Arda Fanfiction

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Arda

von Éowyn

Kapitel 1

Ich hatte lange gebraucht, bis ich es endlich gefunden hatte. Lange Jahre war ich einsam durch diese Welt gewandert, einst meine Heimat und doch so fremd. Die Stadt wurde Paris genannt und die Sprache der Menschen hier ähnelte dem Sindarin noch am ehesten. Doch die Menschen - sie hatten sich verändert. Sie waren kleiner und ihre Augen funkelten nur noch selten so, wie sie es bei Elessar getan hatten.

Und nun hatte ich endlich mein Ziel erreicht: Imladris. Nicht mehr viel war von dem einst so wunderschönen Ort übrig geblieben. Ein Quadratkilometer eingezäunte Fläche, Autos rasten darum herum, eine mürrische Alte verlangte horrenden Eintritt.
Ich zog schnell ein paar Scheine und Münzen aus meiner Tasche, wartete nicht auf das Rückgeld, sondern betrat schnell die verkommene „Touristenattraktion“.
Ich spürte die erstaunten Blicke der Alten auf meinem Rücken, bevor sie sich wieder ihrem Boulevardheftchen zuwendete.

Ich konnte nicht glauben, Bruchtal endlich gefunden zu haben. Lange Jahre waren vergangen, seit ich zurückgekehrt war, weil ich der Sehsucht in meinem Herzen nicht mehr widerstehen konnte. Lange Jahre, in denen ich in der Welt umhergeirrt war, schließlich in diese Stadt, Paris, gekommen war und einen Job als Pizzabäckerlehrling angenommen hatte, da die Menschen mich hier nicht für älter als 20 Jahre hielten. 
Ich hatte mich weitgehend dieser Welt angepasst. Ich hatte mich in die fremde, unbequeme Kleidung gezwängt, meine Haare hielt ich mit einem Kopftuch zurück, dass auch gleichzeitig dazu diente, meine spitzen Ohren zu verdecken.

Ich wanderte stumm durch die uralten Mauerreste. Trauer erfüllte mein Herz. Kein Vogel sang mehr sein Lied in den Blühenden Bäumen im Garten Elronds. Keine lachenden Elben saßen mehr in großen Hallen.
Nur noch Ruinen waren übrig.
Ruinen, Staub und ein paar vertrocknete Grasbüschel.

Ich setzte mich auf eine der Mauerreste. 
Ich hatte versucht, die Erinnerung abzuschütteln, doch es ging nicht. Ich sah die Bilder vor mir. Wie ein Film, der immer und immer wieder vor meinen Augen ablief. Ich sah meine Ankunft hier, der Abend im Kaminzimmer. Ich sah mich in Elronds Rat, als ich die Hobbits und den Ring zum ersten Mal erblickte.

Es gibt keinen Trost mehr in dieser Welt. 
Keine Ruhe, keine Liebe.
Das haben die Menschen abgeschafft. Sie leben in Hektik. Nichts ist mehr übrig von dem, was König Elessar, mein Freund, ihnen vererbte.
Ich hörte leise Schritte näher kommen, ich spürte die Hand, die sich sanft auf meine Schulter legte, ich sah die schlanke Gestalt aus den Augenwinkeln, doch ich reagierte nicht. 
„Wer… wer bist du?“, hörte ich eine Frauenstimme zaghaft fragen.
Ich hob den Kopf und blickte sie an. Sie war ungewöhnlich groß für einen Menschen der heutigen Zeit und in einfache Jeans und einen hellen Wollpullover gekleidet. Ihre langen dunklen Haare trug sie offen. Im Gegensatz zu der seltsamen Gewohnheit der Menschenfrauen in dieser Zeit war sie nicht geschminkt Ihre grauen Augen funkelten, wenn sie lachte. 
Eine Nachfahrin Lúthien Tinúviels.

„Legolas“, flüsterte ich heißer. Ich vergaß, dass ich einen neuen Namen angenommen hatte. Ich vergaß alles. Mir war, als wären wir damals in Elronds Haus. Als würde ich einer Elbe begegnen.
„Legolas?“ Sie lachte. „Wer heißt denn so? Hast du keinen Nachnamen?“
Ich schluckte. Natürlich. Sie war ein Mensch. 
„Wie - wie heißt Ihr denn?“, fragte ich leise. Sie hatte sich neben mich auf die Mauer gesetzt.
„Lúthien. Lúthien Halluin.“
Sie schien zuerst verwundert, dass ich nicht verständnislos schaute oder gar lachte.
„Lúthien.“, flüstere ich.
„Ja. Meine Mutter fand diesen Namen in einem uralten Wälzer, der noch irgendwie auf unserem Speicher herum lag. Viele finden ihn seltsam, doch ich, ich mag ihn irgendwie.“
Sie kicherte leise und schaute mich dann forschend an, als ich schluckte und mein Blick ins Leere ging, als ich mich der Geschichte entsann, die ich vor langer Zeit erzählt bekam und die jeder Elb einst kannte.
„Lúthien. Ein alter Name. Lúthien war eine Elbenmaid. Die schönste, die jemals diese Welt betrat. Beren, ein Mensch, sah, wie sie auf einer Lichtung sang. Und er liebte sie und er rief sie Tinúviel, Nachtigall…“
Ich erzählte ihr leise die Geschichte von Beren und Lúthien. 
Mein Herz wurde bei jedem Mal etwas leichter, wenn ich sie nur ansah, wie sie nun neben mir saß und aufmerksam zuhörte, wenn ich ihre Hand auf meiner spürte. 
Schließlich endete ich.
„Woher weißt du dies alles?“, fragte sie mich leicht verwundert. Meine Geschichte hatte sie 
sichtlich bewegt. In ihren Augen standen glitzernde Tränen und plötzlich legte sie ihren schönen Kopf auf meine Schulter.
Ich senkte den Kopf. 
„Es ist unwichtig. Diese Zeit ist schon so lange vergangen. Die Zeit, in der diese Welt noch Arda hieß und Elben und Menschen und Zwerge hier lebten. Die Zeit, in der Ents die Wälder durchstreiften und die Bäume leise flüsterten.“
Sie hob ihren Kopf wieder und sah mich an. Ein trauriges Lächeln umspielte ihre Lippen.
„Nein, Legolas. Sie ist nicht vergangen. Nicht ganz. In diesem Ort und in dir und… auf gewisse Weise auch in mir lebt sie noch weiter und sie wird auch immer weiterleben, wenn wir nicht zulassen, dass sie vergeht.“ Ihre Stimme war sanft und ihre Hand strich dabei über das Kopftuch und berührte sanft meine Ohrenspitzen unter dem dünnen Stoff. Sie hatte es erkannt.

Und ich verstand. Arda und die Elben, Zwerge und Ents waren wirklich nicht vergangen. In uns lebten sie weiter. Es gab noch Ruhe und Trost in dieser Welt, wenn man diese Dinge nur zuließ. Und es gab auch noch… Liebe.

ENDE

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