Arda Fanfiction

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Zuerst bereite keine Leiden

von Febobe

Frodo

Zweiter Teil: FRODO

Schmerz.


Alles schmerzt.


Meine Schulter pocht; mein Nacken schmerzt; mein Rücken und meine Seite fühlen sich an, als wäre ich ganz neu mit Peitschen geschlagen worden, während ich schlief. Und meine Hand... wo einst mein Finger war, prickelt und kitzelt es, und der Schmerz darunter ist der von gebrochenen Knochen. Aber da ist nichts zu machen; diese Verletzungen sind geheilt, oder so sieht es an der Oberfläche aus, und deshalb sehe ich keinen Wert darin, jemand aus den Häusern darum zu bitten, dass er kommt. Ich habe in den letzten Tagen genug davon gehabt, angegafft zu werden, und es gäbe zweifellos nur noch mehr davon.


Aber... plötzlich ist da eine Dame.


Eine Dame, keine Elbenmaid, sondern von Faramir’s Art... und doch nicht, denn sie sieht nicht aus wie er, nicht aus der Númenorischen Linie, von der diese Leute abstammen.


Die Rohirrim?


Sam sagte...


Sie beugt sich über mich und streicht mir das Haar zurück; ihre Hände riechen nach frischer Luft, nach Gras, das nachwächst, wo einst öder Boden war, nach Klee und Äpfeln; der Duft wärmt und ist der eisigen Kälte, die meine Knochen gefrieren lässt, so unähnlich, dass ich nicht anders kann, als mich in ihre Berührung hineinzuschmiegen und zu wünschen, sie würde ihre Hände nicht fort nehmen.


Und sie tut es nicht.


„Frodo... Faramir hatte den Wunsch, uns einander richtig vorzustellen, aber er hörte, dass ein Bote zum König unterwegs ist, und er wollte ihm vor allem eine Nachricht über deine Gesundheit schicken... und sehen, dass ich in der Zwischenzeit käme, da ich Zeremonien nicht gerade genieße.“ Sie lächelt... ein hübsches Lächeln, mit ebenmäßigen, weißen Zähnen. „Ich habe mir schon lange gewünscht, dir zu begegnen, immer, seit dein Vetter mir von dir erzählt hat... sogar von deinen Tagen als Pilzdieb. Mein Name ist Éowyn.“


Sie ist es. Irgendwie habe ich es gewusst. Ich wusste es. Wenn auch ihr Name keine Überraschung ist, ihre Taten sind es wohl: ich höre, wie sie Sam nach Decken fragt, und einen Augenblick später finde ich mich darin eingehüllt. Die Dame lässt ihren linken Arm vorsichtig unter mich gleiten und erlaubt ihm, mich zu stützen, während ihr rechter Arm die Decken um mich wickelt und mich festhält.


Ihre Rechte.


Schaudernd schmiege ich mich dichter an sie; ich will nichts mehr, als mich an sie zu klammern.


Er ist fort.


Fort.


Sie hat ihn fortgeschickt.


Ihn getötet.


„Schsch.“ Ihre Stimme ist ein Flüstern dicht an meinem Ohr, zärtlich und so leise, dass ich bezweifle, dass selbst Sam es hören kann. „Es ist schon gut. Du bist jetzt in Sicherheit. Nichts wird dir mehr geschehen. Ich werde es nicht zulassen.“


Ich bringe nur ein Nicken zustande; ich schlucke gegen den Kloß in meiner Kehle an.


„Wirst du ein bisschen etwas Warmes von mir annehmen? Ich habe dir ein paar Leckereien mitgebracht... Sam richtet sie gerade her.“


Ich zögere und gebe ihr noch keine Antwort; ich bin unsicher.


„Ingwertee mit Honig... etwas Glühwein... heiße Rinderbrühe und ein Keks mit Creme.“


Alles, was ich esse, während sie mich in den Armen hält, klingt anziehend. Ich nicke schwach


„Vielleicht...“


„Gut.“ Ihre Stimme ist gesenkt, so lindernd... und ich schmiege mich an sie und und sie ist das vollkommene Kissen, trotz ihrer schlanken, durchtrainierten Gestalt.


„Merry sagt, dass du sie magst, aber ich wusste nicht, ob du sie heute möchtest oder nicht. Es kann sehr unterschiedlich sein, wenn man sich schlecht fühlt.“


Ich nicke, noch immer an sie geklammert; plötzlich macht mich das verlegen und doch bin ich unwilig, es aufzugeben. Es fühlt sich sicher an, und zum ersten Mal seit sehr langer Zeit ist mir behaglich zumute und ich habe weniger Schmerzen. Sie ist keine Elbenmaid wie Frau Arwen, und doch bin ich mehr im Frieden... bei ihr, als würde irgend ein verwandter Teil in uns den anderen wiedererkennen.


