Arda Fanfiction

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Vom Leben im Norden - Frieden und ein neues Zeitalter

von Ethelfara Ceorlred

Viele Erlebnisse

Einige Tage später war es dann soweit: auf der Oststraße näherten sich die Herren Tuk, Brandybock, Gamdschie und Beutlin der Brandyweinbrücke. Roderic eilte zu Saradoc und Sithric.

„Meine Herren, es ist soweit: die Vier Reisenden nähern sich dem Bockland. Noch sind sie in Stock, offenbar wollte Herr Peregrin unbedingt der Wiedereröffnung des Goldenen Barsch beiwohnen.“

Sithric konnte sich ein verhaltenes Lachen nicht verkneifen. „Natürlich konnte er das nicht: ich habe den Wirt dazu angestiftet, die vier zu einem ausgiebigen Mittagessen einzuladen, und nicht nur zu einem Eröffnungsbier.“

„Trotzdem: wir werden uns jetzt rüsten. Das gilt auch für dich, Roderic: ich will meinen jüngsten Hauptmann ebenfalls am Bocklandtor haben.“ Saradoc lachte. „Du sollst die Vier Reisenden und ganz besonders meinen Sohn am Tor empfangen. Ich werde dir alles Weitere nachher erklären.“

Roderic hatte seine Rüstung mit geübten Handgriffen angelegt, und nach wenigen Minuten war er voll gerüstet. Aber bei Saradoc und Sithric schien es Schwierigkeiten zu geben. Beide waren in Saradocs Gemach wohl noch dabei, ihre Rüstungen anzulegen – und Roderic konnte die beiden trotz geschlossener Tür laut und vernehmlich fluchen hören. Esmeralda und Asphodel schienen ebenfalls drinnen zu sein: die beiden kamen aus dem Lachen nicht mehr heraus.

„Die Herren, die Damen: ist alles in Ordnung?“

Einen Moment später steckte Asphodel den Kopf durch die Tür. „Ah, Roderic: dich schicken die Valar! Wir können gerade jede Unterstützung durch einen fachkundigen Krieger gebrauchen!“

Asphodel hatte Roderic rasch durch den Türspalt gezogen, und dann musste der junge Hauptmann ebenfalls lachen. Sowohl Saradoc als auch Sithric waren an dem Versuch, sich in ihre prächtigen, goldverzierten Rüstungen zu zwängen kläglich gescheitert – und jetzt steckten beide fest. Saradoc hing zur Hälfte in einem Kettenhemd, das deutlich zu wenig Umfang für den Herrn des Bocklands hatte und Sithric versuchte vergeblich, sich aus seinem ledernen Brustpanzer zu befreien. Seine Gemahlin hatte ihm den Brustpanzer mit einem kräftigen Ruck an den Riemen festgeschnallt, aber jetzt bekam sie die Schnallen nicht mehr auf. Sithrics Bauch leistete da erfolgreiche Gegenwehr.

„Einen Moment, Herr Saradoc“ lachte Roderic, dann griff er das lose (also das obere) Ende des Kettenhemds mit beiden Händen, und einen kräftigen Ruck später stand ein befreiter Saradoc vor seiner Ehefrau, die sich vor Lachen den Bauch hielt.

„Na ja gut“ meinte der Herr des Bocklands entschuldigend, „ich sollte das Ding wieder aufständern und in den Schrank stellen. Dann gibt es eben die normale Rüstung.“

„Und ich kümmere mich am besten um Herrn Sithric“ kicherte Roderic. „Frau Asphodel, wie ist das denn passiert?“ Sithric stand kerzengerade und mit einem reichlich gequälten Gesichtsausdruck mitten im Ankleidezimmer.

„Ich habe die Riemen der Körperrüstung lediglich festgezogen“ meinte eine ratlose Asphodel. „Ich verstehe es nicht: bei Sithrics normaler Rüstung klappt das doch auch? Aber die hier scheint viel zu klein zu sein und jetzt kriege ich diese blöden Dinger nicht mehr auf!“

„Tatsächlich.“ Roderic sah, dass die Riemen mit ihrem letzten Loch im Dorn der Schnallen steckten, und er konnte die Riemenenden kaum greifen. „Herr Sithric, mit Verlaub, das was eine reichlich dumme Idee! Selbst ich komme mit meinen Fingern da nicht richtig dran. Man müsste vielleicht… ja, das könnte klappen. Moment!“

Roderic eilte zur Tür hinaus, aber eine Minute später war er mit einer Biegezange wieder zurück. Die Backen einer Biegezange haben geriffelte Greifflächen, und damit erhoffte sich der Hobbit einen besseren Halt an den Riemenenden. Das Leder der Riemen rutschte tatsächlich nicht mehr davon, und mit einem Ruck hatte Roderic den Schnallendorn des ersten Riemens aus dem Riemenloch rutschen lassen. Dafür war der Brustpanzer noch enger an den Rückenpanzer gezogen worden, was Sithric mit einem deutlich hörbaren „Pffaua“ quittierte.

„So, Herr Sithric: noch fünfmal, dann habt Ihr es geschafft“meinte Roderic trocken, dann schritt er erneut zur Tat. Einige Momente später war der Erste Hauptmann der Grenzwache aus seiner mittlerweile viel zu kleinen Rüstung befreit.

