Arda Fanfiction

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Der Greve von Grimslade

von Ethelfara Ceorlred

Die Entscheidung des Königs

„Roderic! Komm doch mal her!“ König Éomers Stimme war deutlich. Er hatte etwas zu regeln, und das möglichst bald. Sein neuer Vierter Marschall der Riddermark war vor einigen Tagen von der langen Reise in den Norden zurückgekehrt. Er hatte dort im Auftrag seines Königs die besten Wünsche zu Herrn Meriadoc Holdwines Hochzeit überbracht (und einige Wagen mit Geschenken dazu) und noch einige weitere Aufträge erfüllt.

„Was gibt es, mein König?“ Roderic Céorlred war bedeutend kleiner als die anderen Rohirrim hier am Königshof, was aber dem Respekt, mit dem man ihm begegnete keinen Abbruch tat.

„Es gibt eine Angelegenheit, die keinen Aufschub duldet und für die ich einen fähigen Marschall brauche. Du wirst deine Waffen darin nicht brauchen (hoffe ich) aber deinen Verstand. Außerdem werde ich dir jetzt eine seit langem offenstehende Entscheidung bekanntgeben.“

Roderic hob fragend eine Augenbraue. „Es geht um Grimslade“ fuhr der König fort. „Was weißt du über diese Gegend?“

„Sie gehört zum größeren Teil zur Königsstatt und ein kleinerer Teil ist in der Westfold, Herr, und liegt etwa einen Tagesritt in südöstlicher Richtung von hier entfernt in einem weiten Gebirgstal. Herr Saradoc hatte mir in der Vergangenheit oft über seine Abenteuer im Weißen Gebirge berichtet, immerhin war er ja eine Zeitlang ein Heerführer der Westfold. Zu seiner Zeit war Grímferth der Greve von Grimslade, danach sein Sohn Grimbold. Éowyn berichtete allerdings davon, dass Grimbold weit vor seiner Zeit in der Schlacht vor Mundburg gefallen ist, und mit ihm ist ein Großteil der damaligen Vierten éored auf dem Pelennor geblieben. Man sagt, Grimslade sei im Moment ohne Führung?“

„Im Moment ist gut. Seit Greve Grimbold vor Mundburg gefallen ist hat es keinen gegeben, der sich um die Verwaltung dieses für uns so wichtigen Ortes gekümmert hat. Aus Grimslade kommen die meisten Lebensmittel für Edoras. Und da liegt meine Sorge: von Jahr zu Jahr wird es immer weniger, was von dort kommt. Was dann noch von dort kommt wird von Jahr zu Jahr schlechter.“ Éomer seufzte. „Es braucht wohl eine gewisse fürsorgliche Strenge von jemandem, der sich ein wenig in der Landwirtschaft auskennt und der vor allem Menschen führen kann.“ Éomer blickte Roderic fragend an.

„Da dachtest du an einen Hobbit in deinen Diensten, und da im Moment nur einer für so eine Sache greifbar ist bin wohl ich gemeint. Nun, ganz so gut kenne ich mich in der Königsstatt aber noch nicht aus. Womit muss ich rechnen und was erwartest du von mir?“

„Was ich erwarte? Dass du die Verhältnisse dort in Ordnung bringst. Meine bisherigen Statthalter haben mit starker oder noch stärkerer Hand dort unten regiert. Aber sie hatten allesamt überhaupt keine Ahnung vom Landbau, und die Menschen dort sind ein wenig eigensinniger als hier. Sie haben ihren eigenen Willen, und meine Statthalter hatten es nicht leicht.“

„Bauern eben“ lachte Roderic Céorlred. „So wie im Stockbruch oder im Bockland. Glaube nicht, dass der Herr vom Bockland es leicht mit seinen Untertanen hat. Wenn man sie überhaupt als Untertanen bezeichnen kann: sie machen, was sie wollen und lassen sich nur höchst ungern von jemandem in das, was sie da tun hineinreden. Aber sage ihnen, was du von ihnen willst und laß sie machen, dann machen sie es.“

„Damit scheinst du dich besser im Umgang mit der Landbevölkerung auszukennen als alle meine Verwalter von Grimslade zusammen, Roderic Céoröred! Das ist sehr gut, Junge!“

„Na, ob ich mich wirklich so gut damit auskenne kann ich noch nicht wirklich sagen“ lachte Roderic. „Ich müsste es wohl erst einmal ausprobieren, schätze ich, dann…“

„Das klingt für mich nach einem Ja. Ich danke dir. Ich werde alles Nötige veranlassen.“

Roderic Céorlred verbeugte sich. Ganz so sehr hatte er eigentlich nicht zugestimmt, und als Greve eines Landgutes (wie Beutelsend oder Toboldshain vielleicht, dachte sich der Hobbit) irgendwo in Rohan über Aussaat und Ernte zu wachen war nicht gerade das, was er sich darunter vorgestellt hatte, König Éomer zu dienen. Aber sein König brauchte ihn nun einmal dort, also würde er gehen. Außerdem war ihm so etwas irgendwie von vornherein klar gewesen: in Rohan herrschte jetzt glücklicherweise Frieden und da ist der Bedarf für die Dienste von Marschällen verständlicherweise eher gering. Und dass Herr Saradoc ihm über Grimslade berichtet hatte machte Roderic Céorlred in gewisser Hinsicht Mut: so ganz in die Unbekannte würde er dann doch nicht geschickt werden.

