Arda Fanfiction

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Der eine Fehler

von Ramona

Kapitel 1

Schluchzend lasse ich mich auf das Bett fallen. Ich vergrabe mein tränenüberströmtes Gesicht in den Kissen. Ich spüre Einsamkeit, Trauer, Verzweiflung und Reue. Was mir die Tränen brachte? Es waren meine beiden Söhne: Elladan und Elrohir. Elladan hat mir wieder einmal einen Streich gespielt und ich habe mit ihm geschimpft. Dabei habe ich mich wohl im Ton vergriffen. Elrohir hat sich zwischen uns gestellt und die Arme ausgebreitet, als könnte ich seinen Bruder mit meinen Worten körperlich verletzen. „Das reicht jetzt, Adar!“, waren seine einzigen Worte. Dann hat er Elladan an die Hand genommen und ist gegangen. Diese so simple Geste ist es, die mich zum Weinen bringt. Sie weckt so viele Erinnerungen,

Erinnerungen an meinen Zwilling. Elros. Als wir so alt waren wie meine Söhne jetzt, gerade volljährig geworden, waren wir uns eben so nahe. Auch er hat mich einmal auf die gleiche Weise geschützt wie Elrohir es heute für seinen Zwilling getan hat und ich kann mich haarklein daran erinnern. Wir waren uns so nahe, als wären wir nicht zwei verschiedene Personen. Ein Teil unserer Seelen war eins. Nichts und niemand hätte uns trennen können, bis ich den einen großen Fehler gemacht habe…

Wir lagen gemeinsam an einem See und alles war friedlich. Die Nacht war schon hereingebrochen und wir waren gemeinsam schwimmen gewesen. Nun lagen wir, nur mit Leggins bekleidet, im frischen Gras. Er hatte seinen Kopf niedergelegt und ich hatte den meinen aufgestützt auf meine Hand, so dass ich ihm in die Augen blicken konnte. Er war mein Spiegelbild. Er hatte die gleichen grau-blauen Augen, das gleiche ebenholzfarbene Haar. Sein Blick zeigte Vertrauen und Liebe und unsere Hände lagen in einander.

Er strich mir mit seinem Daumen über den Zeigefinger und spielerisch erwiderte ich die Geste. Er drehte seine Handfläche nach oben und ich strich mit einem Finger über sie, erst den Daumen entlang und dann die anderen Finger. Er grinste mich schelmisch an, doch etwas anderes lag in seinen Augen, etwas, das ich nicht deuten konnte.

Ich streichelte sein Handgelenk und fuhr hinauf zu seinem Ellenbogen. Die feinen Härchen an seinem Arm richteten sich auf. Wieder blickte ich in seine Augen und das Leuchten in ihnen war stärker geworden. Er strich mir durch das nasse Haar, wie er es oft getan hatte. Ich legte mich hin und er bettete den Kopf auf meine Schulter.

Automatisch griff ich in seine dunkle Mähne und streichelte ihn. Auf meiner nackten Haut konnte ich spüren, wie er lächelte. Sanft zog ich mit dem Zeigefinger seine blattförmige Ohrmuschel nach. Elros erschauerte ein wenig. Dann setzte er sich auf und ich tat es ihm gleich. Verwirrung lag in seinem Blick.

Schließlich beugte ich meinen Kopf vor, sodass meine Nasenspitze fast sein Ohr berührte. „Du bist schön.“, flüsterte ich kaum hörbar und sah ihm wieder in die Augen. Das Grinsen kehrte auf sein Gesicht zurück. Auch er beugte sich vor zu meinem Ohr und ich spürte seinen Atem, wie er es sanft liebkoste. „Und du bist eingebildet, Bruder. Du siehst genauso aus wie ich.“, antwortete er und ich lachte leise.

Unsere Wangen striffen einander und ich nahm seinen Kopf in beide Hände. Dann küsste ich seine Stirn und er lächelte wieder. Mit einem Finger strich ich die Konturen von seinem Gesicht nach. Dann küsste ich ihn auf den Mund. Es war nur die leichte Berührung zweier Brüder. Verwirrung kehrte in seine Augen zurück.

Ich küsste ihn erneut. Dieses Mal legte ich den Kopf ein wenig schief und saugte sanft an seiner Unterlippe. Meine Zunge spielte mit ihr und schob sich sanft zwischen seine Lippen. Er öffnete den Mund einen Spalt breit. Ich konnte spüren, wie sein Körper zitterte. Meine Augen waren geschlossen. Ich strich sanft über seine Zungenspitze und zog meinen Kopf zurück, als ich merkte, wie sie schreckhaft zurückwich.

Was ich sah versetzte mir einen Stich ins Herz. Seine Augen waren geschlossen und eine einzelne Träne rann seine Wange hinab. Er öffnete die Augen wieder und tausende von Gefühlen spiegelten sich darin. Ich wusste, welches Gefühl meine zeigten: Angst.

Er blickte mich einen Moment an, schlug dann die Augen nieder und wandte sich ab. „Elros…ich…“ Ich fand keine Worte. Sacht berührte ich seine Schulter und er zuckte kaum merklich zusammen. Sofort ließ ich ihn wieder los. Ich hörte leises Schluchzen und mein Herz brach. Das hatte ich nicht gewollt. Ich wollte meinen Bruder nicht verletzen. Doch ich hatte ihn nicht nur verletzt, ich hatte ihn verloren.

Später sprach ich mit ihm darüber und wir konnten in Ruhe über das reden, was geschehen war, doch etwas zwischen uns war zerbrochen. Das Vertrauen war verschwunden. Wir waren immer noch Brüder, doch das Band, was uns aneinandergebunden hatte war gerissen. Dieser eine Fehler von mir hatte eine Wunde geschlagen, die niemals heilen würde.

Wir wurden einander fremd ohne zu streiten. Es gab diese tiefe Vertrautheit nicht mehr. Und schließlich wählte er das sterbliche Schicksal. Das brachte mein Herz ein weiteres Mal zum Brechen. Nun waren wir endgültig getrennt. Elros zog nach Númenor und ich blieb. Wir sahen uns noch manchmal, doch auch das konnte die entstandene Lücke nicht füllen. Und schließlich starb er.

Ich bin noch hier, doch ich habe ihn verloren. Ein unbedachter Moment hat unsere Leben zerstört und ich vermisse ihn noch heute. Immer, wenn ich meine beiden Söhne sehe, werde ich an ihn erinnert und immer wieder wird mir bewusst, dass ich ihn nie mehr wieder sehen werde. Wir sind getrennt, bis über das Ende der Welt hinaus und mir bleibt nur Erinnerung. Ich bete ständig zu den Valar, dass meinen Söhnen dieses Schicksal erspart bleibt.

ENDE

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