Arda Fanfiction

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Die Heilerin von Rohan

von Celebne

Heilerinnen

Am nächsten Tag wollte Éowyn nicht draußen gehen. Sie wusste, dass Faramir auf sie in den Gärten wartete.  Sie wollte nicht, dass er ihr den Hof machte. Er würde ihr Herz am Ende doch nicht gewinnen. Éowyn schlich in der Säulenhalle des Gebäudes herum. Irgendwann gelangte sie zum Küchentrakt.
Orodreth, die Heilerin, und ein junges Mädchen sortierten gerade Kräuter aus in der Küche.
"Darf ich Euch zusehen?" fragte Éowyn schüchtern.
"Gerne, Herrin," nickte Orodreth begeistert. "Wenn Ihr wollt, kann ich Euch nützliche Dinge über Kräuter beibringen."
Interessiert trat Éowyn näher und sah der erfahrenen Heilerin zu. Sie lernte, dass es fast zwanzig verschiedene Sorten von Kräutern gab, welche die Wundheilung förderten. Éowyn prägte sich schnell die Namen ein. Sie hatte ein gutes Gedächtnis. Bereits nach einer Stunde konnte sie die einzelnen Kräuter unterscheiden.
"Ihr habt einen guten Blick für Heilkräuter, Frau Éowyn," sagte Orodreth anerkennend. "Ich wünschte, wir hätten hier mehr heilkundige Frauen, die sich für Kräuterkunde ebenso eifrig interessieren wie Ihr."
"Ich würde Euch gerne helfen, Orodreth," bot Éowyn lächelnd an.
"Ich werde jetzt gleich von Zimmer zu Zimmer gehen und Verbände wechseln," erwiderte Orodreth freundlich. "Ihr könnt mich gerne begleiten und mir Hilfe leisten. Wir sind leider viel zu wenige hier."
Éowyn nickte begeistert und folgte der Heilerin. Es war viel Elend, was sie in den einzelnen Räumen mitbekam. Es gab nicht wenige Soldaten, deren Verletzungen zu schwer waren. Éowyn erinnerte sich daran, wie sie ihren totwunden Vetter Theodred gepflegt hatte. Sie hatte ihm nicht helfen können, da sie keine Ahnung von Kräuterkunde gehabt hatte. In Rohan gab es keine geschulten Heilerinnen so wie hier in Gondor. Es gab nur einige ältere Männer, die sich  Kräutermeister nannten und  recht mysteriöse Methoden anwendeten, um Kranken und Verwundeten zu helfen.
Viele Verwundete schöpften neuen Mut, als sie Éowyns anmutige Gestalt mit den langen, blonden Haaren sahen. Manch Lächeln war auf schmerzverzerrten Gesichtern zu sehen, als sie vorüberschritt.
Orodreth begann Verbände zu wechseln und Éowyn half ihr, soweit ihr verletzter Arm das zuließ. Die erfahrene Heilerin merkte schnell, dass Éowyn viel Geschick besaß, mit Kranken umzugehen.
"Wo habt Ihr das gelernt, Herrin?" fragte sie erstaunt.
Éowyn lächelte wehmütig.
"Ich habe jahrelang meinen dahinsiechenden Onkel gepflegt, bis er durch Gandalfs Hilfe wieder zu Kräften kam."
"Ich wünschte, Ihr könntet bei uns bleiben," seufzte Orodreth bedrückt. "Frau Ioreth ist alt und gebrechlich geworden. Allzu lange wird sie nicht mehr unter uns weilen. Dann werde ich die Erste unter den Heilerinnen sein. Ich wäre froh, wenn Ihr meine rechte Hand wärt."
"Dann soll es so sein," sprach Éowyn frohgemut. "Hier in diesen Häusern verspüre ich, wie der Schatten von meinem Herzen weicht, wenn ich Kranken helfen kann."

Die Eorlinga beschloß nun doch den Garten aufzusuchen, beschwingt durch ihre Zukunftspläne.
Sie sah Faramir an der Mauer stehen. Bestimmt hatte er lange Stunden dort ausgeharrt, in der Hoffnung sie zu sehen.
Éowyn sah, wie seine blauen Augen hoffnungsvoll aufleuchteten, als sie kam.
"Ich freue mich, die Weiße Jungfrau wieder zu erblicken," sagte er erleichtert.
Sie blieb in gebührender Entfernung stehen und senkte den Blick.
"Herr Faramir, ich habe Euch etwas zu sagen," begann sie vorsichtig.
Er kam näher und ergriff plötzlich ihre Hände.
"Laßt mich zuerst sprechen, Frau Éowyn,"sagte er aufgeregt. "Die Botschaft von Sieg geht gerade wie ein Lauffeuer durch Minas Tirith. Euer Bruder hat Botschaft geschickt: in Cormallen, jenseits von Cair Andros, findet ein großes Freudenfest statt. Er möchte, dass Ihr zu ihm kommt und daran teilhabt."
Éowyn sah ihn erschrocken an: viele Gedanken jagten durch ihren Kopf. Aragorn war am Leben, er würde zurückkehren! Aber was dann? Würde er sie erneut verschmähen? Sie wusste, dass sie eine weitere Demütigung nicht ertragen könnte.
"Ihr seid so gut wie geheilt, Frau Éowyn," fuhr Faramir aufgeregt fort. "Ihr könnt diese Häuser jederzeit verlassen, wenn Ihr möchtet - oder möchtet Ihr nicht?"
Éowyn sah ihn an und ließ nun endlich seine Hände los. Sie trat einen Schritt zurück.
"Nein, ich werde nicht gehen," sagte sie mit bebender Stimme. "Ich bin nun keine Schildmaid mehr und trachte nicht nach weiterem Kriegsruhm. Diese Siegesfeier würde mich nur an das erinnern, was gewesen ist."
"Auch ich werde nicht gehen," erklärte Faramir und ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. "Als Truchseß obliegt es mir, die Stadt zu verwalten, bis der König zurückgekehrt ist. Gibt es vielleicht noch einen anderen Grund, warum Ihr nicht gehen wollt, Frau Éowyn?"
Die junge Frau blickte ihn an und begriff, worauf er hinauswollte.
"Ich muß Euch enttäuschen, mein Herr," sagte sie schließlich nach einer kurzen Zeit des Schweigens. "Ich bleibe nicht wegen Euch hier. Ich will eine Heilerin werden und Frau Orodreth künftig zur Hand gehen."
Sie konnte den Schmerz in Faramirs Augen sehen, aber nun war er wenigstens im Bilde über Éowyns Gefühle.
"Dann wünsche ich Euch viel Glück für Euer künftiges Leben, Weiße Jungfrau,"sagte er mit einem traurigen Unterton in der Stimme. "Ich werde die Häuser der Heilung verlassen und nimmermehr zurückkehren. Meine Aufgabe ist es nun, die Krönung vorzubereiten."
"Lebt wohl, Herr Faramir,"erwiderte Éowyn ebenfalls etwas bedrückt.
Sie nahm dem mitternachtsblauen Mantel, den ihr Faramir vor einigen Tagen umgelegt hatte, von den den Schultern, und gab ihn dem Truchseß zurück. Eine entgültige Geste.
Sie hatte nicht vorgehabt,  ihn derart zu verletzen. Aber sie hatte nicht ahnen können, wie tief bereits seine Liebe zu ihr war.

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