Arda Fanfiction

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Liebe, stärker als der Tod?

von Dairyû

Kapitel III - Bittere Konsequenzen

Aber all dies waren nur Erinnerungen und so schön sie auch schienen, sie gehörten unwiederbringlich der Vergangenheit an - jedoch, gerade das Vergangene konnte Trost spenden, wenn die Zukunft keine Hoffnung mehr versprach; und so sah die Königin ihren Gemahl im Lichte verblichener Tage.
Sie lächelte, während sie sich ihm langsam näherte, darauf hoffend, einen Funken Freude in seinen Augen zu sehen, oder auch nur zu spüren, dass ihre Anwesenheit ihn aus dem düsteren Brüten riss, das ihm so sehr zu eigen geworden war.
Aber vergeblich suchte sie nach solchen Anzeichen und ihr Mut sank und die Kraft, die sie wenige Augenblicke zuvor noch gespürt hatte, war von ihr gewichen.

Ihr Geliebter lächelte schon lange nicht mehr, war abweisend und kalt geworden wie eine Statue aus Stein, die Gefühle nicht zu erwidern vermochte, weil es jenseits des Möglichen lag. Sie glaubte, er fliehe ihre Gesellschaft, denn er ließ sie alleine Tag und Nacht und verbrachte keine Stunde mehr mit ihr, seit langer Zeit. Immer verbarg er sich in seinen Räumen, verschloss die Tür vor allen und sie wusste nicht, was er tat. So war es fast wie eine Fügung, dass er nun im Thronsaal weilte und die Königin hatte die Gunst der Stunde ergriffen. Manchmal tuschelten die Wächter des Schlosses miteinander und sie erhaschte wenige Worte ihrer Reden, die davon erzählten, dass der König in den dunkelsten Stunden in seinen Gemächern mit jemandem sprach, aber niemand hatte jemals einen Besucher kommen oder gehen sehen.

Das Raunen machte die Runde und schließlich wusste das ganze Gefolge von der Sonderbarkeit des Königs. So begannen die Menschen ihren Fürsten zu fürchten, die Diener und Wächter waren froh, wenn er sich dem Studium der Zauberkunst und anderer geheimer Dinge widmete, denn dann blieb er verborgen in seinen Gemächern und sie fühlten sich ein wenig freier, als in seiner unmittelbaren Gegenwart, die sich schwer auf ihre Seelen legte. Viele sehnten sich nach den alten Zeiten, als ihr König sich unter sie gemischt hatte und für jeden ein Wort wusste, mochte jener auch der geringste der Diener sein. Streng war ihr Fürst gewesen, aber gerecht und niemals konnte sich einer beklagen, dass ihm Unbill widerfahren war unter der Herrschaft des Königs. So dauerte es sie, dass eine seltsame Veränderung von ihrem Herrn Besitz ergriffen hatte - zuerst kaum sichtbar, aber dann immer deutlicher und erschreckender.

Noch mehr aber beklagten sie das Los der Königin, denn es blieb niemandem verborgen, dass sie dem König entfremdet wurde gegen ihren Willen, und dass sie seit geraumer Zeit - immer ein winziges Stück mehr - von seiner Seite verdrängt wurde.
Keiner konnte sich den Grund dafür erklären; vermutlich wusste nicht einmal die Königin selbst ihn, und wenn sie es tat, dann behielt sie ihn für sich, wie ihren Kummer.
So blieb den Menschen nur das Mitleid und die bange Frage, was aus dem Königreich werden würde, denn viele sahen dunkle Wolken der Ungewissheit aufziehen und die Weitsichtigen sprachen von einem bösen Ende.
Auch die Königin wurde von Ahnungen geplagt, aber sie wollte ihren Ängsten nicht nachgeben und sie hoffte fest darauf, ihren Gemahl aus der Verzauberung herauszureißen, die ihn gefangen hielt mit unsichtbaren Klauen.
Denn treu hatte sie ihm zur Seite gestanden über ein halbes Menschenalter lang in guten und in schweren Zeiten, in tiefer Liebe verbunden. Und immer hatte er es ihr gedankt, sie hoch geachtet als Gefährtin und Gleichgestellte.

