Arda Fanfiction

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Der Fluch des Palantírs

von Celebne

Minas Tirith

Denethor erwachte mit Kopfschmerzen an diesem Morgen. Die helle Morgensonne blendete ihn richtig und stöhnend schloß er wieder die Augen. Er versuchte sich daran zu erinnern, was in der letzten Nacht geschehen war. Wieder einmal hatte er in den Palantír geblickt, um sich mit Sauron zu messen. Er wollte dem dunklen Herrscher zeigen, dass es jemanden gab, der ihm Widerstand leistete. Doch dieses Kräftemessen zehrte immer mehr an seinen körperlichen und mittlerweile auch geistigen Kräften. Er fühlte sich ausgelaugt und erschöpft. Mühsam erhob er sich und blickte in den kleinen Spiegel, der an der Wand seines Schlafgemaches hing. Ihm blickte ein alter Mann entgegen, dabei war er erst 82 Jahre alt. Das war noch kein hohes Alter für einen fast reinblütigen Númenorer. Denethor fuhr sich über seine müden, grauen Augen, die ganz tief  in den Höhlen lagen. Er wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, wann er den Kampf mit Sauron verlieren würde. Aber noch war er nicht bereit, aufzugeben.

Nachdem er nur etwas Milch und weißes Brot zu sich genommen hatte,  verließ er das Haus der Truchsessen und ging hinüber in die Zitadelle, um seine Amtsgeschäfte anzutreten. Doch heute war er  nicht ganz so konzentriert wie sonst bei der Sache: er hatte gehört, dass seine beiden Söhne ihre Feldzüge siegreich beendet hatten und sich nun auf dem Rückweg nach Minas Tirith befanden. Er freute sich schon auf ihre Ankunft  und er hatte beschlossen, ein großes Fest zu veranstalten, wenn sie zurückgekehrt waren.

Als er den Klang der Trompeten hörte, hob er sein grauhaariges Haupt und lächelte: die Söhne Gondors waren zurück! Er legte seine Feder hin und rollte das Dokument, welches er bearbeitet hatte, zusammen. Dann verließ er seine Amtsstube: er wollte seine Söhne im großen Saal der Zitadelle empfangen, so wie es sich gehörte. Er durchschritt rasch den Saal und ließ sich auf dem schwarzen Stuhl unterhalb des Königthrones nieder. Dort wartete er geduldig, bis sich das große Portal am Ende des Saales öffnete.

Beide traten gleichzeitig ein: Boromir in seinem pelzbesetzten, edlen Gewand, unter welchem er stets ein Kettenhemd trug und Faramir in der grünen Tracht der Waldläufer. Stolz blickte Denethor auf seine Söhne, die sich so ähnlich sahen mit dem schulterlangen, schwarzem Haar und den gutgeschnittenen, edlen Gesichtszügen, und doch so unterschiedlich im Wesen waren. Boromir, der stolze, bisweilen etwas hochmütige Krieger und Faramir, der nachdenkliche, ruhige junge Mann, der das Studieren der alten Schriften dem Kriegsruhm vorzog.
"Seid gegrüßt, Mylord!" riefen die zwei jungen Männer gleichzeitig.
"Seid gegrüßt, Ihr Feldhauptmänner Gondors," erwiderte Denethor lächelnd.
Endlich erhob er sich und lief seinen Söhnen mit ausgebreiteten Armen entgegen.

Natürlich umarmte er zuerst Boromir, seinen Lieblingssohn. Aber er vergaß auch Faramir nicht. Mit seinem jüngeren Sohn hatte er öfters Meinungsverschiedenheiten, weil dieser den Krieg verachtete und nicht nach Ruhm aus war wie sein älterer Bruder. Doch jetzt wollte Denethor diese Zwistigkeiten erst einmal begraben, weil er so froh war, seine Söhne  gesund und erfolgreich wieder zu sehen. Nachdem er Faramir umarmt hatte, wollte er wissen, was sich genau auf den Feldzügen ereignet hatte und jeder der beiden Söhne musste ihm einen genauen Bericht erstatten.
Boromir erzählte seinem Vater begeistert, wie viele Orks und Ostlinge er erschlagen hatte, darunter sogar einen Ork-Häuptling und seine Wangen glühten dabei. Faramir dagegen erwähnte den Verlust seiner Männer und wie gefährlich es gewesen war, die Wälder Ithiliens von den Ork-Banden zu reinigen.
Als Denethor Faramirs düsteren Bericht hörte, wurde er sehr nachdenklich. Sauron war also tatsächlich so stark, wie er sich ihm im Palantír kürzlich gezeigt hatte.

