Arda Fanfiction

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Vom Leben im Norden - Ein langer Frieden

von Ethelfara Ceorlred

Verlobt

Rorimac wartete, bis alle anderen den Sitzungssaal verlassen hatten, dann blickte er nachdenklich auf den Stuhl, auf dem sein Sohn Platz genommen hatte. Einen Moment war der Herr des Bocklands sich nicht sicher darüber, auf wen er jetzt sauer sein sollte: auf seinen Sohn, der sich demonstrativ auf den Platz der Anklage gesetzt hatte oder denjenigen, der diesen Platz trotz einer eindeutigen Anweisung nicht aus dem Saal entfernt hatte. Aber dann musste er grinsen: eigentlich hatte Saradoc ja recht gehabt: es war eben dieser Ermenric, der ihn mehr oder weniger zum Rücktritt genötigt hatte. Und dann kommt Saradoc nach Jahren prächtig gerüstet zurück, im Rang eines Hauptmannes der Westfold und als Heerführer: soviel zu Ermenrics Worten, dass Saradoc wohl nicht das Zeug zum Anführer habe. An sich konnte Rorimac es diesem Hauptmann noch nicht einmal übelnehmen, dass er seine Ablehnung, noch einmal der Erste Hauptmann zu werden etwas eindrücklicher als erwartet verdeutlicht hatte.

Eben dieser Saradoc hatte nach der Beendigung der Sitzung zugesehen, so schnell wie möglich in sein Gemach zu kommen. Zum einen hatte er Sebastian versprochen, ihn bei der abendlichen Übungsrunde der Grenzer zu unterstützen, und zum anderen wollte er sinnlosen Diskussionen mit Räten aus dem Weg gehen, die seine Entscheidung mit Sicherheit immer noch nicht verstehen, geschweige denn akzeptieren wollten. Und er war sauer auf seinen Vater: hatte er denn seinen Entschluss ob der Übernahme eines gewissen Amtes nicht schon am ersten Abend nach seiner Rückkehr klargestellt? Was sollte diese Diskussion, deren Ausgang klar war, aber in Saradocs Augen nur unnötig Zeit verschwendet hatte?

Mit geübten Griffen hatte er seine neue Rüstung angelegt. Die hatte er sich bei den Zwergen in Erebor anfertigen lassen und entsprach in Größe und Machart seiner Ausrüstung, die er aus Rohan mitgebracht hatte. Allerdings verzichtete er jetzt darauf, sein Wappen und die Rangzeichen in Silber und Gold auslegen zu lassen, und wie gewohnt bestanden der Körperpanzer, die Schulterrüstungen sowie die Arm- und Beinschienen aus dickem Leder. Das Material war im Vergleich zu Stahl leichter und konnte der Witterung des nördlichen Mittelerde besser widerstehen. Darunter trug er wie immer sein zwergisches Kettenhemd, das ungewöhnlich leicht und fest gearbeitet war. Das Leder war in dunkelbrauner Farbe (anstatt in rotbraun) und die zugehörige Kleidung hatte Saradoc in dunkelgrün und dunkelbraun gehalten.

„Nanu, Saradoc? Willst du Räte erschlagen?“ Esmeralda war in den Raum gekommen, gefolgt von Sithric.

„Das nicht, aber ich wurde während der Ratssitzung ja dank eines gewissen Herrn Labkrauts ja an meine eigentlichen Pflichten erinnert. Ich werde Hauptmann Sebastian bei der abendlichen Übungsrunde unterstützen. Wenn ich mir euch beide so betrachte: was ist mit euch? Ich glaube, ihr könntet nach diesem Tag mit Sicherheit ein wenig Bewegung gebrauchen.“

„Das kann ich ganz sicher, Vater“ grinste Sithric. „Übrigens will der Herr des Bocklands mit dir sprechen, und zwar unter vier Augen. Er lässt dir ausrichten, dass daraus wohl so schnell nichts wird, aber du sollst noch heute an seinen Wunsch denken.“