„Wer hätte das denn gedacht“ brummte Sithric. „Na gut, dann eben die normale Rüstung. Und nachher brauche ich was, um diese Anstrengung angemessen zu verdauen.“

„Das ist vielleicht das Problem, Schatz.“

„Eher glaube ich, dass das Leder über die Jahre geschrumpft ist.“

„Ganz sicher, ja.“ Eine augenrollende Asphodel wurde vom Herrn des Bocklands unterbrochen, der jetzt voll gerüstet das Ankleidezimmer betrat. „So, meine Rüstung aus der Westfold steht wieder aufgeständert im Schrank.“ Saradoc blickte auf den Tisch, auf dem die Biegezange, diverse Rüstungsteile und die Körperrüstung mit Riemen, die deutliche Spuren von Roderics Hilfeleistung trugen, herumlagen. „Ich sehe, ihr hattet ebenfalls so eure Mühen? Nun, die Vier Reisenden dürften wohl so langsam vom Goldenen Barsch aufbrechen. Für uns wird es ebenfalls Zeit.“

Rasch hatte Sithric seine Rüstung angelegt (er wusste immerhin jetzt sehr genau, wo er demnächst blaue Flecken haben würde) und die fünf brachen zum Bocklandtor auf. Esmeralda und Asphodel waren ebenfalls gerüstet, aber die beiden mussten neidlos anerkennen, dass Roderic die wenigste Zeit dafür gebraucht hatte. Rasch hatten sie die Bocklandtorwache erreicht, und sie waren rechtzeitig angekommen. Die Vier Reisenden waren gerade aus dem Wirtshaus herausgetreten (das konnte die Turmwache gerade so erkennen) und sie würden noch eine gewisse Zeit brauchen.

Merry ritt voran, als sie die Brandyweinbrücke überquerten. Vor dem verschlossenen Bocklandtor wartete hoch zu Ross ein gerüsteter Krieger des Bocklands, der ihm nur allzu bekannt vorkam. Auf dem Laufgang über dem Tor standen zehn gut ausgerüstete Grenzer.

Mit einer Ponylänge Abstand blieb Merry vor Roderic stehen. Die anderen drei Reisenden warteten hinter dem Ritter von Rohan, und Roderic meinte, bei allen dreien ein mühsam unterdrücktes Grinsen zu sehen. Aber der Hauptmann der Krieger vom Bockland ließ sich nichts anmerken und bewahrte Haltung. „Willkommen, Herr Peregrin, Herr Frodo, Herr Samweis und nicht zu vergessen Herr Meriadoc! Seid uns auf das herzlichste im Bockland willkommen!“

Merry blickte sich suchend um. „Wie kommt das? Eigentlich erwartete ich ja, dass mein Vater uns im Bockland willkommen heißen würde. Das soll Eure Taten und Euren Wert keinesfalls herabwürdigen, edelster Hauptmann Roderic! Aber sollte nicht ein Vater seinen Sohn begrüßen?“

„Höchst geehrter Herr Meriadoc, Euer Vater hat seine Pflichten, wie Ihr wohl wissen dürftet. Aber wenn ich die Geräusche hinter mir richtig deute, dann dürfte er Euch sogleich höchstselbst willkommen heißen. Zunächst aber mögt Ihr eine Frage beantworten, die der Erste Hauptmann des Bocklands gestellt hat: Herr Meriadoc, Ihr mögt das Wappen auf Eurer Rüstung erklären!“

Merry richtete sich stolz auf. „Das ist das Wappen der königlichen Streitmacht von Rohan und des Hauses Éorl! Ich bin vom König von Rohan immerhin zum Ritter gemacht worden!“

Hinter Roderic wurde das Bocklandtor geöffnet, und Saradoc trieb sein Ross neben seinen Hauptmann. Der Herr des Bocklands musterte seinen leiblichen Sohn von oben bis unten. „Dass du mir aber auch alles nachmachen musst“ lachte er dann. „Aber sei mir willkommen zu Hause, Merry!“ Dann trieb er sein Ross neben Merrys Pony und schloß seinen Sohn in seine Arme. Dabei hob er Merry aus dem Sattel und setzte ihn vor sich. Roderic konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

„Der stolze Ritter von Rohan von seinem Vater aus dem Sattel gehoben“ lachte Pippin. „Und die Bemerkung von wegen dem Vater alles nachmachen, das dürfte Merry zu denken geben!“

„Vater und Sohn“ kicherte Frodo. „Na, lassen wir den beiden ihre Zeit. Immerhin hattest du deine genauso wie Sam die seine, Pip.“

„Ich darf Euch dennoch in das Bockland hereinbitten? Wir haben im Brandyschloss einen kleinen Willkommensimbiss vorbereitet, und nachher wird der Herr des Bocklands mit Sicherheit neugierig auf Eure Erlebnisse sein.“ Roderic machte eine einladende Handbewegung, und die drei nahmen die Einladung gerne an. Sithric begleitete sie derweil nach Bockenburg, und Roderic gab den Torwachen noch einige Anweisungen. Dann führte er Merrys Pony zum Brandyschloss.

Saradoc und Merry schienen sich tatsächlich alle Zeit gelassen zu haben, die Vater und Sohn für ihr Wiedersehen gebraucht hatten; jedenfalls waren die beiden die letzten, die im Brandyschloss eintrafen. Pippin, Frodo und Samweis saßen bereits zu Tisch, Roderic half Esmeralda beim Herbeibringen von Speis und Trank und Sithric und Asphodel waren noch im Stall. Merry und Saradoc grinsten vielsagend, aber dann rief der Herr des Bocklands alle zu Tisch.