"Ihr habt sehr tapfer gekämpft, meine Söhne," sagte er auf Sindarin, denn dies war die Sprache, die im Hause der Truchsessen gepflegt wurde.
Im gemeinen Westron unterhielt man sich mit den anderen Menschen Gondors oder mit den Ausländern aus Nord und Süd. Doch Faramir hatte seinen Waldläufern auch Sindarin beigebracht und unterhielt sich mit ihnen nur in dieser Sprache. Die Orks verstanden kein Elbisch und so konnten die Waldläufer niemals belauscht werden. Denethor hatte diese eigenwillige Handlungsweise seines Zweitgeborenen zunächst nicht gebilligt, denn Sindarin war die Sprache der Edelleute Gondors und nicht die der Soldaten, aber dann hatte er auch den Sinn und Zweck dieser Sache eingesehen.
"Ihr dürft euch jetzt erst einmal ausruhen," sagte der Truchseß schließlich. "Wir werden uns zu einem kleinen Fest heute Abend wieder sehen."

Faramir und Boromir verneigten sich und verließen sodann den großen Saal. Sie gingen in das Haus der Truchsessen und ließen sich ein Bad vorbereiten. Als sie beide im großen Waschraum, jeweils in einem Waschzuber mit warmen Wasser saßen, fing Boromir an mit seinem Bruder weitere Pläne zu besprechen.
"Was hältst du davon, wenn wir nach dem Bad eine Taverne in der Stadt besuchen?"
"Ich weiß nicht," meinte Faramir zögernd und schüttelte die nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht. "Ich wollte eigentlich an meinem  Buch über das Haus Anárions weiterschreiben."
"Ach komm, du alter Bücherwurm!" spottete Boromir. "Zum Schreiben hast du in den nächsten Tagen noch Zeit genug. Wir werden endlich ein wenig Urlaub haben. Heute soll gefeiert werden. Selbst Vater will heute abend ein Fest für uns geben."
"Ich möchte auch Mablung in den Häusern der Heilung besuchen," fuhr Faramir ernst fort. "Ich muß wissen, wie es um ihn steht."
"Das kannst du  nach unserem Tavernenbesuch immer noch machen," erwiderte Boromir lächelnd.
"Na gut, vielleicht hast du recht," seufzte Faramir und stieg aus dem Zuber.

Boromir betrachtete sorgenvoll den schlanken Körper seines Bruders. In den letzten Wochen war der junge Mann deutlich abgemagert. Seine Oberarme und Schultern waren zwar immer noch muskulös vom jahrelangen Bogentraining, aber ansonsten stachen deutlich die Knochen unter der Haut hervor.
"Du solltest mehr essen, Faramir," murmelte der Ältere kopfschüttelnd.
"Ich vergesse oft darauf, wenn ich tagelang mit meinen Männern durch die Wälder schleiche, immer auf der Hut vor feindlichen Pfeilen," erwiderte dieser verbittert.
Er hüllte sich in ein Leinentuch ein und begab sich aus  dem Baderaum mit stolz erhobenem Haupt.

Kurze Zeit später verließen die beiden Brüder das Haus der Truchsessen. Ihre schwarzen Haare waren noch feucht vom Bad und ihre schönen Gesichter waren frisch rasiert. Beide trugen weiße Hemden und schwarze Hosen. Darüber einfache dunkle, wollene Umhänge. Obwohl ihre Kleidung schlicht war, drehten sich alle Jungfrauen auf den Straßen der Weißen Stadt nach ihnen um.
"Siehst du, wie sich die Maiden Gondors die Hälse nach uns verrenken?" flüsterte Boromir grinsend seinem Bruder zu. "Was macht eigentlich deine angebetete Turnamarth?"
Faramir errötete, als sein Bruder so sprach.
"Sie ist nicht meine Angebetete, das weißt du genau! Sie ist ein derbes Schankmädchen im Weißen Adler'. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich mich in so eine ordinäre Frau verlieben könnte."
"Aber du musst zugeben, dass sie hübsch ist," fuhr Boromir mit seiner Hänselei fort.
"Boromir!" zischte sein Bruder ergrimmt. "Wenn du nicht aufhörst, dann begleite ich dich ganz gewiß nicht in den Weißen Adler' !"
Boromir fing an zu lachen. Sein Lachen war so ansteckend, dass Faramir schließlich miteinsetzte.  Schließlich erreichten die Beiden immer noch kichernd die Taverne.

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