Arda Fanfiction

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Vier Adventsgeschichten

von Celebne

Dezemberträume

„Humbug!“, murmelte Denethor finster vor sich hin, als er aus dem Fenster des Weißen Turms hinab sah und unten auf den Straßen die fröhlichen Paare sah, welche die Wintersonnenwende feierten.
„Humbug!“, stieß er noch einmal hervor, als er das Fenster bereits geschlossen hatte.
Er drehte sich um und sein Blick fiel auf den edel gearbeiteten Polsterstuhl neben dem offenen Kamin, in welchen ein wärmendes Feuer knisterte. Auf dem Polsterstuhl hatte einst seine Gemahlin Finduilas gesessen und an ihren Deckchen gestickt in den kalten Wintermonaten. Doch nun hatte auf dem Stuhl schon seit vielen Jahren niemand mehr gesessen. Fast wie ein Denkmal stand er da, neben dem Kamin. Sanft glitten Denethors Finger über die geschwungene Lehne aus Lebethronholz und ein wehmütiges Lächeln umspielte seine Lippen. Er sah im Geiste Finduilas vor sich, wie sie leise Lieder aus ihrer Heimat Dol Amroth vor sich hinsummte, wenn sie stickte. Er erinnerte sich genau an ihre großen blauen Augen und an die lockigen rotblonden Haare.

„Vater?“, ertönte eine schüchterne Knabenstimme, die gerade den Stimmbruch hinter sich hatte.
„Faramir!“, bellte Denethor verärgert, denn er fühlte sich in seinen Erinnerungen gestört.
Als er seinen jüngsten Sohn jetzt erblickte, wurde ihm bewusst, wie ähnlich dieser doch seiner Mutter sah: die gleichen Haare, die gleichen Augen. Verwundert sah der Heranwachsende seinen Vater an. Er spürte, dass dieser ihn noch nie so angeschaut hatte.
Denethor spürte ein großes Verlangen, Faramir auf der Stelle aus dem Gemach zu schicken, denn er konnte seinen Anblick und die Erinnerungen nicht länger ertragen.

„Ich wollte nur fragen, ob ich meinen Bruder zum Tanzfest im fünften Festungsring begleiten darf“, sagte Faramir fast schuldbewusst und blickte zu Boden.
Denethor wollte seinen Sohn in einem scharfen Tonfall zurecht weisen, aber in diesem Moment brachte er es seltsamerweise nicht fertig.
„Meinetwegen“, sagte er mit einer ungewohnt milden Stimme.
Faramir bedankte sich breit lächelnd und verließ das Gemach.

Der Truchsess blieb nachdenklich zurück und starrte erneut auf den Stuhl.
Plötzlich war es ihm, als ob er in der Ferne leise Musik hörte. Er schloss die Augen und begann sich mit wiegenden Schritten durch den Raum zu bewegen. Er konnte auf einmal Finduilas’ Nähe spüren und roch den feinen Duft nach Sommerblumen und Meer, der sie immer begleitet hatte. Lächelnd legte er eine Hand an ihre Taille und die andere auf die schmale rechte Schulter. Eine Weile tanzte er so durch den Raum, doch irgendwann verstummte die Musik und Denethor öffnete wieder die Augen. Er stand alleine in dem leeren Gemach. Aber er war sich ganz sicher, dass seine geliebte Finduilas hier gewesen war und mit ihm den Abend der Wintersonnenwende verbracht hatte.

Mit einem glücklichen Gesichtsausdruck begab er sich in sein Schlafgemach, und als er noch einmal zum Fenster hinaussah, lächelte er, als er die tanzenden Paare auf den Straßen sah.


ENDE

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