Arda Fanfiction

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Mit dir, mein Stern

von Dairyû

Variante 2

n den dunklen Stunden der Nacht, wenn es am leisesten ist und ich nichts anderes hören kann als mein eigenes Atmen, wenn die Einsamkeit des Landes zu meiner Einsamkeit wird, wenn ich an meinem Leben, meinem Schicksal und dem Erbe meiner Vorfahren schwer zu tragen habe, dann tröstet es mich, die Sterne am Himmel zu sehen, die mir Zuversicht und Kraft geben.
Selbst wenn die Wolken dieses unvergleichliche Funkeln bedecken, kann ich Deinen Stern sehen, meine Geliebte.
Wohin ich auch gehe. Er leuchtet über meinem Weg.
Dieser Pfad wird hell aber auch dunkel sein, ich werde Freude und Traurigkeit erleben, mutig sein und ängstlich - all das werde ich durchstehen müssen.

Denn der Feind ist hervorgekommen und zeigt seinen bösen Willen. Seine Schergen durchstreifen das Land. Sie werden von Saurons finsterem Willen angetrieben und sind auf einer Suche, deren Erfolg ganz Mittelerde ins Chaos stürzen würde. Darum bin ich unterwegs und folge meiner Bestimmung. Ich werde mich ihr nicht entziehen, so gern ich es manchmal auch tun würde, weil ich nicht weiß, was auf mich zukommt.
Leben oder Tod?
Sieg oder Niederlage?
Herrschaft oder Versklavung?
Die Zeit wird zeigen, ob die alten Prophezeiungen Gültigkeit haben.
Ich sehe dem Kommenden gelassen entgegen, auch wenn es eine sterbende Welt sein sollte. Dein Stern wird über mir scheinen und Deine Liebe mich auf unsichtbaren Flügeln der Stärke und Hoffnung tragen, damit ich Kraft finde und keine Angst vor der Finsternis haben muss.

Ich bin gesegnet.
Du hast mir Dein Leben geschenkt und das Wertvollste, was Du besitzt. Ich möchte mich noch immer weigern, Dein Geschenk anzunehmen. Ich habe es nicht verdient!
Ich bin nur ein Mensch, schwach und wenig klug. Mein Schicksal besteht aus einem kurzen, gefahrvollen Dasein, an dessen Ende der Tod wartet. Aber auch Glück und Freude sind da.
Beides ist mir doppelt wertvoll und lässt das kurze Leben schöner sein - weil Du Dich entschieden hast, mich zu begleiten. Deine Wahl ist eine Ehre für mich und mir fehlen die nötigen Worte des Dankes und der Liebe. Sie alle sind zu wenig aussagekräftig, um auszudrücken, was ich fühle.

Du gibst für mich das auf, was die Menschen schon immer haben wollten: die Unsterblichkeit.
Eines Tages wird Dein schönes dunkles Haar nicht mehr schwarz glänzen und deine Haut von vielen Jahren gezeichnet und rau sein. Du wirst das bedrückende Alter spüren, zittern und schwach sein. Deine Augen werden sich trüben und dann für immer schließen. Es ist ein Trost für mich, dass ich weiß, dass ich zuerst sterben muss und auf dich warten kann. Jedem Menschen ist es so bestimmt.
Aber gerade weil das menschliche Leben vergänglich ist, sollten wir es zu schätzen lernen. Jeder Tag und jeder Augenblick, den wir miteinander verbringen, ist ein Vorgeschmack auf ein ewiges Glück. Dass Du bereit bist, alles mit mir zu teilen, gibt mir die Kraft und den Mut, mich zu behaupten und auch die schlimmsten Stunden zu ertragen.

In den Jahren, die wir uns nun schon lieben, bin ich geduldig geworden, da wir uns niemals wirklich nahe sein konnten. Aber es macht mir nichts aus, auf Dich zu warten, meine Augen zu schließen und Dich vor mir zu sehen, sie zu öffnen und mich an Dein Lächeln, Deine Lippen auf meiner Wange zu erinnern und diese Erinnerung wie einen Schatz zu hüten.
Denn das ist sie.
Unser Geheimnis und meine größte Last, weil ich mich erst als würdig erweisen muss, um an Deiner Seite leben zu dürfen. Manchmal bin ich deswegen zornig und mein Herz rebelliert gegen den elbischen Stolz, der mich abwertet.
Doch dann wird aus dem Zorn Verständnis. Ich beginne mich mit anderen Augen zu sehen.
Durch sie erscheine ich wie ein Dieb in der Nacht, der geschickt die Schätze der Unwissenden stiehlt und sie wegen des Verlustes jammern lässt, weil sie ihr Herz an die Juwelen verloren haben.
Es ist gut, dass ich um Dich kämpfen muss.

