Arda Fanfiction

Das neue Archiv für Geschichten rund um Tolkiens fabelhafte Welt!

Jenseits von Raum und Zeit

von Feael Silmarien

Kurzgeschichte

Geliebter Estel, teuerster Freund und Bruder,


jedes Mal, wenn ich von der Wärme der Morgensonne auf meinem Gesicht geweckt werde, durchströmt eine ungeheure Welle von Lebensfreude meinen Körper bis in die Zehenspitzen. Ein neuer Tag! Leben! Sonne! Und jeden Morgen freue ich mich wie ein Neugeborenes, das zum ersten Mal Licht erblickt. Als ob mit jedem Tag ein neues Leben beginnen würde.

jedes Mal, wenn ich von der Wärme der Morgensonne auf meinem Gesicht geweckt werde, durchströmt eine ungeheure Welle von Lebensfreude meinen Körper bis in die Zehenspitzen. Ein neuer Tag! Leben! Sonne! Und jeden Morgen freue ich mich wie ein Neugeborenes, das zum ersten Mal Licht erblickt. Als ob mit jedem Tag ein neues Leben beginnen würde.

Vielleicht ist es auch tatsächlich so. Es ist keine Strafe, von Dir getrennt zu sein, denn jedes dieser unzähligen Leben, die ich durchlebe, verbringe ich an Deiner Seite. Jeden Tag beginnt ein neues Leben mit Dir.

Ich kann es mir nicht erklären, aber ... Ich spüre Deine Anwesenheit. Wo auch immer ich hingehe, was auch immer ich tue, Du bist immer in meiner Nähe. Und es fühlt sich sehr merkwürdig an, wenn ich aufschaue und Dich nicht sehe; spreche ich doch zu Dir; Tag für Tag widme ich dir diesen endlosen, ewigen Brief, den Du niemals lesen wirst. Alle meine Gedanken sind an Dich gerichtet, alle meine Sinne sprechen zu Dir, sagen Dir, was ich sehe, was ich höre, was ich rieche, schmecke und fühle. Meine Erinnerungen erzählen Dir von unserer ersten Begegnung und mein Glaube von unserer Zukunft.

In der Tat weiß ich nie, welcher Tag gerade ist. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verschmelzen zu einer einzigen geballten Kraft der Existenz und auch die Entfernung zwischen uns erscheint mir wie ein Trugbild. Seit unserer Begegnung lebe ich in einer Welt jenseits von Raum und Zeit, als wären diese nur ein Traum; und als ich Dich traf, bin ich aufgewacht. Es kommt mir fast so vor, als wäre ich vorher blind gewesen und taub.

Jetzt sehe ich. Jetzt nehme ich die Welt wahr, wie sie wirklich ist, in all ihrer Schönheit. Vorher habe ich nur geträumt. Ich lebte den unendlichen Traum meines Volkes. Diesen Traum von Ewigkeit, von Beständigkeit, diesen unsterblichen Traum des Bewahrens. Doch die Schönheit dieser Welt ist die Wandelbarkeit. Wandelbarkeit ist Ewigkeit. Kein Wesen, kein Augenblick gleicht einem anderen und das Alte muss gehen, damit Neues entstehen kann, damit die Welt ewig jung und lebendig bleibt wie die Sonne, die jeden Tag aufs Neue aufersteht.

Jeden Tag werde ich neu geboren und freue mich darauf, was mich erwartet. Ich entdecke jeden Tag die Welt aufs Neue. Und jeden Tag treffe ich Dich zum ersten Mal.


Mit dem Banner, das ich für Dich sticke, komme ich gut voran. Einzig und allein daran merke ich, wie die Zeit vergeht. Und daran, dass der Herbst draußen allmählich dem Winter weicht. Es wird kühl. Abends sitze ich allein in der Halle des Feuers und lasse mir die Geschichten von den Altvorderen durch den Kopf gehen. Auch Eldar waren einst jung wie die Menschen. Doch die Kriege um die Silmaril haben uns weiser gemacht. Wir haben gelernt. Die Atani dagegen werden ewig jung bleiben und deswegen die Welt beherrschen. Ewigkeit ist vergänglich und Vergänglichkeit ist ewig.

Nun habe ich mich für die Vergänglichkeit entschieden und ich vergehe mit jedem Tag, mit jedem Augenblick, jedoch nur, um jeden Moment wiedergeboren zu werden. Die Undómiel, die Du kennenlerntest, existiert schon längst nicht mehr; sie ist vergangen. Doch jede Undómiel, die jemals existiert hat, hat Dich geliebt, jeden, der Du, ebenfalls Vergänglicher, je gewesen bist. Ich liebe Dich, Estel, ich liebe, was Du warst und was Du sein wirst. Ich liebe, was du bist. Jenseits von Raum und Zeit.

Ist es nicht verwunderlich? Die größte Gabe, die wir besitzen, ist die Gabe zu geben. Und Gaben leben. Sie leben und wachsen und gedeihen. Ich gab ein Leben und habe hundert, tausend, eine Million wiederbekommen! Und wie viele ich noch bekommen werde! Je mehr ich gebe, desto mehr habe ich und desto mehr möchte ich geben! Ich bekomme unendlich viel, ich habe unendlich viel, ich bin erfüllt vom Unendlichen. Ich bin eine lebende, vollkommene Unendlichkeit.

Fort sind alle trügerischen Grenzen. Das Dunkel ist nichts. Es wird weichen wie ein böser Traum. Ich hoffe nicht, denn hoffen heißt zweifeln. Ich glaube. Ich weiß es. Die Hoffnung stirbt zuletzt, doch der Glaube ist unsterblich. Liebe ist Glaube.


Die Welt lebt und atmet, alt, ewig und jung. Sie fließt dahin in die Unendlichkeit. Ich spüre diesen ewigen Fluss des Lebens und ich sehe Dich und halte Deine Hand und ich weiß: Das ist Wirklichkeit. Ich fühle die Kälte, ich rieche den Regen, ich lebe diese ewigen Herbstabende und ich weiß: Das bist Du. Ich sehe die Welt und ich weiß: Das bin ich.

Ich bin. Du bist. Alles ist.

Wir sind Wirklichkeit.


Wir sind.


ENDE


Inspiration:

Allein seine Existenz verdankt dieses Ficlet im Großen und Ganzen zwei Dingen: Dem Lied "Echo der Liebe" von Anna German, das in der russischsprachigen Welt seit den 70ern immer noch gehört wird, und dem russischen Film "Der Admiral", der im Oktober 2008 rauskam. Im Letzteren gibt es eine bestimmte Szene, wo ich nicht nur sehr, sehr stark inspiriert wurde, sondern mal mehr, mal weniger bewusst "Plagiat" betrieben habe. Es handelt sich um einen der Briefe, die Anna Vassiljewna an Koltschak schreibt. Andere Einflüsse gab es natürlich auch, da man doch irgendwie von allem beeinflusst wird, aber diese beiden brachten ganz konkret dieses Ficlet in meinen Kopf, wie es jetzt existiert. Deswegen möchte ich "offiziell" auf diese zwei Werke verweisen.

Und "Ich liebe, was du bist." stammt geradenwegs aus dem Film "Die Möwe Jonathan". Im Buch kommt der Satz, glaube ich, nicht vor.

Danke fürs Lesen!!

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