„Ich habe euch alle zu dieser kleinen Runde zusammengerufen, um die Rückkehr meines Sohnes angemessen zu feiern. Gleichzeitig möchte ich die Rückkehr der Herren Frodo Beutlin, Samweis Gamdschie und Peregrin Tuk bekanntgeben, und natürlich heißen wir auch Euch willkommen!“

Der Herr des Bocklands erhob sein Glas, und die Anwesenden stießen auf die Vier Reisenden an. Diener brachten Tee und Kuchen, und Saradoc bestand darauf, dass die Reisenden wenigstens für einige Tage im Brandyschloss bleiben würden. „Es wird mit Sicherheit noch die eine oder andere Sache geben, die wir klären müssen“ hatte der Herr des Bocklands erklärt. „Wir werden heute Abend mit unseren Reiseberichten beginnen“ war Merrys Antwort darauf, „jeder von uns wird von seinem Weg berichten, denn es wird so manche Frage schon beantworten, ehe sie gestellt wird. Aber genauso wollen wir von euch wissen, was sich alles während unserer Abwesenheit in diesen Landen zugetragen hat.“ Dem hatten alle Anwesenden zugestimmt, und der Herr des Bocklands ließ sein Kaminzimmer bequem herrichten. Anschließend gab er bekannt, dass die Runde nur in wirklich dringenden Angelegenheiten (wie dem Abendessen) gestört werden durfte.

„So, hier sind wir“ sagte Saradoc und blickte in die Runde. „Nun, ich würde ja vorschlagen, dass du den Anfang machst, Frodo: was hatte sich nach eurer Abreise aus dem Bockland zugetragen?“

„Wir kamen an jenem frühen Septembermorgen ohne Probleme zum Kricklocher Tor“ begann Frodo. „Ich kann aber nicht behaupten, dass wir unbemerkt aufgebrochen wären. Dafür ist unser guter Roderic ein zu gerissener Kundschafter, aber er schaffte es, uns ungesehen von allen anderen aus dem Bockland zu bringen. Für eine Wegstunde sahen wir ihn immer wieder einmal durch das Unterholz im Alten Wald huschen, aber dann fanden wir sein Abschiedszeichen auf der Mitte des Pfads liegen, dem wir folgten: vier kleine Klappmesser, die Klingen ausgeklappt und geradeaus weisend. „Wir können also unseren Weg fortsetzen“ hatte Merry festgestellt, die Messer aufgehoben und jedem von uns eines gegeben. Und wir setzten unseren Weg durch den Alten Wald fort. Ach, hättest du uns noch länger begleiten können, Roderic, ich glaube, uns wäre so manches Ungemach erspart geblieben.“

„Herr Saradoc erwartete mich bereits, Herr Merry. Aber zu diesem Zeitpunkt war der Weg frei, und er sollte euch ohne große Umwege zur Oststraße führen. Ich war der Ansicht, dass ihr von diesem Zeitpunkt an eure Pfade selbst finden würdet.“

„Roderic hat recht“ warf Saradoc ein. „Die Waldläufer würden ab diesem Zeitpunkt ein Auge auf euch haben – oder zumindest hatten wir das so vereinbart. Nun, ich fürchte, dass einige Dinge anders gekommen waren als geplant, und da mag das Schicksal für uns alle etwas anderes vorgesehen gehabt haben.“

„Das war ja auch Streichers Bemerkung zu diesem Thema“ meinte Samweis. „Aber ich fürchte, wir greifen zu weit voraus. Zunächst kam ja noch der Alte Wald. Und dann waren da noch die Hügelgräberhöhen, die es zu überwinden galt.“ Sam schauderte.

Die Vier Reisenden berichteten abwechselnd von ihrer Wanderung nach Bree, wie sie Aragorn getroffen hatten (bei der Bezeichnung „Streicher“ musste Saradoc kichern) und vom Angriff der Nazgûl auf das Gasthaus. Aragorn hatte sie dann auf verborgenen Pfaden durch die hauslose Wildnis von Eriador geführt, um sie ungesehen und hoffentlich unbemerkt von Feinden nach Bruchtal zu bringen. Aber auf der Wetterspitze wurden sie wiederum von diesen Nazgûl angegriffen, und Frodo wurde verwundet. Saradoc schauderte bei dem Gedanken, auf dem Rund, auf dem er in seiner Jugend eine Zeitlang Wache gehalten hatte (damals, als selbst Aragorn noch jung war) von solchen Unholden angegriffen zu werden; und dann mitten durch die Trollhöhen und nicht auf der Straße nach Bruchtal zu flüchten war keine bessere Sache in seinen Augen. Aber dann kam Glorfindel der Gruppe zu Hilfe, und ihnen gelang die Flucht ins sichere Bruchtal.

Lange berichteten die Vier Reisenden von ihren Abenteuern, und sie sind an anderer Stelle sehr umfangreich niedergeschrieben worden (im Roten Buch der Westmark), und Gefährten kamen zur Gruppe dazu und trennten sich wieder. Als Frodo von der Ankunft am Parth Galen und dem Zerfall des Bundes berichtet hatte, hob Saradoc die Hand.

„Ich finde, wir sollten uns eine kleine Pause gönnen: die Diener sollen das Abendessen hier herbringen, finde ich. Und wir sollten uns im Anschluss den weiteren Berichten widmen.“

Die Idee des Herrn vom Bockland fand allgemeine Zustimmung, und so wurde die nächste halbe Stunde vor allem mit Essen und Trinken zugebracht. Aber dann setzte Frodo seinen Bericht fort, wie er mit Samweis sich von der Gruppe trennte, um sich Mordor zuzuwenden – und der Erfüllung der Aufgabe. Nach einer Stunde endeten die beiden, als Samweis auf den Hängen des Schicksalsberges Frodos stark blutende Hand hielt, die Aufgabe war erfüllt, aber die beiden konnten sich anschließend an nichts mehr erinnern.

