Arda Fanfiction

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Liebe, stärker als der Tod?

von Dairyû

Kapitel IV - Drohende Schatten

Es war ein wunderschöner Tag gewesen und der Frühling hatte seine Vorboten geschickt, so dass Wiesen und Gärten erblühten unter großer Pracht. Nichts Böses schien es auf der Welt zu geben, so konnte man denken, und die Menschen hatten sich dies gewünscht - und wenig von den Nachrichten gehalten, die zuweilen den Weg aus dem Norden und den Elbenlanden fanden, weil niemand glaubte, dass es eine Macht in Mittelerde gebe, die sich ungestraft gegen die Unsterblichen stellen konnte.
Auch die Königin hatte es an diesem Tag vorgezogen, nicht an Zukünftiges zu denken, sondern das Gegenwärtige auszukosten und deshalb hatte sie sich am frühen Morgen ihr Lieblingspferd satteln lassen und war alleine ausgeritten, wie sie es manchmal tat.
Das Land, das im Norden begrenzt wurde vom Glanduin und im Westen vom Gwathló und über das fern im Osten die Spitzen des Nebelgebirges wachten, war rau, oftmals fegte der Nordwind über die Ebenen und die ausgedehnten Wälder, aber es war auch schön, und zur Zeit des Frühlings hatte es einen Liebreiz, dem man sich schwer entziehen konnte.

Unbehelligt und in selbstgewählter Einsamkeit war die Königin alten Pfaden gefolgt, deren Erschaffer und das Andenken an sie schon lange in den Schatten der Altfordernzeit versunken waren, denn niemand wusste ihre Namen oder ihre Herkunft. Nichts war geblieben von ihnen außer schmalen Wegen, an deren Rändern Felssteine mit seltsamen Zeichen lagen - eingeritzt von groben Händen.
Die Königin hatte ihrem Ross freien Lauf gelassen und das Tier hatte sie durch Wälder getragen, die noch nicht von schläfrig machender Dunkelheit erfüllt gewesen waren, denn die Blätter an den Bäumen waren jung und von einem hellen Grün gewesen, das die Strahlen der Frühlingssonne eingefangen und als sanftes Licht weitergeben hatte.
Sie hatte an einem kleinen Flüsschen gerastet und ihr einfaches Mahl aus Brot und Käse verzehrt, den Vögeln gelauscht, deren Gesang von überall her geschollen war und sich daran erfreut.

Den Nachmittag hatte sie auf einer Wiese verbracht, die über und über mit Frühlingsblumen bedeckt gewesen war. Dort hatte sie gesessen, nachgedacht und zurückgeblickt auf ihr Leben. Und ohne zu Zaudern hatte sie sagen können, dass es ihr gut ergangen war. Sie hatte sich gewünscht, auch die verbleibenden Jahre in Ruhe und Frieden an der Seite ihres Mannes ausklingen lassen zu können.
Am Abend war sie von dem langen Ritt zurückgekehrt, die Haare vom Wind zerzaust und die Satteltaschen voller Frühlingsblumen. Den tadelnden Blicken der Bediensteten war sie mit einem Lachen begegnet, wohl wissend, dass es sich für eine Königin nicht ziemte, wie ein junges Mädchen ausgelassen und unbeschwert einen Tag wie diesen zu verbringen. Aber manchmal wurde aus der Herrscherin wieder die einfache Frau, die sie einst gewesen war und sie nahm sich die Freiheit, das zu tun, was ihr beliebte.

Keiner vermochte es ihr zu verübeln; vielmehr liebten die Menschen sie dafür, dass sie sich treu geblieben war und Stolz und Hochmut keinen Einzug in ihr Herz gefunden hatten.
Leichten Fußes war sie durch die Gemächer des großen Hauses geeilt, das Königssitz und Wohnstätte war, um ihren Gemahl zu treffen, denn sie war von Heiterkeit erfüllt gewesen und sie hatte gewusst, dass er sich mit ihr freuen würde, wenn sie von dem schönen Tag erzählte. Aber sie hatte ihn nicht angetroffen; jeder der Orte, an dem er sich für gewöhnlich aufhielt, war verlassen gewesen.
In der Bibliothek hatte die Königin nur eine Reihe von Schriftrollen auf dem schweren eichenen Tisch gesehen, die mitten im Lesen dort liegen gelassen worden waren - ein untrügliches Zeichen dafür, dass ihr Gemahl gestört worden war und keine Zeit mehr gefunden hatte zurückzukehren und die alten Schriften sicher zu verwahren, wie es seine Art war, denn er hielt das Wissen höher als alles andere.

Unruhe hatte das Herz der Herrin erfasst. Sie war durch das Haus geeilt; einem bestimmten Ziel entgegen und schließlich hatte sie ihren Gemahl in der großen Halle auf dem Thron sitzend gefunden. Ein wenig besorgt war sie darüber gewesen, denn nur selten hielt er sich in der Halle auf und noch seltener nahm er seinen Platz auf dem Throne ein, denn seine Erhabenheit bedurfte keiner Bestätigung durch Äußerlichkeiten.
Langsam war sie zu ihm gegangen und hatte im sanften Licht des Abends etwas an seiner linken Hand funkeln sehen, ganz kurz nur und schwach, aber es hatte ihre Augen angezogen und mit einem Male war alle Heiterkeit des Tages aus ihrem Gemüt vertrieben worden.
"Was ist das?" hatte sie sich fragen hören und er hatte erwidert: "Ach, das ist nichts weiter als das Geschenk eines kunstfertigen Schmiedes", ihr die Hand entgegengestreckt, an der ein Ring glitzerte, damit sie sie ergreifen und er sie zu sich ziehen konnte und sie angelächelt, wie er es immer getan hatte, um sie zu beruhigen. Sie hatte sich an ihren Gemahl geschmiegt, das Gefühl der Nähe und Vertrautheit genossen und alles war wieder gewesen, wie es sein sollte. Einen letzten Blick hatte sie auf den Reif geworfen und für sich entschieden, dass etwas Unheimliches in ihm verborgen war.

Aber sie hatte ihrem Gemahl und seinem Wissen um Dinge, denen ein Zauber innewohnte vertraut, nahm den unscheinbaren Ring an seinem Finger als eines der Schmuckstücke hin, die ihr Mann manchmal zu tragen bereit war. Aber damals übersah sie in geschicktem Selbstbetrug, dass es mit dem Ring etwas anderes auf sich hatte, denn diesen legte der König nie mehr ab und allmählich trat der Reif an ihre Stelle, forderte die Aufmerksamkeit des Königs, wurde der Mittelpunkt seines Lebens, versprach mehr Wissen und mehr Macht - und schenkte all dies auch.
Und wie es des Menschen Art ist von jeher, verschmäht er solche Gaben nicht, wenn es sein Herz nach ihnen gelüstet, und verschwendet keinen Gedanken an den Preis.
So nahm es nicht wunder, dass auch ein Fürst der Númenórer dem Locken eines Ringes erlag, der geschmiedet worden war, um das Herz seines Trägers zu verderben und ihn unter die ewige Herrschaft der Dunkelheit zu zwingen, damit er ihr diente zum Schrecken der Lebenden ...
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