„Faramir sagt mir, dass du große Schmerzen hast, und Alpträume... und dass du frierst.“


Ich versteife mich und nicke.


„Würdest du mich dir helfen lassen?“


„Keine Medizin. Diese Heilmittel sind immer furchtbar... sie schmecken widerlich und mir wird übel davon. Das, was sie mir für meine Hand gegeben haben, gab mir das Gefühl, als würde ich dahin treiben, und ich habe mich stundenlang übergeben. Es war schrecklich.“


„Natürlich.“ Sie zieht mich ein wenig dichter an sich, als wollte sie mich beruhigen; ich bin ihr sehr dankbar dafür. „Nein... nichts dergleichen. Was ich im Sinn habe, ist etwas sehr, sehr Einfaches, wenn du dazu bereit bist.“


„Vielleicht...“ Ich lausche neugierig und schaue zu ihr auf, so gut ich kann; dabei verfange ich mich ziemlich in ihren Haaren. „Was meinst du damit?“



*****



„Frodo...“


„Mmmm?“


„Frodo, Lieber, es ist Zeit für dein Abendessen. Versuch ein bisschen für mich... nur ein paar Mundvoll? Da ist ein schöner Bissen weißer Kuchen, und ein paar Blaubeeren – und ein bisschen Huhn mit Pilzen und Brühe; klingt das nicht gut? Sam hat dir Milch gebracht, versuch sie zu trinken... das wird gut für dich sein...“


Ich gähne und strecke mich genügend, dass sie einen Löffel an meine Lippen führt; ich koste langsam.


Manche Dinge sind sehr, sehr einfach... wie Éowyns Prinzip; sie hat scheinbar schon ein paar Jahre Erfahrung mit der Pflege, und sie tritt den Beweis an für das, was sie sagt. Ich finde es sehr praktisch, wie sie an die Sache herangeht, denn sie hat nicht mehr getan, als mich in warme Decken zu hüllen und festzuhalten, mich nachts hin- und her zu wiegen, um mir dabei zu helfen, ohne Alpträume zu schlafen und mich selbst zu füttern; sie flüstert mir von Nacht über Nacht zu, als sie in ihr Kissen weinte, als sie verzweifelte und nicht essen wollte, denn das hätte sie nur länger am Leben gehalten und ihre Qualen verlängert... obwohl sie jetzt froh ist, dass sie noch lebt, und sie drängt mich sanft, zu versuchen, was Sam mir bringt. Also tue ich es, und obwohl ich nicht sagen kann, dass es mir besser geht, fühle ich mich doch besser durch diese Behandlung.


Ich wundere mich nur, ob alle Frauen der Großen Leute so weise sind wie Éowyn. Irgendwie bezweifle ich das.


Sie spricht manchmal von... von ihm, in den dunklen Stunden der Nacht, wenn Sam ins Bett geschickt worden ist und sie alleine bei mir sitzt.


Sie spricht von ihm, und ich tue es auch.


Und in den Schatten des Herdfeuers reden wir über tausend dunkle Dinge, die die Leute, die entlang der Treppen Wache halten, niemals hören wollen: wie es sich anfühlte, als Klinge auf Knochen traf... der Beinhaus-Gestank seiner toten, schwarzen Gewänder... das eisig kalte Rieseln von Furcht, das dir das Rückgrat hinunter rann, als er sich in deine Richtung wandte, die Panik... das Wissen, dass du tot warst, oder bald sein würdest, und keine Kraft war übrig, dass es dich kümmerte... du hofftest nur, dass dir danach wieder warm wäre. Dass du warm wärst, heil und geliebt. Worte, die ich nicht einmal zu Sam sagen könnte.


Worte - sagt sie - die sie nicht einmal zu Éomer oder zu Faramir sagen könnte. In den Schatten reden wir miteinander, nur wir beide, und keine Alpdrücke überwältigen uns, wenn die Träume uns endlich mitnehmen.


Sie haben zuviel Angst vor ihr, der Schildmaid.


Sie sagt, sie hätten zuviel Angst vor dem tapferen Ringträger.


Ich weiß nur, das sie nicht kommen, in diesen Nächten wenn ich zusammengerollt in den Armen der Schildmaid schlafe... und alles ist in Frieden.



ENDE
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