Arda Fanfiction

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Unter schwarzen Schwingen

von Celebne

Zähe Verhandlungen und ein Traum

Die Haradrim verteilten in der Zitadelle Geschenke an Gondors Adel. Für die Frauen hatten sie grobe Stoffe und billigen Holzschmuck und die Männer bekamen Dolche aus schlechten Material. Aragorn, Faramir und den anderen blieb nichts weiter übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

Minuril, der König der Südländer, zeigte sich bei den Friedensverhandlungen an der großen Tafel im Thronsaal ziemlich desinteressiert. Vielmehr sprach er dem Wein zu, den ihm ein Bediensteter regelmäßig nachschenkte.  
„Was ist das für eine Sorte?“ unterbrach er schließlich dreist den Vortrag von Aragorn über die Bedingungen eines Friedensvertrages.
Faramirs Gesicht lief hochrot an vor Zorn. Jeder im Thronsaal hatte jetzt gemerkt, dass Aragorn sich den Vortrag hätte sparen können.
Der Bedienstete blickte den König Gondors hilflos an. Sollte er dem Haradrim nun Rede und Antwort stehen?
„Ich sehe, dass Ihr Hunger und Durst habt, König Minuril“, sagte Aragorn ganz diplomatisch. „Verzeiht meine lange Rede. Wir können gerne nach dem Mahl die Verhandlungen weiterführen.“
Minuril grinste breit und nickte Faramir provozierend zu. Dieser hatte Mühe, gelassen zu bleiben. Er ballte die Fäuste unter dem Tisch.

Aragorn wies nun die Bediensteten an, Speisen und Getränke aufzutragen. Minuril lehnte sich lässig zurück und wartete auf das Essen.
Faramir erhob sich mit ernster Miene und ging zu König Elessar. Er begann sich leise mit ihm zu unterhalten.
„Er hat dir gar nicht zugehört, Aragorn. Ihm ist der Friedensvertrag vollkommen egal. So kommen wir nicht weiter. Was wollen die überhaupt hier?“
Aragorn legte dem aufgeregten, jüngeren Mann beruhigend die Hand auf die Schulter.
„Das werde ich schon noch herausfinden, mein Freund, verlaß dich drauf!“ flüsterte er Faramir zu.
Der junge Statthalter nickte mit einem leichten Seufzen und kehrte zufrieden zu seinem Platz zurück. Er war froh, dass der König seine Meinung teilte.

Das Festmahl bestand aus verschiedenen Bratensorten, Kartoffeln, Gemüse, Obst und Kuchen. Dazu gab es reichlich Met, Wein und Most mit Wasser vermischt für diejenigen, die keinen Alkohol tranken. Die Haradrim fielen  gierig über das Essen her und zeigten, dass sie keinerlei Tischmanieren besaßen. Vielen gondorianischen Adeligen, die an dem Festmahl teilnahmen, verging alsbald der Appetit beim Zusehen. Minuril rülpste laut und wischte sich seinen fettigen Mund mit dem Ärmel ab, als er fertig war. Sein Adjutant legte die Füße auf die Tafel und nagte gelangweilt an einem gebratenen Hühnchenbein herum.
Éowyn konnte sich nun nicht länger beherrschen.
„Könnt Ihr bitte Euere nicht gerade wohlriechenden Füße vom Tisch nehmen, mein Herr?“  rief sie empört dem Manne zu, der ihr geradewegs gegenüber saß.
Dieser lachte laut. Doch als ihm Minuril einen ziemlich unköniglichen Rippenstoß verpasste, zog er seine Beine wieder vom Tisch. Faramir legte sein Hand auf die von Éowyn und nickte ihr kaum merklich zu. Er blickte zu Aragorn hin, der gerade tief durchatmete und kurz die Augen schloß. Arwen, die neben ihm saß, hatte kaum einen Bissen angerührt, so angeekelt war sie vom Benehmen der Haradrim.

„Euer Essen war nicht übel, König Elessar“, bemerkte jetzt Minuril gutgelaunt. „Wir können gerne fortfahren mit den Verhandlungen.“
Aragorn gab den Dienern erleichtert einen Wink und sie trugen die Speisen ab. Erneut begann er von den Bedingungen zu erzählen, unter welchen der Vertrag geschlossen werden sollte.
„Darf ich auch einige Gegenforderungen stellen?“ fragte Minuril mißmutig. „Auch mein Volk hat unter den Folgen des Ringkrieges zu leiden. In einigen Gegenden Nah-Harads herrscht große Hungersnot, ganz zu schweigen von Fern-Harad. Es gibt kaum noch Mumakîl, die man als Arbeitstiere einsetzen kann. Wir fordern daher regelmäßige Lebensmittelforderungen Gondors für Haradwaith. Wir benötigen ein Drittel Euerer Getreideernte und die Lieferungen von tausend Fässern Rotwein und Pökelfleisch nach Nah-Harad. Ferner braucht Fern-Harad mindestens zweitausend Rinder als Ersatz für die im Ringkrieg getöteten Mumakîl.“
Faramir blickte Aragorn an und sah, dass dieser selbst kurz davor war die Beherrschung zu verlieren.
Der König Gondors erhob sich und er stützte dabei seine Hände an der Tischplatte ab. Faramir sah, dass die Knöchel weiß hervortraten. Ein Zeichen dafür, dass Aragorn mühsam um Fassung rang.