„Also nach der Übungsstunde. Gut. Nun, was ist?“

„Geh du schon einmal vor“ seufzte Esmeralda. „Nicht nur, dass ich mich noch rüsten muss, da sind auch noch so einige Dinge zu klären. Wartet nicht auf mich.“

„Ich komme dann gleich, Vater. Ich muss den Räten nur strategisch aus dem Weg gehen, mich rüsten und den Räten dann auf dem Weg zum Übungshof erneut strategisch aus dem Weg gehen. Das sollte nicht allzu lange dauern.“

Die beiden waren gegangen, und Saradoc musste bei dem Gedanken an die vielen „Kleinigkeiten“ nach so einer Ratssitzung lächeln – vor allem beim Gedanken, sich dieses vorerst erspart zu haben. Unten auf dem Übungshof warteten bereits einige Wächter, aber ihr Hauptmann war noch nicht eingetroffen. „Wahrscheinlich wird er noch aufgehalten“ seufzte Saradoc.

„Uns wundert, dass Ihr schon da seid, Herr Saradoc.“

„Mich wundert das nicht. Ich habe diesen Räten meine Meinung zum Thema „erst werfen wir ihn raus, dann betteln wir um seine Rückkehr“ sehr deutlich gesagt. Und ich habe ihnen genauso deutlich klargemacht, dass meine Aufgaben nicht darin liegen, hier wieder den Falschmacher vom Dienst zu geben. Dazu habe ich einen gewissen Rat daran erinnert, wer mich damals hat zurücktreten lassen – und was aus seinem damaligen Unterstützer eigentlich geworden ist, das wollte ich auch noch wissen.“

„Das gab ganz sicher so einiges an Gestammel und Ausflüchten. Auch wir kennen diese Eigenarten eines ganz gewissen Rats.“ Die Wächter lachten.

„Naja, Schwamm drüber. Vielleicht kommen ja auch noch Frau Esmeralda und Sithric zu unserer Übungsrunde dazu, wenn sie ungeschoren durch die herumstehenden Räte durchkommen. Wie sieht es aus: wollen wir schon einmal mit einer kleinen Aufwärmrunde beginnen?“

Sithric war schon während der Aufwärmrunde zu ihnen gestoßen, und eine reichlich gereizte Esmeralda kam eine halbe Stunde später dazu. „Saradoc, ich verstehe jedes einzelne deiner Worte beim Rat. Und danke, dass ich mir diesen Mist noch länger antun darf.“ Sprach es und forderte Saradoc zu einem Duell heraus. Dieses dauerte dann über eine Stunde, lockte immer mehr interessierte Zuschauer an und es schien bis zum Schluss keinen eindeutigen Sieger zu geben.

„Sag mal, Saradoc, was war das jetzt?“ lachte Rorimac. Der Herr des Bocklands hatte den beiden vom Balkon des Großen Saals aus zugesehen. „War das jetzt ein Zweikampf oder sieht das so aus, wenn Schwertkämpferin und Schwertkämpfer turteln?“

Saradoc und Esmeralda wurden beide rot, und Sithric lachte. „Herr Rorimac, so sieht in Rohan eine anständige Brautwerbung aus! Wenn er um ihre Hand anhält, dann wird sie seine Fertigkeiten als Krieger in Frage stellen. Aber da gilt gleiches Recht für alle: wehe, sie kann sich dann nicht im dann folgenden Zweikampf halten!“

„Sitten sind das“ meinte Rorimac lachend. „Gut, ich sehe das so: ihr beide seid einander ebenbürtig, Esmeralda und Saradoc! Aber wie sieht es mit dem angenommenen Sohn aus? Und was können meine Grenzer?“

„Zeigen wir dir gerne, Vater!“ Zu Rorimacs Verblüffung schienen Saradoc und Esmeralda noch immer keine Müdigkeit zu zeigen, und einige kurze Kommandos später traten die beiden Übungsformationen wieder gegeneinander an. Zum Abschluss gab es noch ein kleineres, aber um einiges ernster gefochtenes Duell zwischen Saradoc und Sithric.

