Arda Fanfiction

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Der Ruf der Schatten

von Drachenfee

Von der Geburt eines Nazgûl

Manchmal spüre ich die Welt nicht mehr. Manchmal fühle ich mich wie taub und blind, gefangen in meinem Geist, badend in einem Meer der Ahnungen und ich glaube mich mächtiger und größer als es je ein Mensch vor mir war. Ja, du… du bist es… mächtig… mächtiger als jeder andere… Die Schatten raunen mir unheimliche Dinge ins Ohr.Komm zu uns… Und gleichzeitig spüre ich die Welt nicht mehr, höre nicht, wenn jemand zu mir spricht, fühle nicht die Berührung meiner Königin und weiß überhaupt nicht mehr, dass eine Welt außerhalb des Rings ja… der Ring… existiert. Früher habe ich die Erde summen gehört, das Wasser rauschen und den Wind wehen. Ich habe es gefühlt und ich war mit meinem Land verbunden. Doch das ist jetzt vorbei. Der Ring… Ja, mit dem Ring hat alles angefangen. Das ist mir nun, nach Jahren und Jahrzehnten deutlich geworden. Ich bin gesegnet mit einem langen Leben und war einst glücklich und bei meinem Volke beliebt. Ein guter Herrscher. Doch das ist unendlich lange her. Unendlich lange, so erscheint es mir heute und ich kann nicht genau sagen, wann es angefangen hat, mich zu verändern. Annatar, so nannte er sich, der Herr der Geschenke, gleichwohl ist er der Verführer, der Dunkle Dein Herr… er, der für meine Qualen verantwortlich ist. Und doch liebe ich ihn.Ja, du weißt es… Ich begehre das Gefühl seiner Gegenwart mehr als alles andere auf der Welt und wenn ich dem Ring lausche bin ich ihm näher als ihm jemals jemand sein kann. Dann spricht er zu mir und seine Rede vermischt sich mit dem Gesang des Ringes, dem eintönigen, aber doch so wundervollen Gesang. Komm zu uns… hier kannst du haben, was du begehrt hast… in unseren Armen wirst du Geborgenheit finden… wir werden dich retten… aus deiner Verzweiflung… So singt sie fortwährend, diese süße Stimme, die mich mittlerweile auch am Tage heimsucht. Sie? Wer ist es? Ist es der Ring? Seine Stimme? Die Stimme der Valar? Oder lausche ich möglicherweise sogar der Musik der Ainur, der himmlischen, der heiligen? Es fällt mir immer schwerer, meine Gedanken zu sammeln, sie in Wörtern und Sätzen zu formen. Doch heute will ich es noch einmal versuchen, ich will – ich muss festhalten, was mit mir geschehen ist, auf das alle nach mir Kommenden davon wissen und es nie vergessen werden.Niemand wird dich je vergessen… du wirst eingehen in die Geschichte als der größte aller Könige… der strahlende Herrscher… der das Heil brachte… Schon wieder singt sie in meinem Kopf, sie lockt mich, sie quält mich und die Versuchung ist unermesslich groß…Es ist so einfach…Ich kann nicht anderes, als ihr Glauben schenken. Die Stimme klingt so süß, so rein und erlösend. Indessen wollte ich meine Geschichte erzählen, von meinem Schicksal berichten, wie der Ring Der Ring… zu mir kam und mich nie wieder verlassen hat, in keiner Stunde meines Lebens. Ich kann seinem Gesang nicht widerstehen, manchmal kaum lauter als ein Wispern, doch dann wieder dröhnend wie der Klang von tausend Schlachthörnern. Immerzu lausche ich ihm, immerzu versuche ich, aus den Worten die mich erreichen einen Sinn zu bilden, aber sie betören mich mit ihrem Klang und ihrer Melodie.Komm zu uns… Wenn ich aus ihnen erwache und feststellen muss, dass Stunden um Stunden vergangen sind, weiß ich nicht mehr, was sie mir zuflüsterten, was sie erzählten, was ich gehört habe.Du weißt es… Tief in meinem Inneren schaudert mich der Gedanke, was aus mir geworden ist, wie ich dasitze und auf den Ring stiere und mein Gefolge sich zuraunt, dass ihr alter König den Verstand verloren hat. Sie denken, ich wüsste es nicht, aber er zischt es mir ins Ohr.Sie wissen gar nichts…aber du… du weißt alles… du wirst mächtiger sein… mächtiger als alle anderen… du wirst sie beherrschen… Ich weiß auch, dass dunkle Gerüchte die Runde machen unter meinem Volk, dass sie sich wundern über ihren König, der älter ist, als ein