Arda Fanfiction

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Lebkuchenhäuschen

von E. E. Healing

Wenn Zwerge Hobbits besuchen

Der Schnee knirschte unter seinen Stiefeln, als Bofur sich bemühte, seinen Weg aus dem Wald und hinein in das gemütliche Smial zu finden. Der Zwerg ächzte ein wenig, stöhnte, als er in einer Schneewehe versank und sich wieder daraus hervor kämpfte. Der Wunsch nach einem warmen Feuer trieb ihn an, so wie der Wunsch, endlich aus diesem Schneegestöber heraus und in warme Arme zu gelangen. Der Gedanke an braune Locken, die nach Spekulatius durften würden, so wie gestern, als Bilbo diese Köstlichkeit in seiner Küche zauberte, trieb dem Zwerg ein sanften Lächeln auf die Lippen und ihn an, sich doch ein wenig schneller zu bewegen.
Wenn nur der Baum nicht so schwer gewesen wäre. Wieso nur hatten sie eine so ausladende Tanne aussuchen müssen? Gut, sie hatte ihnen beiden sofort gefallen, als Bilbo und Bofur durch den Schnee rannten, sich mit Bällen bewarfen und schließlich über einander stolperten, einen Hang hinab kugelten und sich dann lachend am Fuße des sanften Hügels wiederfanden, Bofur über Bilbo. Sie lachten noch immer, als der Zwerg seine kalte Nase an der des Hobbits rieb, dann dessen Wange anstupste und sich nach langen Augenblicken endlich einen Kuss von Bilbos Lippen stibitze. Sanft teilte er die Lippen seines Liebsten, ließ seine samtene Zunge in den Mund des Kleineren ein und spielte mit dem Gegenstück, bis sie beide zwar ganz außer Atem waren, aber wieder wohlig warm.

Dann hatten sie die Tanne ausgemacht. Majestätisch stand sie am Waldrand, hatte die perfekte Größe, um in Beutelsend genau bis an die Decke heran zu reichen, wenn die schöne, mundgeblasene Baumspitze golden darauf glitzern würde. Bombur hatte sie ihnen im letzten Jahr aus dem Erebor schicken lassen. Sie zeigte auf der unteren Kugel die Zwerge der Gemeinschaft – sie alle und Bilbo und Gandalf – und auf der oberen, etwas kleineren, stand in Runen geschrieben: „Wir werden immer eine Familie sein.“
Beiden hatten Tränen in den Augen, als sie dieses Geschenk öffneten. Nun sollten in diesem Jahr eben diese Familienmitglieder wieder einmal bei Bilbo für einige Tage eine Zuflucht finden. Lang schon war der Halbling aufgeregt, rannte durch ihr gemeinsames Heim und bereitete alles Notwendige vor. Gemeinsam hatten sie Platz geschaffen, Betten bereitet, die Zimmer gemütlich hergerichtet, die Vorratskammer mehr als nur gut gefüllt. Doch noch immer war es nicht genug gewesen.

Endlich sah Bofur sein Heim vor sich. Noch einmal beflügelte ihn die Aussicht auf Wärme, etwas zu Essen und einen Kuss. Er beschleunigte seine Schritte, zog die Tanne hinter sich her und endlich auch durch die große, runde, grüne Tür. Sofort umfing ihn der Duft von Zimttee, zusammen mit dem von frischen Plätzchen. Eilig entledigte sich der Zwerg seines Hutes, der Jacke und Handschuhe. Selbst seine schweren Stiefel tauschte er gegen weichere, dünnere aus, die besser dazu geeignet waren, im Haus damit zu laufen.
So fix, wie es das schwere Ungetüm ermöglichte, brachte Bofur das ganze Grün in ihr Wohnzimmer, stellte es auf und ließ den Schnee daran erst einmal abtauen. Schmücken würden sie später am Abend, vielleicht sogar mit den Zwergen zusammen, die noch an diesem Nachmittag bei Bofur und Bilbo eintreffen sollten.