„Jetzt sollte es aber gut sein“ meinte Rorimac. Auf dem Balkon hatten sich die Räte versammelt, um dem Schauspiel beizuwohnen. „Werdet ihr auch mal müde? Oder hungrig?“

„Ich sage das immer wieder: wer als letztes aus eigener Kraft das Schlachtfeld verlässt hat gewonnen“ versetzte Saradoc. „Und wer dann noch in der Lage ist, fliehende Feinde zu vertreiben, der hat schon so manchen erneuten Angriff verhindert. Nein, an sich haben wir uns gerade fertig warmgemacht. Aber ja, wir haben Hunger. Sollen wir in der Schlacht zum Brandyschloss das Buffet der Großen Halle einnehmen oder gibt es genug für alle?“

„Es sollte genug für alle da sein, ansonsten plane ich eine Invasion in die Küche“ entgegnete Rorimac. „Aber wenn der Braten kalt ist gibt es eine Meuterei!“

Lachend machten sich die Krieger und Grenzer auf zur Großen Halle, und natürlich war für alle mehr als genug da. Mittlerweile waren es die Bewohner vom Brandyschloss gewohnt, dass gerüstete Krieger an der Tafel Platz nahmen, aber für den einen oder anderen der Räte war es ein reichlich ungewohnter Anblick.

„Ich glaube, jetzt brauche ich mir um meine Sicherheit wirklich keine Gedanken mehr zu machen“ grinste Ermenfried Bolger. „Aber eines bedaure ich dann schon, Herr Saradoc: dass Ihr dem Bockland so gar nicht mehr zur Verfügung stehen werdet! Es reicht, dass allenfals die Bewohner der Grenzregionen überhaupt an so etwas wie unsere Verteidigung denken. Dass uns ein fähiger Krieger dann auf Dauer fehlen wird, das trifft nicht nur das Bockland hart!“

„Ihr hättet seinerzeit dem jungen Herrn Saradoc mehr Zeit zum Lernen geben müssen“ brummte Gorbadoc, der an der Tafel Platz genommen hatte. „Ich bin jetzt tatsächlich zu alt für das Dasein als Grenzer oder Krieger, das ist der Lauf der Dinge. Aber auch ich bin nicht allwissend und allkönnend vom Himmel gefallen. Aber nein, Saradoc war als Hauptmann der Grenzwache in Euren Augen ja die absolute Fehlbesetzung. Nehmt es hin, dass er jetzt unseren Verbündeten dient und hört endlich mit Eurem ständigen Gejammer auf.“

„Ich diene ja weiterhin dem Bockland und dem Auenland, wenn wir die Feinde schon weit vor unseren Grenzen unschädlich machen“ ergänzte Saradoc. „Das Schöne daran ist ja, dass es deswegen keine langen Ratssitzungen geben muss: lediglich den Befehl eines Heerführers.“

„Ich hätte bei den Waldläufern bleiben sollen“ lachte Gorbadoc. „Nun gut, das ging nicht, und auch du wirst hier im Bockland deine Pflichten haben, Saradoc. Genieße daher die Zeit, in der du als Heerführer als Belohnung für die Übernahme der alleinigen Verantwortung das Recht der alleinigen Entscheidung hast!“

„Vergesst aber dennoch nicht, uns regelmäßig über Euer Tun da draußen zu berichten“ sagte Ermenfried. „Das soll keine Anordnung sein, sondern lediglich eine Bitte. Selbst im Bockland wissen wir mitunter nur wenig über das, was jenseits der Grenze vor sich geht. Und ich fürchte, dass zu viele von uns davon gar nichts wissen. Nur mit Berichten, die uns alsbald von jemandem erreichen, der das erlebt hat werden wir das ändern können.“

Saradoc nickte. „Soweit es geht machen wir das jetzt schon: nicht nur ich, sondern auch die Waldläufer und Grenzkrieger und natürlich unsere Kundschafter. Aber zu oft wäre es zu gefährlich, einen Boten alleine über die langen, einsamen Meilen Eriadors zu schicken. Wer da draußen Feinde bekämpft, der macht das fast immer auf sich alleine gestellt. Deswegen tut es uns allen, die wir uns regennasse Tagen, Wochen und Monate um die Ohren schlagen, um Feinde von unserer Heimat fernzuhalten gut, wenn wir wissen, dass wir jederzeit zu Hause willkommen sind.“

