieser Welt scheidet. Ich bin einst gestorben und wieder zum Leben erwacht. Und in dieser Form wohne ich jetzt seit …” Seine Stimme brach neckisch ab und lud sie zum Raten ein. Er streckte seine langen Beine vor sich aus, beugte ein Knie und lehnte sich auf einem Ellbogen zurück, wobei er rätselhaft lächelte.

"Hundert Jahre?", wagte sie unsicher.

Er lachte wieder, ein freudiges Geräusch. "Nein, Kind." Er schüttelte langsam den Kopf. Er schaute in ihre grauen Augen, und plötzlich sah sie in den Tiefen seiner sternenklaren blauen Augen ein schnelles Vergehen von Zeitaltern, eine Vision von Epochen der Geschichte, die über die weiten Länder Mittelerdes hereinbrachen, von Kriegen und Helden, Drachen und Dämonen, Generationen von Menschen, umgestalteten Landschaften, verschlungen von Ozeanen. Sie löste sich mit einem scharfen Atemzug aus dem Bann seiner Augen und sah sein jungenhaftes Gesicht plötzlich alterslos alt werden, beschwert mit der Weisheit und dem Gedächtnis von Jahrtausenden.

"Ich habe sechstausend Jahre in diesem zweiten Körper gelebt, und zweitausend in meinem ersten", sagte er, seine sternenklaren Augen waren ernster, obgleich immer noch ein Lächeln auf seinen Lippen lag.

Ihre Augen waren weit aufgerissen, unfähig, eine so lange Zeit zu begreifen, und in der Tat immer noch bemüht, alles zu erfassen, was er von sich selbst offenbart hatte.

"Ich kannte die Welt, bevor Sonne und Mond entstanden", sagte er und blickte auf den sternenübersäten Himmel. "Ich bin durch dieses Tal gewandert, als es noch jünger war, und habe an der Seite deiner Vorfahren gekämpft, als sie noch in Rhovanion wohnten. Ich ritt mit Eorl dem Jungen, als er zum ersten Mal ins Ödland kam. Ich muss sagen, dass du deinen Vorfahren sehr ähnlich siehst, Tochter der Éothéod."

Sie blickte ihn mit stiller Ehrfurcht an.

"Geh schlafen, Kind." Und als er sich ins Gras legte, begann er ein sanftes Lied auf seiner eigenen Sprache zu singen. Sie schlief mit den Klängen dieses einlullenden Liedes ein und träumte von einer schönen weißen Stadt, umgeben von schneebedeckten Gipfeln, die höher sind als das Nebelgebirge.


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*Im Original waren 2 Leagues angegeben. Da musste ich erstmal recherchieren, da ich dieses Maß noch nie im Leben gehört habe. 1 League entsprach im europäischen Mittelalter etwa 2,2 Kilometern bzw. 1,4 Meilen. Der Einfachheit halber habe ich daher ein gängiges Maß genommen, das dem modernen Leser eher etwas sagen dürfte.
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