„Ich glaube, jetzt sollten ich und Merry von unserem Weg berichten“ meinte Pippin anschließend. „Es wird für einige hier eine interessante Sache werden, glaube ich“ meinte er noch, und anschließend wurden die Zuhörer Zeuge ihrer Gefangennahme durch Uruks aus Isengart, die vor allem einem einzigen Befehl folgten. „Sie sollten Hobbits gefangennehmen, um jeden Preis lebend, aber die anderen um jeden Preis töten“ sagte Pippin. „Und sie nannten sich Uruk-hai, sie nannten Saruman als ihren Anführer, und diese Orks rannten bei Tag und bei Nacht gleichermaßen, ohne jede Einschränkung. Und es war genau das, was uns nicht nach Mordor brachte, sondern in einer irrsinnigen Geschwindigkeit einmal quer durch Rohan. Denn auch Sauron hatte seine Orks, die uns zu – Ihm bringen sollten.“ Pippin erbleichte noch immer bei dem Gedanken daran, und Merry fuhr mit dem Bericht fort. „Saurons Orks blieben im strahlenden Sonnenlicht des Wold erwartungsgemäß zurück, und sie waren als erste von den Rohirrim niedergemacht worden. Aber die Uruk-hai stachelten sich gegenseitig an, und sie rannten immer schneller, genau auf den Rand des Fangornwaldes zu. Und genau dort konnten die Rohirrim sie gerade rechtzeitig stellen.“ Merry berichtete vom Kampf in der Nacht, ihrer Flucht in den Fangornwald und welche Rolle ein überlebender Anführer der Orks aus Mordor dabei gespielt hatte. Und so waren sie plötzlich mitten in einem Wald, den Merry als noch unheimlicher als den Alten Wald bezeichnete; aber dort wurde ihnen unerwartete Hilfe zuteil. „Wir trafen einen Ent, einen Baumhirten. Baumbart brachte uns zu einer seiner Hallen, und wir erzählten ihm alles von unserer Fahrt. Und alles, was wir über Saruman und die Uruk-hai berichteten, versetzte ihn in Wut. Die Weisen sagen, dass es wohl sehr lange dauere, einen Ent in Wut zu versetzen und dass die Ereignisse dazu sehr aufrüttelnd sein müssten, aber ich bin mir sicher, dass es genau das war. Und wir wurden zu einer Sache mitgenommen, die es wohl nur selten geben soll. Einem Entthing.“

Sithric hörte dem Bericht mit leuchtenden Augen zu. „Also gibt es Ents wirklich! Ich kann mich noch dunkel daran erinnern, dass mir meine Großmutter dann und wann Geschichten über die Baumhirten des Fangorn erzählte. Aber in der Westfold taten wir sie als Märchen ab. Und jetzt berichtet ihr über sie – als Kriegsteilnehmer und als wertvollere Verbündete, als es Saruman jemals gewesen sein könnte!“

„Genau so ist es, Sithric“ sagte Merry. „Die aufgerüttelten Ents zogen tatsächlich nach Isengart, und da lag es vor uns: die Mauern dick, waffenstarrend, uneinnehmbar, schien es. Und wir sahen, wie Saruman seine große Armee ausschickte. Isengart war quasi leer. Aber dann griffen die Ents an, und binnen weniger Augenblicke waren die Mauern lediglich lockere Erdhaufen. Es war, als ob man das Wirken eines Waldes, das normalerweise ganze Zeitalter dauern mag auf einmal binnen Minuten beobachten könnte. Beängstigend für die Feinde. Für uns vor allem faszinierend. Und Saruman lachte nicht mehr, vielmehr flüchtete er in seinen Turm. Der scheint aus einem ganz anderen Material wie die Mauern zu bestehen, jedenfalls konnten die Ents ihm nichts anhaben. Aber sie leiteten die Wasser des Isen in das Festungsrund von Isengart, und jetzt ist es ein See. Und Saruman saß drinnen und konnte nicht hinaus. Und am folgenden Tag erfuhren wir davon, dass Sarumans glorreiches Heer eine verheerende Niederlage vor Helms Klamm erlitten hatte.“

„Also hat die Festung des alten Herebrand diesen Angriff überstanden?“ fragte Saradoc.

„Das hat sie, Vater, aber die Feinde hatten heftige Zerstörungen dort angerichtet, und sie sind sogar durch den Klammwall gebrochen. Aber dennoch: sie hielt stand, nicht zuletzt wegen der Unterstützung, die Baumbart schickte. Es war eine riesige Armee von Huorns, niederen Ents, die ins Klammtal zog und die Uruk-hai vernichtete. Im Tal gibt es jetzt einen großen Hügel, die Todeskuppe, und auf ihm wächst nichts. Aber die gefallenen Rohirrim fanden ihre letzte Ruhe in einem eigenen Hügelgrab, und dort wächst das Gras hoch und die Blumen zahlreich.

Aber ich glaube, ich eile den Ereignissen zu weit voraus. An jenem Tag, als Isengart niedergeworfen war ritten Gandalf, König Théoden und die fehlenden Mitglieder unserer Gruppe an der Spitze von Kriegern nach Isengart. Baumbart hatte uns beide die Torwacht übernehmen lassen, und so konnten wir sie endlich willkommen heißen.“

„Ich weiß noch genau, wie überrascht die Krieger und vor allem die hohen Herren uns ansahen“ lachte Pippin. „Aber wir waren wieder vereint – für eine allzu kurze Zeit.“ Pippin berichtete im Anschluss vom palantir und wie er Saurons Auge darin gesehen hatte. Aber nach weiteren Ereignissen war Gandalf mit ihm wie der Wind nach Gondor geeilt.