„Das ist ein Auftrag, Herr Ermenfried“ sagte Rorimac ernst. „Mir kommen immer wieder Klagen eben jener Grenzkrieger zu Ohren, dass das eben nicht der Fall ist, selbst in Neuburg, Hagsend oder Stock nicht. Da könnt Ihr schon jetzt etwas unternehmen. Und selbst auf der heutigen Ratssitzung hatte ich stellenweise das Gefühl, dass selbst dem Rat die eigenen Krieger nicht willkommen sind.“

„Herr Labkraut vertritt aber nicht die Mehrheit des Rates“ erwiderte Ermenfried. „Aber sollten meine Worte diesen Anschein erweckt haben, so bitte ich dafür inständig um Entschuldigung. Ich bin zuallererst um die Sicherheit des Bocklands besorgt, und hier vor allem um die von Neuburg und dem Heutor. Und genau dafür brauche ich Informationen.“

„Bei der Grenzwache am Heutor sollten doch Kundschafter postiert sein?“ fragte Saradoc. „Also jedenfalls hatte ich das zu meiner Zeit so angeordnet. Da sollte es doch zu jeder Zeit die nötigen Informationen über die Vorgänge an der Grenze und jenseits davon geben?“

„Ja, Herr Saradoc, da sind zwei Kundschafter. Einer ist regelmäßig im Alten Wald, der andere auf den Brandybergen, und wenn sich etwas Dringendes ergibt, dann gibt es keinen mehr, der dieser Sache auf den Grund gehen könnte.“

„Esmeralda, das ist eine Sache für dich. Ich kann für meinen Teil die Bedenken des Herrn Ermenfried nachvollziehen: eine gute Verteidigung steht und fällt mit den Kundschaftern. Außerdem können die Jäger des Bocklands da helfen, wenn sie auf die Jagd im Alten Wald oder in den Brandybergen gehen: sie müssen nur darum gebeten werden. Unter ihnen sind einige, die sich im Fall des Falles ebenfalls als gute Kundschafter hervortun werden.“

Zu späterer Stunde des Abends hatte Rorimac seinen Sohn dann zu einem Gespräch unter vier Augen in seinem Kaminzimmer. Saradoc war noch immer nicht dazu gekommen, seine Rüstung abzulegen – aber auch daran hatte man sich im Brandyschloss gewöhnt.

„Ich weiß noch immer nicht, was dich vorhin geritten hatte, als du dich auf den Platz des Angeklagten gesetzt hattest, mein Sohn. Für den gerufenen Gast steht ein Sessel bereit, wie du wissen solltest.“

„Sicher.“ Saradoc lehnte sich in seinem Sessel zurück und zog genüßlich an seiner Pfeife. „Aber zum einen war ich zum letzten Mal als Angeklagter im Rat (es ist wirklich schon über zehn Jahre her, Vater) und zum anderen wusste ich anhand der kurzfristigen Ladung nun wirklich nicht, worum es genau gehen sollte. Du weißt so genau wie ich, wie oft eben dieser Rat von Bockenburg seine Tagesordnung ändert. Ich fand, da sollten sich die Räte erst einmal erklären.“

„Das haben sie irgendwie nicht getan, wenn ich die Sitzung nochmal Revue passieren lasse. Aber du hast dem einen oder anderen ja eine ordentliche Abreibung verpaßt, um das mal so zu sagen. Ermenric Bolger ist dir gegenüber ja geradezu handzahm geworden, das muss man dir lassen. Aber ich fürchte, Adegar Labkraut hast du dir jetzt nicht zum Freund gemacht. Der ist reichlich nachtragend, musst du wissen: und sein ganz persönlicher Zwischenfall in Balgfurt…“

