Arda Fanfiction

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Unvergessen

von Alistanniel

Kapitel #4

côlwilin = Goldvogel navaer = Lebwohl

Galadriel bekam auch den Rest der Nacht kaum Schlaf. Innerlich war sie noch zu aufgewühlt, um Ruhe zu finden. Das Gefühl der Befriedigung einer alten Sehnsucht ließ schnell nach. Und sie begann etwas zu begreifen.
Es war nur eine Illusion gewesen. Fingon war nicht der, nach dem ihr Herz verlangte, und würde es auch niemals sein. Ihre Empfindungen hatten sie betrogen. Feanor hatte ihre Liebe zu keiner Zeit erwidert. Das zu akzeptieren war ihr anfangs schwer gefallen. Irgendwann war es ihr schließendlich gelungen.
Doch Fingon hatte alle unsichtbaren Barrieren, die sie um sich herum aufgebaut hatte, mit einem Mal nieder gerissen. Er war bereit gewesen ihr zu geben wonach es sie verlangte.
Als Celeborn am nächsten Morgen erwachte, war das Bett neben ihm bereits leer. Er fand seine Frau schließlich draußen auf der Terrasse des Fletts. Ihr Blick verlor sich zwischen den Mallornbäumen, schien kein Ziel zu haben.
„Guten Morgen, melethril", sagte er, als er neben sie trat.
Jedoch wandte sie sich nicht zu ihm um, schien ihn gar nicht richtig wahr zu nehmen. Als er ihr die Hand auf die Schulter legte, fuhr sie erschrocken herum.
Celeborn bedachte sie mit einem entschuldigenden Blick, „Ich wollte dich nicht erschrecken."
„Es braucht dir nicht leid zu tun, ich war ganz in Gedanken."
„Das habe ich bemerkt", er hielt einen Moment inne, „Möchtest du darüber reden?"
Sie wandte sich wieder von ihm ab, „Lass mich bitte allein. Ich muss nachdenken."
Kopfschüttelnd ging Celeborn daraufhin zurück in das Innere des Fletts. Zur Zeit konnte er sich einfach keinen Reim auf das Verhalten seiner Frau machen.
Das änderte sich auch die kommenden Tage nicht. Galadriel ging ihrem Ehemann und auch Silmariel so weit wie möglich aus dem Weg. Und sie mied den Teich, eine Begegnung mit Fingon, war das Letzte, wonach ihr Moment war. Sie hatte keine Ahnung was sie ihm dann sagen konnte.
Die Erinnerungen an diese eine Nacht ließen sie nicht los. Und solange Fingon in Lórien, in ihrer Nähe, weilte, würden sie das wohl auch nicht. Sie fühlte sich schlecht, wusste nicht, ob sie Celeborn je wieder so wie früher begegnen konnte.
Es war früher Nachmittag, als sie sich dazu entschloss, wieder zum Teich zu gehen. Auch auf die Gefahr hin, dass sie Fingon dort traf. Aber jetzt brauchte sie die Ruhe ihres Lieblingsplatzes.
Gerade als sie das Tor von Caras Galadhon erreicht hatte, und die Stadt verlassen wollte, erklang eine Stimme hinter ihr.
„Lady Galadriel!"
Sie erkannte Simariels Sohn Haldir, der eine Schriftrolle in der Hand hielt.
„Diese Nachricht ist für Euch." Er reichte ihr das Papier.
„Ich danke dir. Von wem stammt sie?"
„Den Namen des Mannes kenne ich nicht. Aber er kommt mit Sicherheit nicht aus diesen Landen."
Fingon.
Mit gemischten Gefühlen faltete sie das Papier auf, während Haldir wieder zurück in die Stadt ging. Nur wenige Zeilen standen dort geschrieben.
Lady Galadriel, côlwilin
Dass Ihr mir die letzten Tage aus dem Weg gegangen seid, bedauere ich. Zu gerne hätte ich noch einmal Euer Gesicht gesehen, und mich persönlich von Euch verabschiedet.
Die Erinnerung an Euch wird in meinem Herzen für immer leben.
navaer Fingon