Ihr Herz sehnte sich nach diesen Zeiten zurück, die erfüllend gewesen waren; damals hatte sie geglaubt, niemals könne etwas diesen Zeiten ein Ende bereiten. Aber oft war es so, dass des Menschen Weg steinig wurde und viele Prüfungen auf ihm lagen.
Wer verzagte, war verloren - die Königin hatte bis zu diesem Augenblick niemals verzagt und sie würde es auch jetzt nicht tun. Sie musste nur geduldig und unentwegt sein, unnachgiebig, und das einfordern, was ihr zustand.
So trat sie endlich zu ihrem Herrn - so nahe wie schon lange nicht mehr, stolz hielt sie den Kopf erhoben und rief den König mit stummen Worten, so dass er sich schließlich zu ihr umwandte und sie ansah.
Forschend und ernst betrachtete sie sein vertrautes Gesicht und wartete auf eine Regung; ganz gleich ob sie aus Freude bestand oder vielleicht auch Zorn über die Störung, die ihr Kommen für ihn bedeutete.

Lange Zeit geschah nichts und die Sekunden dehnten sich zu Minuten in tiefem Schweigen. Bald meinte die Königin ihr Herz laut schlagen zu hören, so pochte es in ihrer Brust und sie zwang sich, ruhig zu atmen, damit ihre Unsicherheit nicht offenbar wurde.
Der König schaute sie an und mit einem Male sah sie das Erkennen in seinen Augen aufblitzen und für einen Moment ehrliche Freude.
Plötzlich nahm er ihr Gesicht in seine Hände.
Es war eine Geste, die sie lange vermisst hatte und die das Lächeln auf ihre Lippen zurückzauberte. In Glück jedoch mischte sich Furcht, denn seine Finger waren kalt wie Eis, obwohl es Sommer war und die heiße Luft durch die schmalen Fenster hereindrang, den Raum erwärmte und mit dem Duft vieler Blumen erfüllte.

Nur der Ring an seiner linken Hand war warm, sie schrak vor dem pulsierenden Metall zurück, das wie etwas Lebendiges an ihrer Wange lag. Und mit einem Male flüsterte eine Stimme in ihrem Geist Worte in einer Sprache, die sie nicht kannte - aber sie wusste, dass es nichts Freundliches war, was sie vernahm, sie spürte, wie sich das, was vom Wesen ihres Geliebten noch geblieben war, zurückzog und verdrängt wurde - und vielleicht kam es nie mehr hervor!
Fast hätte sie sich mit Grauen abgewandt, aber dann erinnerte sie sich an den Grund ihres Kommens, und sie wusste, wenn sie jetzt fortging, würde sie nie wieder die Kraft finden, das zu tun, was sie tun wollte und tun musste.
Deshalb lächelte sie weiterhin, hob ihr Antlitz, das noch immer schön zu nennen war, denn die Zeit hatte es gut mit ihr gemeint, so dass ihre Haut rein geblieben und ihr Gesicht würdevoll war - nur das Silber in ihren dunklen Haaren ließ erkennen, dass sie eine Frau war, die den letzten Pfad ihres Lebens beschritt - aber sie tat es mit Freude und ohne Bedauern, denn sie konnte zufrieden zurückblicken und all die glücklichen Jahre preisen.