„Der mit den Mastschweinen?“ Saradoc lachte laut auf. „Einem Jäger wäre so etwas nicht passiert. Aber ja, das passiert mit Leuten, wenn sie keinem Tagwerk nachgehen müssen. Die verlieren leicht den Bezug zu den Dingen, die für den Lebensunterhalt so notwendig sind.“

„Dieser Zwischenfall hängt ihm bis heute nach, das ist klar. Ich wollte vorhin, vor der Sitzung sagen, dass du ihn besser nicht darauf ansprichst. Aber das sollte sich wohl erledigt haben.“

„Hat es. Du hättest mich aber ruhig mal darüber in Kenntnis setzen können, was aus Golo Lochner geworden ist, Vater. Ich wußte nämlich bis vorhin von gar nichts.“

Rorimac lehnte sich zurück. „Dieser Verräter? Gut, woher sollst du das wissen: da warst du mit Sicherheit schon in der Westfold. Es war im Winter nach deinem Aufbruch, als den Wachen hier im Schloss auffiel, dass immer wieder Waffen und Ausrüstung fehlte. Wir gingen der Sache auf den Grund, und dein Großvater erwischte ihn beim Diebstahl. Dieser große Ratsherr des Bocklands war reichlich tief gesunken: nach seiner einen Verwarnung hatte er gemeinsame Sache mit Skorgrím Grimmhand gemacht und gegen Bestechungsgeld Sachen und Informationen an unsere Feinde herausgegeben. Wir haben ihn daraufhin aus dem Bockland verbannt, und Thain Fortinbras tat dasselbe für das Auenland. Was soll ich sonst noch sagen? Zum letzten Mal lebend gesehen wurde er, als er mit Zwergen ostwärts zog. Einige Tage später fanden wir seine Leiche unweit der Hügelgräberhöhen. Und von den Grimmhands fehlte jede Spur.“

„Im Winter nach unserem Aufbruch? Wir hatten in der Westfold einige harte Kämpfe gegen Orks zu bestehen, die von Grimmhands angeführt wurden. Unter ihnen war ein gewisser Skorgrím Grimmhand, wie ich dir berichtet hatte, und wir konnten ihn später gefangennehmen. Was seinerzeit mit Golo passierte? Vielleicht weigerte er sich, mit den Grimmhands in den Süden zu gehen? Oder er sollte nicht mitkommen, wußte aber zuviel? Ich kann es nur mutmaßen: in den Verhören waren es andere Dinge, die wir die Grimmhands befragten. Was auch immer gewesen ist: die Grimmhands sind entweder getötet oder gefangen oder einsame Flüchtlinge in der Wildnis, die sich Zeit ihres Lebens nicht mehr bei ihrem Volk blicken lassen können. Golo ist ein Verräter, der kein unverdientes Ende gefunden hat, aber ich glaube eines: dieser Fall kann geschlossen werden.“

„Gut. Ich würde dies so an die Landbüttel weitergeben, wenn du damit einverstanden bist. Wenigstens eines, was wir abschließen können. Morgen werden wir nach Buckelstadt aufbrechen, damit wir den Thain über dein Ansinnen, so langsam doch mal seßhaft zu werden in Kenntnis setzen können. Ich gedenke aber, deinen Ziehsohn mitzunehmen: Sithric hat sich in Asphodel Tuk verliebt, scheint es. Jedenfalls waren die beiden bei der letzten großen Übung auf genau die gleiche Weise am Turteln wie du und Esmeralda vorhin!“

„Sithric und Asphodel? Lache nicht, Vater, ich kann mir das gut vorstellen, dass die beiden zueinander passen. Waren die beiden zu Fuß oder im Sattel bei der Brautwerbung? Letzteres würde mich bei den beiden nicht wundern: der eine ist gebürtiger Rohir und die andere absolut und unheilbar in Pferde vernarrt. Also streng genommen ebenfalls Rohir.“

„Sie waren zu Fuß“ lachte Rorimac. „Im Sattel? Also ich glaube dir ja vieles, aber das jetzt doch nicht. Da müssen auch noch zwei Pferde mitspielen, meine ich.“