„König Minuril“, begann er mit seltsam ruhiger Stimme zu reden. „Euere Forderungen sind – mit Verlaub – weit überzogen. Vergeßt nicht, dass Gondor ebenfalls noch unter den Folgen des Ringkrieges leidet. Außerdem solltet Ihr nicht vergessen, dass Euer Land mit dem dunklen Herrscher paktierte und somit zu den Verlierern gehörte. In meiner Großmütigkeit habe ich Euch Unterstützung zugesagt. Doch diese kann nur begrenzt sein. Wir brauchen unser Getreide und unser Vieh selbst. Aber über Fleisch- und Weinlieferungen lässt sich reden.“
Minuril erhob sich wutentbrannt. Sein dunkles Gesicht war krebsrot angelaufen.
„Ihr wollt uns also Euere Hilfe untersagen?“ schrie er in die Runde.
Die Edelleute Gondors blickten ihn empört und verächtlich zugleich an.
„Ich weiß schon, wie Ihr alle über uns denkt, Ihr achso edlen Numenórabkömmlinge!“ bellte er wütend. „Ihr haltet uns für niederes Getier, das man zertreten sollte. Ihr hasst uns immer noch!“
Jetzt erhob sich Faramir.
„Es ist genug, König Minuril!“ sprach er ernst. „Wenn Ihr nicht gehasst werden wollt, dann gebt uns bitte auch keinen Anlaß dazu. Euer Benehmen vorhin bei Tisch war einfach widerlich. Euer allgemeines Benehmen zeigt uns ebenso, wie sehr Ihr uns immer noch verachtet.“
„Gut, dann gehen wir!“ rief Minuril zornig über den Tisch hinweg. „Gleich morgen früh werden wir aufbrechen.“
Die Delegation aus Haradwaith stand nun geschlossen von der Tafel auf und verließ den Thronsaal.

Faramir ging besorgt zu Aragorn.
„War meine Rede zu hart, mein König?“ fragte er demütig.
„Sie war vollkommen berechtigt, Faramir“, erwiderte Aragorn nachdenklich. „Der Krieg ist noch nicht vorbei, jedenfalls nicht in den Köpfen der Haradrim. Dieser Minuril ist kein Mann, mit dem wir verhandeln können. Wir müssen warten, bis ein fähigerer Mann auf den Thron dieses Landes kommt.“
„Unter Umständen wird dies niemals der Fall sein!“ meldete sich Forlong, ein gondorianischer Adeliger grimmig zu Wort.
„Ich gebe die Hoffnung nicht auf“, erwiderte Aragorn traurig lächelnd.
Die Gesellschaft löste sich nun auf und jedermann ging zu Bett. Auch Faramir und Éowyn suchten ihre Schlafgemächer auf, die im ehemaligen Truchsessflügel lagen. Ansonsten wohnte das Paar in einem hübschen, großen Haus auf dem Emyn Arnen.
„Ich möchte am liebsten gleich nach Hause zu unserem Sohn“, seufzte Éowyn traurig, als sie sich neben Faramir ins Bett legte.
„Ich vermisse Elboron auch“, murmelte Faramir schläfrig. „Aber  gleich morgen früh werden wir wieder nach Hause reiten.“

Mitten in der Nacht erwachte der junge Statthalter schweißgebadet. Er hatte schlecht geträumt, doch er konnte sich nur schemenhaft an den Inhalt des Traumes erinnern: An ein riesiges schwarzes Untier, ähnlich den Reittieren des Nazgûl konnte er sich entsinnen. Es hatte seine riesigen Schwingen ausgebreitet und alles unter seinem Schatten begraben. Faramir atmete tief durch und stand auf. Er nahm sich von einem kleinen Tisch einen Krug und goß sich einen Becher Wasser ein. Der Traum machte ihn nachdenklich. Schon lange hatte er nicht mehr so intensiv geträumt. Er wusste, dass dieser Traum ein schlechtes Omen bedeutete. Faramir warf einen Blick auf Éowyn. Sie schlief tief und fest. Lächelnd deckte er seine Gemahlin wieder zu. Er selbst legte sich nicht mehr zu Bett, denn er wusste, dass er nun nicht mehr einschlafen konnte. Ruhelos wanderte er im Zimmer auf und ab. Doch dann zog er sich vollständig an und beschloß einen kleinen Spaziergang in den Gärten der Zitadelle zu machen.

Als er hinaustrat, berührte der schöne Ithil gerade die weißen Locken des Mindolluin über der Stadt. Normalerweise war dies ein wunderschönes Naturschauspiel, doch Faramir hatte in dieser Nacht keinen Sinn dafür. Er rätselte immer noch darüber, was dieser Traum wohl zu bedeuten hatte. Plötzlich konnte er Stimmen hören von der Straße her, die direkt unterhalb der Gärten lag. Vorsichtig beugte sich Faramir über die Mauer, um nicht sofort gesehen zu werden. An der Sprache konnte er vernehmen, dass es sich um Haradrim handelte. Sie redeten sehr hektisch miteinander. Der junge Statthalter verstand die Sprache Harads nur bruchstückhaft.

Sie redeten über irgendein Geschenk, das für Gondor gedacht war. Faramir schüttelte den Kopf: er musste das wohl falsch aufgefasst haben. Nach dem Verlauf des heutigen Abends gab es keinen Grund mehr, sich noch gegenseitig etwas zu schenken.
Müde schlich sich Faramir wieder in die Zitadelle zurück. Es gelang ihm sogar noch einige Stunden zu schlafen.

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