Wenn doch auch der König dies tun würde!
Aber seine Welt schien keine Erinnerungen mehr zu kennen, und auch keine Liebe. Ja, selbst seine Seele schien ihm nicht mehr zu gehören, denn mit einem Mal ging eine Veränderung mit ihm vor, die urplötzlich und erschreckend war.
Da irrlichterte etwas in seinen Augen und die Frau hatte das Gefühl, es sei nicht ihr Gemahl, der sie anblickte, sondern ein völlig fremdes Wesen - das höhnisch triumphierte und sie verspottete oder mit falschem Mitleid auf sie herabsah.
Sie fürchtete sich sehr und kämpfte mit der unsichtbaren Hand, die sich würgend um ihre Kehle legte, weil die Angst ihr den Atem zu nehmen drohte.
Närrin!, schalt sie sich. Nun sinkt dir der Mut und du wirst schwach. Gedenke deines Willens und hoffe auf Stärke! Und sie flehte die Valar an, ihr beizustehen in der schwersten Stunde ihres Lebens, die nun gekommen war.

Ihr Gemahl sah sie noch immer an. Aber jetzt war der Schatten in seinen Augen fort so schnell er gekommen war und sie leuchteten wieder klar und so vertraut in ihrem warmen Grau.
Plötzlich lächelte der König, sie kannte ihn wieder, und ihr Herz machte einen Sprung. Sie gab sein Lächeln zurück und dann sagte sie leise, verschämt und unsicher, ein wenig selbst verwundert über diese Gefühle: "Küsse mich, mein Geliebter."
"Wie du willst, meine Königin", antwortete er, seine Stimme war sanft wie eh und je, aber es lag auch eine kaum verhohlene Ungeduld darin; und die Frau spürte, dass er sich danach sehnte wieder allein zu sein, so als ermüde ihn ihre Anwesenheit und verwirre seine Gedanken, die er ausgerichtet zu haben schien auf Worte, die nur er zu hören vermochte.
Ihre Augen flehten beinahe um die winzige Geste der Zuneigung, die sie erbeten hatte und Erleichterung brandete über sie hinweg, weil sie sah, dass er sich entschieden hatte, ihr diesen Wunsch zu erfüllen und sie nicht abzuweisen im letzten Moment.

Als er sich niederbeugte, um ihr einen Kuss auf die bebenden Lippen zu hauchen, schnellten ihre Hände vor und rissen den langen Dolch mit sich, den sie unter ihrem Umhang verborgen hatte.
Die scharfe Spitze durchtrennte mühelos den feinen Stoff seines Gewandes ... fuhr durch Haut, Muskeln und Sehnen, und die Frau warf sich mit aller Macht nach vorne, um den Dolch weiterzutreiben, bis das Heft das Fleisch berührte. Dann zog sie die scharfe Klinge nach oben mit ihrer ganzen Kraft, bis der Stahl an den Knochen des Brustbeins prallte und aufgehalten wurde ... die Erschütterung lief durch ihre Hände und Arme.
Grauen erfasste die Königin, denn niemals zuvor hatte sie eine Waffe geführt und allein der Gedanke daran, einem Lebewesen Leid zuzufügen, hatte sie immer erschauern lassen; nun tat sie genau dies ohne zu zögern. Schluchzend und zitternd blickte die Königin auf und durch einen Tränenschleier sah sie ihren Gemahl.

Er hatte keinen Laut von sich gegeben, war nur einmal kurz zusammengefahren, als die Klinge ihn traf, und blickte sie dann an. Überraschung und Bestürzung lagen auf seinem Antlitz. "Es tut mir leid", flüsterte sie mit brechender Stimme. "Ich liebe dich. Mehr als alles andere auf der Welt. Und deshalb möchte ich dir Erlösung schenken ..."
Dies war das einzige, was sie noch tun konnte. Lange hatte sie mit der Entscheidung gerungen. Schlaflose Nächte hatte sie verbracht, in denen sie ihr Leben an seiner Seite bedacht hatte und unendliche Trauer war über sie gekommen, denn an nur einem einzigen Tag war alles zerstört worden, was ihr lieb und teuer war und was das Leben an seiner Seite so wundervoll hatte sein lassen - der Tag, an dem ein Schmied gekommen war, um ein Geschenk zu geben, das Unheil mit sich gebracht hatte ...
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