„Da habe ich in der Westfold so einiges gesehen“ lachte Saradoc. „Na gut: wollen wir dann eine Doppelhochzeit feiern? Ich finde, für die in Rohan gerühmten Saradoc und Sithric wäre das mehr als angemessen.“

„Dein Sohn sollte vielleicht erst einmal um Asphodels Hand anhalten, bevor du anfängst, irgendwelche Feiern zu planen, meinst du nicht? Aber deswegen reiten wir ja morgen. Und sei bitte mit uns armen Hobbits nachsichtig, die nicht auf Pferden reiten, sondern auf Ponys. Lass uns die Zeit zum entspannten Reisen: auch du solltest es ausnahmsweise einmal nicht eilig haben.“

„Ich fürchte ja nur, du wirst da nicht nur mich zu ein wenig mehr Geduld ermahnen müssen. Sithric hat ja wohl allen Grund, nach Buckelstadt zu reiten: sogar mehr noch als ich. Ich weiß meine Esmeralda bereits an meiner Seite.“

„Ich werde an deine Worte denken“ lachte Rorimac.

Saradocs Ziehsohn war trotz alledem überrascht, als Saradoc ihm eröffnete, dass er seine Sachen packen sollte. „Nimm angemessene Festkleidung mit. Und vergiss deine Rüstung nicht. Am besten machst du es wie ich: ich trage sie bei der Reise unter meinem Mantel. Und denke an eines: wir müssen beim Thain eine gute Figur machen!“

„Für dich mache ich doch alles, Vater!“ grinste Sithric. „Immerhin will der Held vieler Schlachten, der berühmte Hauptmann und Heerführer der Westfold und der zukünftige Herr des Bocklands um die Hand seiner Auserwählten anhalten! Natürlich werde ich meine beste Figur machen!“

„Das ist gut, Sithric. Asphodel wird nämlich ebenfalls anwesend sein.“

„Asphodel…“ Sithric wurde rot. „Papa, ähm, naja, also, wie soll ich es sagen?“

„Du bist in sie verliebt.“ Jetzt grinste Saradoc. „Genau deswegen sollst du mit mir mitkommen, Sebastian Brandybock wird dich und Esmeralda vertreten. Und dann hat Gorbadoc mir auch noch eine Bitte überbracht: wenn so viele gestandene Krieger ihren Weg ins Tukland finden, dann sollen wir mit Landbütteln und Stadtwachen üben. Ich werde der Bitte entsprechen. Da Asphodel mir als Anwärterin zum Hauptmann der Stadtwache gemeldet wurde, wird sie gesondert geprüft werden. Und du sollst sie darauf vorbereiten.“

„Jetzt bin ich aber baff. Woher weißt du davon?“

„Na, vom Herrn des Bocklands natürlich“ lachte Saradoc. „Und von vielen anderen auch: selbst auf dem Marktplatz wurde ich schon nach dir und deiner Besten gefragt. Ich dachte mir da, dass ein paar kleinere Vorkehrungen nicht schaden könnten.“

„Puh.“ Sithric wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Ich weiß nicht. Ich glaube, ich werde dann vor Aufregung alles falsch machen. Ob das so eine gute Idee war?“

„Sie ist es. Thain Fortinbras wird mit Sicherheit einer Verbindung mit seiner Nichte und einer vielversprechenden Kriegerin nur unter bestimmten Bedingungen zustimmen. Wenn ihr Auserwählter selbst Hauptmann ist und dazu auch noch im Tukland aushelfen kann: um so besser für dich! Also los jetzt! Wir brechen in einer Stunde auf!“

Sie hatten dieses Mal die Oststraße gewählt, um auf ihr bis Wegscheid und von dort aus über Tukhang nach Buckelstadt zu reiten: ein entspannter Ritt von zwei Tagen. In Groß-Smials wurden die Brandybocks bereits erwartet, und Thain Fortinbras hieß sie auf das Herzlichste willkommen. Nach der üblichen Begrüßung blickte Fortinbras Saradoc tief in die Augen.

