Arda Fanfiction

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Vier Adventsgeschichten

von Celebne

Honigkuchen

Sanft fielen Schneeflocken zur Erde nieder. Schon bald deckte die weiße Pracht ganz Minas Tirith zu. Boromir nahm liebevoll seinen kleinen Bruder an der Hand und ging mit ihm durch die stille, winterliche Stadt. Es war bereits dunkel und die Straßen leerten sich zusehends. Vor einem Laden, in welchem Süßigkeiten verkauft wurden, blieb Faramir sehnsüchtig stehen.
„Boro, kann ich einen Honigkuchen haben?“, fragte der sechsjährige Knabe schüchtern.
Der große Bruder biss sich grübelnd auf die Unterlippe. Er hatte kein Geld dabei und er wusste nicht, ob der Händler ihm glaubte, dass er und Faramir die Söhne Denethors waren. Trotzdem wollte er gerne dem Kleinen, der viel zu früh seine Mutter verloren hatte, eine Freude bereiten.
Zaudernd blieb er stehen und spürte die Kälte, die langsam in seinen Beinen hochkroch.

Wir müssen weiter, dachte er besorgt, sonst wird Vater böse.

Mit einem leisen Seufzen beugte er sich zu Faramir hinunter und fuhr ihm durch die fuchsroten Locken.
„Tut mir leid, mein Kleiner, aber ich habe kein Geld dabei“, sagte er bedrückt.
Faramir blickte mit klugen, blauen Augen zu empor.
„Heute ist ein besonderer Abend, Boro“, erwiderte der Sechsjährige unbeirrt. „Ich glaube, heute muss niemand etwas zahlen.“

Faramir hatte die Worte kaum ausgeprochen, als leises Schlittengeläute ertönte. Boromir war erstaunt und fragte sich, woher wohl dieser Schlitten kam, denn Schnee fiel in Gondor so selten, dass eigentlich niemand einen Pferdeschlitten besaß.
Aber nun kam tatsächlich ein solches Gefährt die ansonsten menschenleere Straße herauf. Gezogen wurde der große Schlitten von einem schneeweißen Pferd.
„Geh zur Seite, kleiner Bruder“, mahnte Boromir besorgt und zog diesen mit sich.
Plötzlich verstummte das Schlittengeläute und die beiden Brüder sahen, dass der Schlitten direkt neben ihnen gehalten hatte.
Darauf saß ein Mann mit einem langen weißen Bart und einem seltsamen roten Mantel und einer ebenso merkwürdigen Mütze. Hinter ihm auf dem Schlitten befand sich ein riesiger brauner Sack.
„Seid gegrüßt, Kinder“, sagte der alte Mann freundlich und zwinkerte Faramir zu.

Doch Boromir blieb misstrauisch und legte die Hände beschützend auf die Schultern seines kleinen Bruders.
„Wo kommt Ihr her und was wollt Ihr hier?“, fragte der größere Knabe etwas ungehalten.
„Keine Bange, Boromir“, erwiderte der Weißbärtige lächelnd. „Ich tue niemanden etwas.“
„Ihr kennt meinen Namen?“, fragte Boromir erstaunt.
„Ich kenne die Namen aller Kinder“, sagte der alte Mann schmunzelnd und griff in seinen Sack.
Boromir schob Faramir jetzt hinter sich, da er eine Gefahr fürchtete.
„Boro, er wird uns nichts tun!“, mahnte der kleinere Knabe ihn leise.
Und tatsächlich holte der Weißbärtige nichts anderes als eine Handvoll Honigkuchen aus seinem großen Sack.
„Das ist für euch beide“, sagte der Fremde großzügig.
Faramir ergriff mit großen Augen die drei großen Honigkuchen und bedankte sich überglücklich.
„Aber...aber warum...?“, fragte Boromir erstaunt.
„Weil heute ein besonderer Abend ist“, unterbrach ihn der alte Mann und nickte Faramir verschwörerisch grinsend zu.

Boromir betrachtete den Honigkuchen in seine Hand misstrauisch, aber dann biss er doch einen Brocken davon ab, während Faramir schon mit vollen Backen kaute.
„Fröhliches Fest!“, rief der alte Mann lachend und schnalzte mit der Zunge, so dass sich der Schlitten wieder in Bewegung setzte.
„Was für ein Fest?“, fragte Boromir sich ratlos.
„Ich glaube, dieses Fest kennen wir in Mittelerde nicht“, erwiderte Faramir zufrieden und leckte sich die Finger ab. „Jedenfalls war der alte Mann nett.“
„Aber du wusstest irgendwie, dass wir heute Abend noch Honigkuchen bekommen, oder?“
„Ja, ich habe geträumt, dass wir Honigkuchen von einem Mann im roten Mantel geschenkt kriegen“, gestand der kleine Faramir breit lächelnd.
„Du und deine seltsamen Träume“, brummte Boromir kopfschüttelnd und wischte sich noch einen Krümel Honigkuchen aus dem Mundwinkel.
Dann nahm er seinen Bruder wieder an die Hand und mit einem ungewohnt warmen Gefühl im Bauch marschierten die beiden zurück in die Zitadelle.

Ende

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