„Und ich blieb zurück“ sagte Merry. „Alleine, ratlos, denn Aragorn, Legolas und Gimli waren vor allem beim Heer der Rohirrim zugange. Aber ich fühlte plötzlich eine Hand auf meiner Schulter, und ich wurde angesprochen. „Mein König kennt Euch nicht“ sagte die Wache, und er brachte mich vor König Théoden. Der blickte mich mit einem sehr wissenden Blick an. Beinahe hätte ich mich schon unwohl gefühlt, aber dann lächelte er. „Man sagt, du seiest der Sohn eines gewissen Saradoc Brandybock?“ fragte er, und ich glaube, ich habe vor Staunen erst einmal den Mund kaum zubekommen. „Ja, Herr. Meriadoc Brandybock nennt man mich, oder einfach Merry. Aber woher…“ Weiter kam ich nicht. Neben dem König stand ja der Krieger, der mich geholt hatte, und er lachte. „Der Siegelring, Junge“ lachte er. „Ich hatte ihn dereinst deinem Vater zu seiner Hochzeit schicken lassen. Und ich habe einen Eid geschworen: wer meinen Siegelring trägt und in Not ist, der soll sich der Hilfe von mir oder meinen Nachfahren gewiss sein. Immerhin wäre ich ohne die Hilfe von Saradoc dem Waldläufer nicht hier.“ Es ist Elfmar, der Greve von Feldheim.“

„Elfmar!“ riefen Saradoc und Sithric wie aus einem Mund.

„Genau der“ grinste Merry. „Ich soll euch beiden auf das Herzlichste von ihm grüßen – und von König Théoden. Vater, dein Leben wäre mit seinem verwoben gewesen?“

„Das sollte eine Erzählung sein, die wir uns für schönere Tage aufheben“ erwiderte Saradoc. „Aber wir hatten einst Seite an Seite gefochten, das ist wahr.“

„König Théoden ist im Krieg gefallen“ sagte Merry traurig. „Aber er hat Rohan erneut zum Sieg geführt, und zu größerem Ruhm als man es sich in früheren Tagen jemals vorstellen konnte. Nun, davon berichten wir später. Ich fand mich jedenfalls inmitten eines rohirrischen Heeres, und es war König Théoden, der mich nachher sogar in seine Dienste nahm. Ich glaube, das wurde vom Sohn des Saradoc auch so erwartet, und irgendwie war da keiner wirklich darüber erstaunt. Es war für die Rohirrim scheinbar eine normale Angelegenheit, dass ein Hobbit in ihre Dienste tritt.“

„Ganz anders war es für mich in Gondor!“ rief Pippin. „Schon ab dem allerersten Tag in Minas Tirith wurde von mir erwartet, dass ich den Kriegern wie ein vollwertig ausgebildeter Kämpfer dienen könnte. Und ich war für die Bevölkerung der vielbestaunte ernil i periannath, der Fürst der Halblinge, der dem amtierenden Truchsessen lehnspflichtig geworden war. Aber ich fand mich binnen weniger Stunden inmitten der Vorbereitungen zur wohl größten Schlacht des gesamten Krieges wieder, denn die gesamte Stadt wurde auf einen heftigen Angriff von Saurons Streitmacht vorbereitet.“

„Auch wir in Rohan bereiteten uns vor, und in Helms Klamm rasteten wir nur für eine Nacht. Der König rief weitere Truppen zusammen, und ich wurde mit Elfmar in die Waffenkammern geschickt. Dort fanden wir noch einige Ausrüstung, die mir passte und halbwegs brauchbar war, aber mehr als einen alten Helm, einen Waffengürtel und einen leichten Lederwams konnten wir nicht finden. „In Edoras werden wir die Waffenkammer gehörig auf den Kopf stellen“ hatte Elfmar daraufhin gesagt, und genau das hatten wir dann mit der Erlaubnis des Königs in der gebotenen Eile dann auch getan. Uns blieben nur wenige Stunden, aber immerhin hatte ich einen neuen, prima passenden Helm, eine gut gearbeitete Lederrüstung und sogar einen Schild und ein Kampfmesser bekommen. Allerdings konnten die Waffenmeister kein passendes Kettenhemd finden, aber ich war mit der Ausrüstung sehr zufrieden: nicht zu schwer und trotzdem bot sie einen guten Schutz. Und so ritten wir nach Dunharg, wo der König die Heerschau angesetzt hatte.“

„Dunharg?“ wunderte sich Saradoc. „Wenn es doch nach Gondor gehen sollte, warum dann nicht gleich in Edoras? Dunharg hatte doch sicher viel Zeit gekostet.“

„Das hat es, aber der Feind hatte schreckliche Späher: Nazgûl, die auf geflügelten Wesen flogen. Einer von ihnen hatte sein Wesen sogar auf dem Dach der Goldenen Halle von Edoras landen lassen, und wir verlegten daraufhin die Heerschau nach Dunharg. Dort wurde nichts von diesen Wesen gesehen; offenbar fürchteten sie die kräftigen Winde des Gebirges.