Auf leisen Sohlen schlich sich der Bärtige nun weiter vor, bis er in die Küche lugen konnte. Dort stand er, der Mann, der es bewerkstelligte, dass sein Herz wieder schlug. Sie spendeten sich gegenseitig Trost, halfen sich über den Verlust hinweg, den sie beide in jener schlimmen Schlacht erlitten hatten.
Nun waren sie für einander die wichtigste Person, die es in Mittelerde gab. Mit einem schiefen Lächeln lehnte sich Bofur an den Türrahmen und betrachtete Bilbo einen Moment.
Der Kleinere stand schwer beschäftigt an seinem Tisch, drehte Bofur den Rücken zu und sein ganzer Körper arbeitete, während er sich abmühte. Hin und wieder ächzte er kurz, schob sich eine Locke aus der Stirn und versuchte es dann weiter. Bilbo hielt kurz inne, las eine Zeile auf dem Papier, dass rechts neben ihm lag, und begann dann von Neuem.
Leise trat der Zwerg nun hinter ihn. Er hielt es nicht mehr aus, musste seinem Hobbit näher kommen.
Bilbo lächelte, als er spürte, wie sich eine Nase in seinen Nacken drückte, dort einen tiefen Zug nahm und ihm dann ein warmes Paar Lippen einen Kuss in den Haaransatz drückte. Dennoch hörte er nicht auf, den Teig zu kneten, mit dem er gerade beschäftigt war. Bofur drückte sich ein wenig mehr an seinen Mann, ließ seine Hände über dessen Oberarme hinab zu den Fingern gleiten und umfing sie.

     „Was tust du?“
     „Ich versuche, diesen Teig richtig durchzukneten. Aber er ist sehr fest.“
     „Dann werde ich dir helfen.“
     „Glaubst du, das ist so eine gute Idee? Ich weiß noch, was geschah, als du für mich zum Geburtstag backen wolltest…“
     „Ich werde das Mehl nicht anrühren… wohl aber dich.“

Schon lagen die schweren Zwergenhände auf den zarteren Bilbos. Bofur tat, was er versprochen hatte. Er half Bilbo, mehr Kraft aufzuwenden, damit der Teig auch ordentlich geschmeidig wurde. Einträchtig standen sie so eine Weile zusammen, sagten kein Wort. Nur hin und wieder drehte der Halbling lächelnd seinen Kopf, drückte Bofur einen Kuss auf und widmete sich dann wieder dem Werk. Erst, als Bilbo zufrieden nickte, ließ sein Zwerg von ihm ab, stellte sich neben ihn und betrachtete den Teig.

     „Ich sehe Honig und du riechst noch köstlicher als gestern, nach Orange und Zitrone. Ich könnte dich glatt aufessen, mein Liebling. Was hast du vor?“
Bilbo wurde ein wenig rötlich. Noch immer war er nicht an die Komplimente gewöhnt, die Bofur ihm zugedachte. Er nahm ein kleines Stück der bräunlichen Masse, hielt sie Bofur hin, der sie sich aus Bilbos Fingern schnappte.
     „Ein wenig Kakao ist auch darin und etwas, dass ich nicht benennen kann.“
     „Dann solltest du wohl endlich wieder gehen, denn es ist eine Überraschung für dich.“
     „Bitte, verrate es mir.“
     „Nein.“

Mit diesem einfachen Wort schob Bilbo den Zwerg nun aus seiner Küche, schenkte ihm noch einen kurzen Kuss und schloss die Tür hinter ihm. Endlich war der Teig richtig. Sofort kramte der Hobbit ein Nudelholz hervor und bemehlte die freie Fläche der Arbeitsplatte.
Dünn sollte der Teig sein, dünn und knusprig, wenn er aus dem Ofen käme. Doch dazu musste Bilbo es erst einmal schaffen, den Teig wieder von seinem Nudelholz auf den Tisch zu bekommen, nach Möglichkeit, ohne dabei das Holz zu zerkleinern.
Bofur hörte einen saftigen Fluch, als er an der Küche vorbei in ihr Bad wollte. Nie hätte er erwartet, dass der Kleine solche Worte in den Mund nehmen würde. Neugierig streckte er seinen Kopf nun doch wieder durch die Tür, nur um besagtem Nudelholz auszuweichen, das gerade in hohem Bogen neben ihm in die Wand einschlug, eine Delle hinterließ und dann unter den Ofen davon rollte.
Sollte er es wagen und eintreten?