Mensch sein sollte und schon so viele von ihnen überlebt hat.Ich schenke dir ein langes Leben… Sie denken, ich stände mit dem Bösen in Verbindung, mit dem unheilvollen Schrecken, der seine finstere Macht in Mittelerde aussendet. Sauron… Und stimmt das nicht vielleicht auch?Nein… nein… du weißt es… Und ja. Manchmal höre ich Seine Stimme durch den Ring und sie spricht dunkle Worte, die ich nicht verstehen kann. Ash nazg durbatulûk, ash nazg gimbatul… Ash nazg thrakatulûk agh burzum-ishi krimpatul… Sie sind wie das Echo des Rings, wie weit in der Ferne gesprochene Wörter, wie eine dunkle Beschwörung. Doch kann das sein?Nein… Womit habe ich es zu tun?Wir… Welche Mächte breiten sich aus in meinem Geist und meiner Halle? Komm… Komm zu uns…Lange habe ich die Stimme nur gehört, wenn ich den Ring betrachtete, mich an seiner Schönheit erfreute und an seinem Glanz. Damals konnte ich ihr noch widerstehen, meinen Geist besinnen auf die Wirklichkeit, mich abkehren von ihm. Doch das ist lange vorbei.Vorbei… Dann kam sie des Nachts, wenn die Welt still daliegt und ich träumte. Und abends, wenn ich in meiner Halle dem Ausklingen des Tages lauschte und mich auf den nächsten besann. Doch auch diese Zeit ist lange vorbei. Nun wispert sie beständig im Hintergrund, in einem Winkel meines Geistes und ich weiß, sie wird mich nie wieder verlassen.Wir sind bei dir… wir werden immer bei dir sein…Ich weiß nicht, ob ich mich davor fürchten oder es erhoffen soll. Würde sie verstummen, ich würde mich unendlich einsam fühlen, leer, wie eine nutzlose Hülle.Du bist unser… Oder nicht? Würde ich es nicht vielleicht begrüßen? Ich könnte endlich wieder mein eigener Herr sein.Unser… du gehörst zu uns… der Ring… er hat dich zu uns gebracht… der Ring… NEIN, ich würde ihn niemals hergeben. Er ist mein. Mein eigen. MIR wurde er gegeben und soll niemals eines anderen Hand schmücken.Er ist für dich bestimmt… kein anderer kann ihn tragen…niemand… er gehört dir… Ja, das ist er. Für mich bestimmt. Und habe ich mit ihm an der Hand nicht weise und gerecht, mächtig und stark geherrscht? Es waren gute Jahre. Keine Not herrschte im Land, soweit ich zurückdenken kann. Keinem anderen Königreich ist es gelungen, mich und die Meinen zu unterwerfen oder mein Land zu erobern. Mächtig ist mein Herrschaftsgebiet geworden und groß. Jaaa… All das habe ich dem Ring zu verdanken. Der Ring… Die Schatten in der Halle werden länger. Ist der Tag denn schon vorüber? Ich werde jemanden rufen müssen, der mir ein Licht bringt… Ich muss meinen Bericht noch beenden.Du brauchst kein Licht… du wirst nie wieder welches brauchen… komm zu uns… zu uns… zum Ring…Der Ring. Er ruft immer lauter. Ich sollte seine Einladung annehmen, seinem Rufen nicht länger widerstehen. Er wird mich mächtig machen und ich werde ewig leben.Ewig… Ich werde herrschen und alle werden mir gehorchen. Jaaa… Sie werden mir untertan sein und keiner wird mir entkommen. Sie werden mich fürchten und verzweifelt lieben. Ich werde DER KÖNIG sein! Komm zu uns… Die Stimme wird immer lauter und ich kann sie nun sogar spüren. Sie vibriert in meinem Körper. In meinem Herzen. Es ist, als klänge Sein Echo in meinem Körper. Das Echo auf die Stimme. Ja… komm zu uns… Der Ring wird wärmer. Er scheint Teil meines Körpers zu werden.Er gehört dir… Es wird immer dunkler. Ich kann das Pergament vor mir nicht mehr erkennen…Komm zu uns… Es ist, als würden die Formen der Welt weicher, die Farben blasser. Die Schatten… Es zieht an mir. An meinem Geist.Wir heißen dich willkommen…Sein Ruf. Ich kann ihn hören.Komm zu mir… in die Schatten… du wirst mein sein… du wirst ewig leben… mächtig… stark… unsterblich… Ich kann ihm nicht länger widerstehen... Ich will ihm nicht länger widerstehen… Ich lasse meinen Geist frei und sehe… Sehe, dass die Stimme mich belogen hat und höre meinen eigenen, letzten, menschlichen Schrei.

Neiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiinnnnnnnnn.......“

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