In Dunharg wollte König Théoden mich zurücklassen, denn ich war dem Heer mit meinem Pony zu langsam.“ Merry lachte. „Aber die Nichte des Königs, Frau Éowyn packte mich und hob mich auf ihr Pferd, und sie meinte, niemand sollte in diesen Zeiten einen Krieger ablehnen, der mit dem König reiten wollte. Frau Éowyn, die Schwester von Herrn Éomer, Éomunds Sohn sage ich, aber sie stellte sich mir als Dernhelm vor. Sie gedachte, sich als Mann zu tarnen, auf dass niemandem im Heer ihr Ritt auffallen sollte. Ich hatte ihre Tarnung zwar rasch durchschaut (und zwar bei der ersten Rast des Heeres) aber ich sagte zunächst nichts. Nun ja, so eilten wir nach Mundburg, Minas Tirith in der Gemeinsamen Sprache.“

„Und ihr wart keine Minute zu früh!“ Pippin holte tief Luft. „Die Belagerung währte nur kurz, aber sie war grausam.“ Er berichtete von den verschiedenen Listen des Feindes, von den abgeschlagenen Köpfen gondorischer Krieger als Geschossen bis zu den fliegenden Nazgûl. Und dann setzte der Feind seine große Ramme ein, Grond. In all diesem Chaos rannte Pippin von einem Ende der Stadt zum anderen, viele Taten vollbringend, aber dennoch nutzlos, erschien es in der Dunkelheit, in die Sauron ganz Gondor gehüllt hatte. „Wir kannten keine Tage und keine Nächte mehr, keine Sonne, keine Sterne, nur Dunkelheit und das spärliche Licht der Fackeln. Denn der Truchsess hatte befohlen, dass außer den nötigstem Licht alles andere aus bleiben solle, um diesen fliegenden Unholden nicht mehr Anhaltspunkte als nötig zu geben. Und da saß Truchsess Denethor, über wirren Nachrichten brütend, seinen sterbenden Sohn betrauernd, den verderbte Magie des Feindes niedergeworfen hatte. Und Gandalf hatte derweil die Führung über die Verteidigung der Stadt übernommen.“ Dann sprach Pippin über den Wahnsinn, den er in Denethors Augen wachsen sah, seine Entscheidung, seinen letzten noch verbliebenen Sohn lebendig zu verbrennen – und Pippins Suche nach Gandalf, auf dass dieser dem ein Ende setzte. „Und ich fand ihn, am Stadttor, den Feind erwartend. Grond hatte sein Werk fast vollbracht. Und dann kam er. Der Hexenkönig“ flüsterte Pippin. „Gandalf hielt ihn auf, aber seine Gegenwehr schien aussichtlos. Doch plötzlich krähte irgendwo ein Hahn und begrüßte den neuen Tag, auch wenn es kein Tag zu werden schien. Und zur Antwort kamen – Hörner. Hörner.“ Pippin schwieg, und Tränen rannen über seine Wangen.

„Schließlich hatte das Heer der Rohirrim den Pelennor erreicht, die großen Stadtlande.“ Merry richtete sich in seinem Sessel auf, so als ob er wieder vor Frau Éowyn sitzen würde und sich auf den unmittelbar kommenden Kampf vorbereiten würde. „Sechstausend Reiter waren wir. Und König Théoden rief uns zum Angriff. Zur Antwort bliesen sie ihre großen Kriegshörner, der Ruf zum Angriff war bis zur belagerten Stadt zu hören, und die Belagerer gerieten in Unordnung. Damit hatte der Hexenkönig nicht gerechnet“ lachte Merry. „Und wir stürmten los, König Théoden vorneweg, und wir fielen über Orks und Ostlinge herein wie die Sense durch das reife Korn fährt, und die Sonne ging auf. Die Dunkelheit wich vor uns zurück! Der König erschlug den Fürsten der Südländer, aber da griff der Hexenkönig ihn an. Er erschlug Schneemähne, sein Ross, und er wollte König Théoden ebenfalls erschlagen. Aber da erhob sie sich: Éowyn, und sie lachte. Der Hexenkönig hatte sie geschmäht; kein Mann könne ihn erschlagen und noch mehr wirres Zeug. Aber sie nahm ihren Helm ab, und da sah dieser Unholdfürst sie: eine Frau! Er schien zu zweifeln, aber dann griff er doch an und zerschmetterte ihren Schild und ihren Schildarm. Ich führte mit meinem Schwert, das ich aus dem Hügelgräberhöhen hatte einen Streich gegen ihn, aber dann kann ich mich nur noch an Schmerz und Angst erinnern, ansonsten weiß ich von der Schlacht nichts mehr.“

Pippin berichtete anschließend noch von Aragorns unerwarteter Ankunft auf dem Schlachtfeld – als Anführer eines Heeres von Toten und der Niederwerfung der Feinde. Anschließend ritten die Krieger von Gondor und Rohan erneut aus, um Saurons Streitmacht direkt vor dem Schwarzen Tor von Mordor herauszufordern und damit den Dunklen Herrscher von seinem eigenen Land abzulenken. Die Zerstörung des Ringes kam gerade rechtzeitig, das Land des Schattens verging und der Feind war endgültig besiegt. „Aber auch ich kann mich an diese letzten Momente nicht mehr erinnern“ sagte Pippin. „Ich kämpfte gegen einen Troll, und ich erinnere mich noch daran, einen Streich gegen diesen Feind geführt zu haben. Aber dann wurde alles dunkel. Als ich wieder erwachte, beugten sich Aragorn, Legolas und Gimli über mich. Ich war wohl über Tage ohne Bewusstsein, aber wir hatten gesiegt. Und ihr wart in Sicherheit, Frodo und Sam!“