     „Ist bei dir alles in Ordnung, Liebling?“
     „Ja! Nein! Vielleicht doch! Ich… ich könnte wohl ein wenig deiner Hilfe benötigen.“
Hilfsbereit eilte Bofur in den Raum, besah sich den Klumpen vor seinen Augen und zog fragend seine Augenbrauen nach oben.
     „Was sollte das den werden?“, fragte er vorsichtig.
     „Der Teig muss flach ausgerollt sein, dann will ich ihn zu Platten formen, die ich ausbacke.“
     „Oh… Wozu?“
     „Du wirst es sehen, wenn ich es fertig habe.“

Gemeinsam versuchte das Paar nun, den Teig von Bilbos Fingern zu kratzen, damit er doch noch flach gedrückt eine ansehnliche Masse abgab. Recht wollte es ihnen nicht gelingen. Immer wieder mussten sie von vorn beginnen, bis Bofur erneut fragte, wieso der Teig denn so besonders flach sein musste.
     „Ich will ein Häuschen daraus formen, ein Lebkuchenhäuschen!“
     „Und aus welchen Grund hast du mir dies nicht gleich gesagt?“
     „Weil ich dich damit überraschen wollte. Du hast mir einmal erzählt, wie dein Heim in den Ered Luin aussah. Ich wollte ein Häuschen bauen, das so aussieht, wie ich es mir aus deinen Geschichten vorstelle, um dir eine Freude zu bringen.“
     „Oh, mein Liebling…“
Bofur nahm Bilbo in den Arm, der gerade anfangen wollte, vor Wut und Trauer über den misslungenen Versuch, Tränen zu vergießen. Doch der Zwerg kraulte Bilbo im Nacken, hauchte ihm einen Kuss auf die Schläfe und erklärte, dass der Gedanke zählte und schon dieser Bofurs Herz noch mehr in Liebe zu seinem Hobbit entflammen ließ. Gerade, als der Kleinere zu einer Antwort ansetzen wollte, klopfte es an ihrer Tür.

     „Ich glaube, die Zwerge sind da.“
Schniefend nickte Bilbo und wischte sich die Hände ab. Sofort waren sie zur Stelle und öffneten ihrer Familie die Tür. Es gab ein großes Hallo und Durcheinander, als auch noch Gimli und seine Mutter neben den anderen Zwergen standen, sowie Dís, die nach all den Erzählungen endlich einmal den Hobbit mit eigenen Augen sehen wollte.
Erst nach viel Wein und Bier, Gesang und Braten, zog sich Bilbo wieder in seine Küche zurück, während die Zwerge nun den Baum festlich schmückten.
Der Abend wurde gemütlich, besinnlich und froh. Auch Bilbo lachte endlich wieder, als er aus der Küche heraus trat. Bofur schloss ihn in seine Arme, als er ihn endlich wiederhatte. Leise flüsterte er Worte in sein Ohr, die den Halbling selig nicken ließen. So dauerte es lang, bis die Gemeinschaft sich trennte und in ihre Betten fand.
Doch wer mochte es ihnen verdenken? Sie hatten sich alle schon sehr lang nicht mehr gesehen und wussten viele Geschichten zu erzählen.




Als dann der Morgen graute, hörte Bilbo vielfältiges Schnarchen in den unterschiedlichsten Tonlagen und Melodien. Er glaubte gar, zwei für Zwerge recht hohe Stimmen ausmachen zu können. Sollten Zwerginnen etwa neben ihrer Statur und den Bärten auch hier ihren Männern in nichts nachstehen?
Bilbo gluckste bei diesem Gedanken froh und munter. Noch mehr gar, als er sich in der Küche besah, was er am Tage zuvor aus dem Teig geschaffen hatte. Zufrieden hob er das Backwerk an und trug es zu dem Tisch, den sie für ihr gemeinsames Frühstück nutzen würden. Dann legte er ein sauberes Tuch darüber.
Fröhlich pfeifend deckte der Gelockte seine Tafel mit dem edlen Geschirr seiner Mutter, kochte Kaffee und buk frische Brötchen. Dann setzte er sich in einen seiner vielen Ohrensessel und las in dem Buch, dass er sich herausgesucht hatte. Natürlich war es ein Backbuch. Die vielen Eselsohren zeugten davon, dass er es schon oft in Gebrauch gehabt hatte. Dennoch liebte es Bilbo, darin zu schmökern und sich zu überlegen, wie er Bofur wieder einmal eine Gaumenfreude zaubern würde.