Er war also gegangen. Galadriel fühlte große Erleichterung über diese Tatsache. Jetzt brauchte sie nicht mehr auf der Hut zu sein, um ihm nicht ungewollt zu begegnen. Aber das löste das Problem, wie sie Celeborn je wieder so wie früher in die Augen sehen konnte, auch nicht. Sie konnte ihm nicht für den Rest ihrer Tage ausweichen.
Und da war noch etwas, das erschwerend hinzu kam. Als sie es begonnen hatte zu fühlen, hatte sie zunächst versucht es zu verdrängen. Aber deswegen wurde es nicht weniger wahr.
Draußen beim Teich hatte sie es nicht lange ausgehalten. Zu sehr erinnerte es sie an das, was nie hätte passieren dürfen. Schließlich machte sie sich auf den Rückweg nach Caras Galadhon.
Auf halbem Weg kam ihr Silmariel entgegen. „Ich habe dich gesucht", sagte diese sofort.
„Und was willst du?" Galadriel verspürte nicht besonders viel Lust jetzt mit ihr zu reden.
„Wir sollten uns unterhalten. Ich habe vorhin mit Celeborn gesprochen. Er macht sich große Sorgen um dich, weißt du das?" Sie nickte nur leicht, konnte nicht antworten.
„Und ich mache mir auch Sorgen. Dich bedrückt doch etwas. Egal was es ist, geteiltes Leid ist halbes Leid. Und du weißt, dass alles was du mir anvertraust, bei mir sicher ist."
Galadriel schwieg zunächst. Aber ihre Freundin hatte recht, das wusste sie. „Also gut. Versprich mir, dass du schweigst. Celeborn darf kein Wort davon erfahren. Noch nicht."
Silmariel nickte, „Ich schwöre es dir."
Galadriel erzählte ihrer Freundin von ihrer Liebe zu ihm, Feanor, an den sie Fingon so erinnert hatte. Von der Begegnung mit ihm beim Teich und dem darauf folgenden nächtlichen Treffen.
Langsam begann Silmariel zu verstehen.
Nach einer kleinen Pause fuhr Galadriel fort. „Hattest du schon einmal das Gefühl, dass die Valar ein perfides Spiel mit dir treiben?"
„Bis jetzt eigentlich noch nicht."
„Ich habe es momentan."
„Inwiefern?" Die Neugier ihrer Freundin war geweckt.
„Die Sache ist die.", Sie zögerte einen Augenblick, „Celeborn hätte gern ein zweites Kind. Leider konnte ich ihm diesen Wunsch bis jetzt nicht erfüllen." Während sie sprach, legte sie unbewusst die Hand auf ihren Bauch.
Silmariel entging das natürlich nicht. „Jetzt sag aber nicht, dass…"
Doch Galadriel nickte stumm.
Ein Lächeln fand den Weg in das Gesicht ihres Gegenübers, „Celeborn wird sich freuen."
Bei diesen Worten fühlte Galadriel tiefe Traurigkeit. Wenn es doch nur so wäre. „Das würde er", antwortete sie langsam, „wenn es sich um sein Kind handelte."
Damit hatte Silmariel wirklich nicht gerechnet. Überrascht musterte sie ihre Freundin.
„Ich weiß nicht, was ich jetzt machen soll. Celeborn zu verlieren könnte ich nicht ertragen."
„Wie ich das sehe hast du zwei Möglichkeiten. Entweder schenkst du ihm reinen Wein ein, oder du schweigst darüber."
„Was würdest du mir denn raten?"
„So leid es mir tut, ich habe nicht den Hauch einer Ahnung. Diese Entscheidung musst du allein treffen."
Galadriel hatte keine andere Antwort erwartet. Deshalb war sie auch nicht enttäuscht, als die beiden ihr Gespräch beendeten. Dennoch hatte es ihr gut getan ihre Sorgen mit ihrer Freundin zu teilen.
Sie dachte lange über Silmariels Worte nach. Andere als die von ihr angesprochenen Möglichkeiten gab es tatsächlich nicht. Celeborn die Wahrheit zu sagen, mochte bedeuten ihn zu verlieren. Aber konnte sie eine Lüge leben?

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