„Ich weiß, aus welchem Grund es diesen Abenteurer und Held aus vielerlei Taten nach Buckelstadt verschlagen hat“ sagte der Thain ernst. „Also ist es wahr? Der Heerführer der Westfold will tatsächlich seßhaft werden?“

„Das ist wahr, Herr. Aber besagter Heerführer der Westfold soll eines Tages der Herr des Bocklands werden, und allein aus solchem Grund sollte ihn häufiger als bisher sein Weg nach Groß-Smials führen. Bezüglich des heutigen Besuchs des besagten Heerführers gibt es aber eines zu sagen: Thain Fortinbras, hiermit möchte ich um die Hand von Esmeralda Tuk anhalten, Eurer Tochter, die Zier des Tuklands, die es mit jedem unserer Krieger aufnehmen kann!“

In der folgenden Stille wäre selbst das Fallen einer Stecknadel fast schon zu unerträglichem Lärm geworden. So direkt hatte hier an diesem Ort wohl noch niemand seinen Herzenswunsch geäußert; noch nicht einmal richtig angekommen. Endlich rührte sich der Angesprochene.

„Mir scheint, du meinst das sehr ernst mit der Seßhaftigkeit, Saradoc Fastred-Brandybock von Bockenburg“ sagte Fortinbras immer noch mit ernster Miene. Aber für einen kurzen Moment konnte er ein Lächeln nicht ganz verbergen. „Wisse aber, dass ich es jemandem, der dereinst des Amtes des Ersten Hauptmannes der Grenzwachen des Bocklands enthoben wurde aus gutem Grund nicht so einfach machen werde. Auch im Tukland mag es Zweifler geben. In alter Zeit hätte es drei Aufgaben gegeben: eine hätte die Verteidigung des Landes betroffen, bei der anderen wären Feinde zu vernichten gewesen und die dritte betrifft die Tugend der Bescheidenheit und Demut. Nun gut, was soll ich sagen? Von den Nordtuks hört man über dich nur Lob in den höchsten Tönen: über die Grenze ist während deiner Einsätze dort nicht ein einziger Feind gekommen und dazu hattest du sogar so einige große Anführer der Feinde vernichtet. Blieben also Bescheidenheit und Demut.“

„Vater, soll Saradoc alle seine Funktionen und Titel aufgeben?“ Esneralda blickte Fortinbras mit großen Augen an. „Was willst du von ihm noch verlangen?“

„Tochter, wir reden von Traditionen unserer Familie. Und ja, ich frage mich selber gerade, wie Saradoc dabei geprüft werden soll. Wobei: gefordert hatte das ja der Familienrat. Ich finde, da sollen sich doch mal diejenigen äußern, die seltsamerweise nur in solchen Angelegenheiten das Wort erheben. Bis dorthin heiße ich euch alle willkommen. Und ich freue mich, den wohl fähigsten Krieger, den unser Land in diesen Zeiten aufbieten kann demnächst zum Schwiegersohn zu haben!“

Fortinbras führte seine Gäste in die Festhalle, in der Feiern nur zu besonderen Anlässen abgehalten wurden. Dort bestand er darauf, dass Saradoc und Esmeralda sich noch in der gleichen Stunde verloben sollten. „Ihr sollt meinen Segen haben. Und ich will, dass alle, die sich in Groß-Smials oder in der Nähe aufhalten hier anwesend sind!“

Saradoc und Esmeralda hatten gerade einmal Zeit gehabt, ihre Reisemäntel abzulegen, und beide waren voll gerüstet! Rorimac konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen: allerdings sollten sich beide in den kommenden Tagen bei der Stadtwache nützlich machen. Und die nötige Ausrüstung im Gepäck zu transportieren brauchte ungleich mehr Platz als sie zu tragen.

Endlich waren alle versammelt, und Esmeralda und Saradoc gelobten sich Treue für ein Jahr und einen Tag oder bis zur Hochzeit, und sie legten ihre Hände ineinander. Dann legte Fortinbras ein weißes Band über ihre Hände, und Rorimac ein grünes, und die Verlobung war besiegelt.

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