     `Nur nicht zu viel grünes Essen´, ging ihm dabei durch den Kopf.
Dann wurde er von Geräuschen abgelenkt, die aus dem Teil des Smials zu ihm drangen, in dem die Zwerge alle nächtigten. Gandalf hatte er zu seinem großen Bedauern in den Grünen Drachen einquartieren müssen, denn für ein Bett in Zauberergröße war bei der Masse an Zwergen nun einfach kein Platz mehr und ein einfaches Feldbett im Flur, nein, das wollte er dem alten Knaben nun wahrlich nicht zumuten. Doch der Graue hatte versprochen, an diesem Morgen pünktlich wieder bei ihnen zu erscheinen.
Wie auf Bestellung klopfte es nun auch an der Tür und Bilbo klappte sein Buch zu, sprang auf und war dabei, Gandalf herein zu bitten, als er auch schon Getrampel vernahm. Der Rest der Gesellschaft war wach. Mit freudigem Hallo grüßten sie einander, lobten Bilbos Gastfreundschaft und die bequemen Betten, ehe sich jeder einen Stuhl suchte, um nicht stehend speisen zu müssen.
Der Letzte, der noch fehlte, war nun sehr zu Bilbos Verdruss ausgerechnet sein Bofur. Leicht grummelig machte sich der Barfüßige nun eben auf den Weg zu seinem Bett, um den Zwerg zu wecken.
Gerade, als er den Türknauf drehen wollte, schwang eben jene Tür auf und ein recht verschlafener Bofur stolperte hervor, oder wäre es, wenn er nicht einen Hobbit in seinem Arm gefunden hätte, der nun beinah aufquiekte. Schmunzelnd drückte der Zwerg ihm die Lippen auf den schon halb geöffneten Mund, ehe diesen ein Protest verlassen konnte. Erst nach einigen Momenten gab er einen nun atemlosen Bilbo wieder frei. Doch dies tat er auch nur, da sich Bombur lauthals beschwerte, dass sein Magen knurrte.

     „Wir sollten essen gehen, sonst bist du mein Frühstück, Liebling“, raunte Bofur ihm ins Ohr.
     „Oh… du … Schuft“, gab Bilbo gespielt schockiert zurück, während er Bofurs Oberarm tätschelte.
Endlich saßen sie alle, ließen sich schmecken, was der Halbling ihnen zugedacht hatte und schielten immer wieder zu dem Tuch. Was mochte sich wohl darunter verbergen? Immer lauter rätselten sie alle, während Bilbo nur leise lächelte.
Doch es war nur eine Frage der Zeit, bis die Zwerge ihre Neugier nicht mehr im Zaum hatten und Bofur Bilbo androhte, ihn den ganzen Tag ungeküsst zu lassen, wenn er das Geheimnis nicht lüftete.
Dies wollte der Kleine nun nicht auf sich sitzen lassen. So stand er auf, nahm eine Ecke des Tuches und hob sie an. Doch ehe man darunter sehen konnte, ließ er sie wieder sinken. Da er sich nun sicher war, jegliche Aufmerksamkeit auf seiner Seite zu wissen, räusperte sich der Hobbit noch einmal, ehe er seine Stimme endlich einsetzte.

     „Meine lieben Freunde, ich freue mich so sehr, dass ihr heute alle in meinem und Bofurs Heim sitzt, euch das Essen schmecken lasst und alle so ausgelassene Stimmung verbreitet. Nun … das erinnert mich daran, als wir damals in Bruchtal…“
     „Liebling“, unterbrach Bofur ihn sanft.
     „Ähem, ja. Nun… ich stand gestern lange Zeit in meiner Küche, da ich Bofur eine kleine Überraschung backen wollte. Mein Liebster wird euch sicher erklären können, wie entsetzlich schief dieser Versuch doch ging. Aber, es hat mich auf eine andere Idee gebracht. Ich habe nicht nur für ihn gebacken, sondern für euch alle!“
Bei seinem letzten Wort, zog Bilbo das Tuch davon. Er hörte, wie sie alle verwundert die Luft einatmeten und dann wieder von sich gaben.
     „Was ist das?“, fragte Óin, der als erster seine Stimme wiederfand.
     „Nun, ich glaube, das … nun das… ist“, brachte es Nori auf den Punkt.
     „Ja, es ist… gewaltig“, versuchte Dwalin zu retten.
     „Und wunderbar“, schmunzelte Dís.
     „Ja, aber was ist es?“, wollte nun auch Balin wissen.
     „Es ist ein Lebkuchen…“, begann Bilbo, doch Bofur hielt ihn auf.

     „Ich erkenne es, mein Liebling und es ist ganz wunderbar! Ich danke dir sehr dafür. Dies, meine lieben Zwerge … und Gandalf … ist ein Lebkuchenerebor!“

ENDE

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