Frodo rührte sich. „Ja, auch ich lag in Dunkelheit. Und es war der König, der mich aus dieser Vergessenheit in Licht und Leben zurückrief.“ Nachdenklich blickte er zu Sam. „Samweis lag noch neben mir, weich gebettet, schlafend. Aragorn meinte, ich solle mir keine Sorgen machen: du wärst bei Weitem nicht so schlimm getroffen gewesen wie ich. Na, und noch am gleichen Tag wurden wir beide dann hellwach und putzmunter zur Siegesfeier auf dem Feld von Cormallen gebracht.“

Frodo berichtete dann vom Zusammentreffen der acht verbliebenen Gefährten, der Siegesfeier und dem Einzug und der Krönung des Hohen Königs in Minas Tirith. „Ja, Aragorn, der in direkter Linie von Elendil abstammt ist jetzt der König, der zurückgekehrt ist. Die Linie der Könige von Über dem Meer ist wieder in Amt und Würden.“

„Und Éomer ist jetzt König von Rohan“ ergänzte Merry. „Er läßt dir im Namen der vergangenen Könige von Rohan seine besten Grüße ausrichten, Vater! Übrigens hatte er dich dabei nicht vergessen, Sithric. Er meinte, du sollst weiterhin im Dienst derjenigen stehen, in deren Familie du aufgenommen wurdest, darüber aber nicht deine Herkunft vergessen.“

„Das werde ich keinesfalls, Merry!“ rief Sithric, dann lachte er. „Wie könnte ich? Erinnerte mich bislang doch der Heerführer der Westfold jeden Tag daran, und dieser Ritter der Eorlingas wird sich daran mit Sicherheit beteiligen!“

„Der Heerführer der Westfold“ sagte Merry nachdenklich. „Ich wurde ein paar Mal darauf agnesprochen, aber so richtig hat mir das keiner erklärt, in der Eile, in der wir alle waren, und nachher wurde es schlichtweg vergessen. Was hat es denn damit auf sich?“

„Komm mit“ grinste Saradoc. Er erhob sich, und Merry folgte ihm ins Ankleidezimmer.

„Ich glaub, Schattenfell tritt mir gerade kräftig in den Hintern“ meinte ein staunender Merry, als Saradoc den ganz bestimmten Schrank öffnete. Darin stand fein säuberlich aufgeständert die Rüstung eines Hauptmannes der Westfold, in Hobbitgröße. „Das ist es also! Du warst es, der die Orks durch das Weiße Gebirge getrieben hatte, Herr Fastred!“

„Ich hatte dir davon doch erzählt“ meinte Saradoc mit einer Unschuldsmiene. „Ich glaube, ich hatte lediglich vergessen, dir zu sagen, dass das in Rohan war.“

„Na ja, jetzt weiß ich es“ lachte Merry. „Vor allem die Anspielungen König Théodens verstehe ich jetzt erst so richtig: „komm, lass uns Orks jagen“ und so weiter. Aber in der Westfold wurde ich gleich von meinem ersten Tag an mit dem höchsten Respekt behandelt, und das hat mich ein Stückchen weit gewundert. Dafür hatte Herr Elfmar mir in der gegebenen Eile von einigen Gegebenheiten berichtet, aber auch nicht mehr. Und jeder erwartete förmlich von mir, dass ich in die Dienste des Königs trete; ich fürchte nur, sie werden mich wohl alsbald in Rohan zurück erwarten: zu einer ordentlichen Ausbildung (wie es König Éomer sagte).“

Die Anwesenden lachten, als Merry mit immer noch reichlich überraschtem Gesicht und Saradoc mit betont unbeteiligtem Gesicht ins Kaminzimmer zurückkamen. Natürlich hatte Sithric derweil eine kurze Zusammenfassung von Saradocs Taten in der Westfold zum Besten gegeben.

„So, wir haben also wieder einen König, und in der Familie der Brandybocks von Bockenburg sollten alle jetzt auf dem gleichen Wissensstand sein“ sagte Pippin schließlich. „Und nun meine ich, wir vier haben genug erzählt. Jetzt seid ihr an der Reihe.“

„Ja, genau“ pflichtete Merry bei. „Nicht nur ich war ja reichlich geschockt, als wir auf unserem Heimweg von unserem guten Hauptmann Roderic Bolger auf dem Weg zur Brandyweinbrücke aufgehalten wurden – in Waffen. Gut, so wie wir, ja, aber die Brücke versperrt zu wissen war keine gute Nachricht. Ich für meinen Teil kann mir ja fast schon denken, wieso es soweit gekommen war, aber ich würde die Geschichte lieber aus erster Hand erfahren anstatt daran herumzuspekulieren. Und dann will ich wissen, wie der kleine Roderic es zum Hauptmann gebracht hat.“

„Dennoch werden wir es euch von Anfang an berichten“ erwiderte Saradoc. „Und von Anfang an heißt übrigens noch vor deinem Aufbruch, Frodo.“ Der Herr vom Bockland berichtete von Lothos ersten Versuchen, Besitz im Bockland und dem Stockbruch zu erwerben (damals war er noch am fehlenden Geld gescheitert) und wie die Kundschafter über immer mehr unfreundliche Augen berichteten, die rings um das Auenland zusammengezogen wurden. Dann, nach dem Aufbruch, war Lotho reichlich frech im Bockland aufgetreten; immerhin hatte er nicht weniger als die komplette Übergabe des gesamten Bocklands und des Stockbruchs an ihn gefordert. Zeitgleich kamen die ersten Flüchtlinge aus dem Südviertel in Weidegrund an: verstörte Hobbits, die von grobschlächtigen Menschen ohne jeden Grund aus ihrem Besitz vertrieben worden waren.