Ich hoffe, dass der Segen der Valar mich lenkt, meine Hände führt und mich stärkt. Ich werde als König von Gondor und Arnor zu Dir zurückkehren, wie man es von mir verlangt hat - oder als einfacher Mann sterben und Dich in diesem Leben nie wiedersehen.
Dann wird sich die Dunkelheit ausbreiten und Mittelerde verschlingen.
Gerne würde ich den Lauf der Dinge lenken können, aber ich kann es nicht. Da ist ein anderer, der das Schicksal auf seinen schmalen Schultern trägt.
Wenn er scheitert, sind wir alle verloren.
Es gab Momente, in denen ich in Versuchung geführt wurde und den Einflüsterungen des Einen Ringes beinahe erlegen wäre, der mir einredete, ein König sein zu können, wie es ihn auf Mittelerde noch nie gegeben hat. Mir wäre einiges erspart geblieben und ich hätte Dich viel schneller haben können. Aber genauso schnell hätte ich Dich wieder verloren, denn Du hättest dich traurig und zornig von mir abgewendet, weil ich schwach und verräterisch gewesen wäre. Zum Glück habe ich den Ringträger gehen lassen.
Ich denke oft an ihn und ich weiß, dass Du es auch tust. Scheinbar ist er der Schwächste und doch der Stärkste unter den Gefährten. Ich hoffe auf ihn. Also gibt es zwei Sterne, die über mir scheinen - das Licht Deiner Liebe und das Licht der Hoffnung.
Arwen, mein Leben ...

*


"Aragorn?"
Eine Hand berührt mich leicht an der Schulter, aber doch stark. Das ätherische Äußere der Elben täuscht; und Legolas hat in den letzten Tagen bewiesen, dass er der Ausdauerndste von uns ist.
Er sieht mich neugierig an, aber er ist zu höflich, um zu fragen, was mich in den kurzen Augenblicken beschäftigt, die wir uns eine Pause auf der Jagd nach den Orks gönnen, die mit den beiden Hobbits vor uns her rennen.
Ich suche nach einer Spur Kritik in den Augen des Elbs. Es wäre sein gutes Recht mich zu verurteilen, weil ich oftmals abwesend wirke. Doch er tut es nicht. Vielleicht ahnt er, dass ich mir gerade in diesen Momenten die Kraft holen kann, noch ein wenig schneller zu laufen und noch entschlossener zu werden.

Ich lächle. "Es ist gut, Legolas. Wir brechen wieder auf. Wecke Gimli."
Auch über Legolas' ebenmäßiges Gesicht gleitet ein Lächeln, dann sagt er: "Unser Herr Zwerg ist ein bewundernswertes Kerlchen. Schläft von einem Augenblick zum anderen und ist ebenso schnell wieder munter."
Ich sehe Legolas nach, während er lautlos in der Dämmerung des frühen Morgens verschwindet. Ich freue mich, dass der Elb und der Zwerg ein Symbol für die Stärke unserer Gemeinschaft darstellen, auch wenn sie zerfallen ist - sie besteht in jedem Einzelnen von uns fort und jeder wird das tun, was er kann, damit das Unmögliche gelingt.
Wenig später stehen Gimli und Legolas bei mir.

Der Zwerg ist mürrisch.
Es ist kein Wunder. Er schleppt seine Axt und sein Kettenhemd auf seinen kurzen Beinen mit sich herum und ist immer bemüht, kein Hindernis zu sein. Er beschwert sich nicht, obwohl die Erschöpfung sein bärtiges Gesicht grau gemacht hat. Er rückt grimmig seinen Helm zurecht und nickt mir zu. "Meine Axt sehnt sich nach dem Schädel eines Orks, also trödeln wir nicht!"
Mit diesen Worten stapft er davon.
Ich gehe ihm nach.

Die Spur der Orks ist selbst im Morgengrauen mehr als deutlich zu sehen, sie sind nur noch auf Schnelligkeit konzentriert und nicht auf Heimlichkeit.
"Schaut!" Legolas' Stimme bringt sowohl Gimli als auch mich zum Stehen.
Ich sehe mich um. Der Elb zeigt nach Westen.
Dort ist ein Schleier aus dünnen Wolken kurz über dem hügeligen Horizont. Ein sanftes Morgenlicht taucht das faserige Grauweiß plötzlich in Gold, aber noch heller und schöner leuchtet ein einzelner Stern ganz tief am Himmel - er ist von dem feinen goldenen Schimmer gekrönt.

Er flackert, bis ihn die aufgehende Sonne komplett verblassen lässt.
Legolas hat sich zu Gimli und mir gesellt. Seine Augen blitzen. "Das ist ein gutes Zeichen, meine Freunde! So habe ich den schönsten Stern von Elbereth noch nie über Mittelerde scheinen sehen. Gehen wir zuversichtlich weiter!"
Der Zwerg murmelt einige Worte. Selbst meine geschulten Ohren können sie nicht verstehen, und dann nimmt er seinen Weg wieder auf. Diesmal folgt Legolas Gimli.
Ich warte noch einen Augenblick, damit ich das Gefühl des Friedens und der Freude genießen kann, das mich durchflutet. Ich verschließe das Licht in meinem Herzen, für die dunklen Stunden, für die ich mich bereitmachen muss.
Arwen, mein Stern ...


***


Heru 11/2003, überarbeitet 12/2003, experimentell "behandelt" 01/2005

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