Saradoc hatte bis weit nach Mitternacht von den Ereignissen im Auenland berichtet, dann und wann ergänzt von Sithric und Roderic. Pippin seufzte, als der Herr vom Bockland seinen Bericht beendet hatte.

„Gandalf hatte eine Andeutung gemacht, als wir diesen Saruman und seinen Begleiter in der Wildnis überholt hatten. „Er mag noch Unheil anrichten, auf eine kleine, gemeine Weise“, das waren seine Worte. Nur sehe ich es nicht als eine kleine, gemeine Weise, wenn seine Leute so grausam im Land gewütet haben wie sie es taten. Ihr alle hattet eine üble Zeit, das soll keiner den Hobbits so schnell abspenstig machen.“

„Das ist ganz sicher so, Pip“ sagte Merry. „Und wenn ich vom kleinen Roderic spreche, dann meine ich deine Körpergröße und nichts anderes, Junge! Du meine Güte, mit neunzehn hatte ich meinen ersten Reit- und Fechtunterricht und war nicht schon Hauptmann. König Éomer will mich nochmal zur Ausbildung nach Rohan holen? Ich sollte dich dabei mitnehmen, Roderic!“

„Wie es sich anfühlt, seine Eltern zu verlieren, die ums Leben kamen, das habe ich leidvoll erfahren“ sagte Frodo. „Aber zu wissen, dass der eigene Vater ein Verräter ist, der sogar den eigenen Sohn über die Klinge springen lassen würde? Ich wüßte nicht, ob ich das ertragen könnte.“

„Ich werde das Zeit meines Lebens ertragen müssen, Herr Frodo“ erwiderte Roderic. „Ich bin nun mal Amharics Sohn, ob ich das will oder nicht. Aber wenigstens schaut mich hier im Bockland niemand deswegen schief an. Im Stockbruch oder gar dem Kernland ist das aber ganz anders! Selbst in Buckelstadt gab es die eine oder andere bösartige Bemerkung dazu, und nur die strengen Worte des Thains sorgten für eine brüchige Ruhe. Aber dieser Verräter ist wohl noch am Leben, wenn ich das richtig verstanden habe, und dann soll er noch lange im Kerker dafür schmoren! Er hat in Stock viele gute Grenzer und Landwächter an Lothos Schergen verraten, und nicht alle sind noch am Leben. Deren Blut wird auf immer an Amharics Händen kleben.“

„Das ist wohl wahr, Roderic“ sagte Saradoc. „Und ja, er sitzt noch immer im Kerker. Aber die Verwundung, die du ihm mit deinem Meisterschuss über den Brandywein beigebracht hattest wird sein Leben auf immer und ewig beeinträchtigen. Er ist jetzt ein Krüppel, der noch nicht einmal mehr für sich selbst sorgen kann. Manche finden, er sollte nicht in Gefangenschaft bleiben. Aber dann denke ich an die Leben, die er durch seinen Verrat ausgelöscht hat. Nein, vorerst wird er bleiben wo er ist.“

„Jedes einzelne Mal, wenn ich durch Neuburg oder durch Stock gehe und ich die flehenden Gesichter der Mütter und Kinder der ermordeten Grenzer sehe, die nicht wissen, wie sie durch den kommenden Winter kommen sollen und daran verzweifeln; jedes einzelne Mal sehe ich diesen Verräter vor mir, den ich nicht mehr meinen Vater nennen will, und er soll froh und dankbar dafür sein, dass der Herr des Bocklands ihn im Kerker belässt. Würde er vor mir stehen, ich würde nur noch dieses eine Gesicht vor mir sehen. Dieses verachtende, hämische Gesicht, das ich in Stock von ihm zu sehen bekam, als er mir offen mit dem Tod drohte. Sollte also dieses verachtende, hämische Gesicht nochmal in die Reichweite meines Bogens oder meines Schwertes oder auch nur meiner Faust geraten, ich kann und werde dann für nichts mehr garantieren.“ Roderics Gesicht war gleichermaßen vor Wut und vor Schmerz verzerrt, und Merry blickte ihn erschrocken an.

„Es muss schwer gewesen sein, so etwas durchmachen zu müssen. Es muss geradezu unerträglich sein, dann noch nicht einmal in Wasserau oder Buckelstadt so wirklich willkommen zu sein.“

„Das ist es, Herr Pippin. Aber noch schwerer war es in den vergangenen Tagen, den Witwen die traurige Botschaft zu überbringen. Die Verzweiflung zu sehen, wie sie zusammenbrechen und jeglichen Lebensmut verlieren. Nur ein gefühlsloser Narr sagt jetzt, dass man das wohl aber habe kommen sehen müssen. Nein, muss man nicht! Na ja, mit solchen Leuten überhaupt noch diskutieren zu wollen, ich sehe das ohnehin als zwecklos an. Es gibt genug wirklich wichtige Dinge auf dieser Welt, die angegangen werden müssen, als dass ich meine Energie für solche Diskussionen zu vergeuden. Noch sind längst nicht alle Räuber und Halborks aus dem Auenland vertrieben, und wir sollten die Sache erst dann als ausgestanden bezeichnen, wenn die letzten Schurken aus dem Land geworfen wurden – oder vernichtet sind. Erst dann will ich über irgendwelche Nebensächlichkeiten nachdenken.“

„Wohl gesprochen, Roderic! Gehe ich recht in der Annahme, dass du damit dein Können in unsere Sache, eben diese Feinde ein für allemal unschädlich zu machen zur Verfügung stellen wirst?“

„Ich stehe dafür gerne zur Verfügung, Herr Merry!“

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