„Geh nun und packe deine Sachen. Du solltest so bald wie möglich dorthin aufbrechen. Ich werde Boten losschicken, auf dass alles Nötige vorbereitet werde.“

Roderic verneigte sich noch einmal und ging in seine Kammer. Viel zu packen hatte er nicht, und nachdenklich schaute er aus dem Fenster. Die Gerüchte, die er über Grimslade gehört hatte besagten nicht gerade Gutes, es würde eine Herausforderung werden. Er rief nach Ardwyn.

„Nanu? Du packst deine Sachen, Roderic? Was ist los?“

„Der König schickt mich nach Grimslade. Er braucht dort einen Verwalter, der sich wohl ein wenig im Landbau auskennt, da dort wohl die Ernten immer schlechter werden.“

„Eine Aufgabe für einen Marschall“ lachte sie. „Aber nun mal im Ernst: jeder Marschall in Rohan hat seine Lande, um die er sich in Friedenszeiten für unser aller Wohl zu kümmern hat, und normalerweise kommt seine éored von dort. Ich sehe darin nichts Ungewöhnliches.“

„Sicher, aber meine Leute kommen aus ganz Rohan, und ich fürchte, die Vierte éored wie wir sie kennen wird sich mehr oder weniger auflösen.“

„Dennoch, eine durchaus würdige Aufgabe. Außerdem kam dereinst die Vierte éored der Riddermark aus Grimslade, und sie war die éored des Vierten Marschalls der Mark. Der König wird ein Interesse daran haben, dass es wieder so wie seit alters her sein wird. Und weil die Grimslade etwas schwieriger ist als andere Gegenden genau das Richtige für dich. Wann sollen wir aufbrechen?“

„Der König möchte, dass wir möglichst bald gehen. Ich würde ja morgen schon losreiten, aber vorher muss ich mich von meinen Leuten verabschieden. Und davor muss ich noch klären, was aus ihnen werden soll.“

Mit diesen Worten ging er wieder hinunter in die Königshalle. Ardwyn ging nun ebenfalls ans Packen; natürlich würde Roderic seine Ehefrau nach Grimslade mitnehmen.

König Éomer nickte, als Roderic sein Anliegen vorgetragen hatte. „Ich werde deine Leute alsbald nach Hause schicken können. Der Krieg ist vorbei, und sie brennen darauf, heimzukommen. Wer will soll mit dir nach Grimslade mitkommen können oder hier in Edoras bleiben dürfen. Gib ihnen das möglichst bald bekannt, am besten noch heute. Und natürlich sollt ihr ein angemessenes Abschiedsfest feiern dürfen.“

Boten hatten den Kriegern der Vierten éored den Beschluss des Königs überbracht, und natürlich trafen sie sich zu ihrem Abschiedsfest. Ein bißchen Wehmut schwang in ihrer Vorfreude auf die baldige Heimreise schon mit. Also genossen sie den Abend, und sie schwelgten noch lange in den Erinnerungen an den gemeinsam erlebten (und überstandenen) Feldzug.

„So, Leute, so langsam ist es Zeit“ sagte Roderic. „Morgen werde ich mich früh auf den Weg machen. Der König schickt mich nach Grimslade, um es in seinem Namen zu verwalten. Gehabt Euch wohl und passt auf Euch auf!“

Mit einem gewaltigen Kloß im Hals schritt der Hobbit ein letztes Mal durch die Reihen seiner Krieger. Bald würden sie bei ihren Familien zurück sein, und er hatte eine neue Aufgabe, die ihn ein Stück weit ins Ungewisse führte. Roderic holte tief Luft, dann ging er zielstrebigen Schrittes den Weg zu seiner Kammer.

Die letzten Habseligkeiten waren gepackt, die Pferde gesattelt, und der König stand auf der großen Terrasse vor Meduseld, um seinen Marschall zu verabschieden.

„Mögest du erfolgreiche und glückselige Tage vor dir haben, mein Gefolgsmann! Durch deine mutigen Taten hat unser Land Frieden. Genieße auch du ihn!“

„Ich danke dir, mein König. Wenn es dir in Edoras zu langweilig werden sollte, in Grimslade werden wir dich immer willkommen heißen. Auf Wiedersehen!“

Roderic verneigte sich und schwang sich auf sein Pferd. Rasch sprengten er und Ardwyn aus Edoras hinaus und schlugen den Weg nach Grimslade ein. Éomer blickte den beiden noch lange hinterher.

„Ich weiß nicht, ob das die richtige Entscheidung war, ihn zu diesen halsstarrigen Bauern nach Grimslade zu schicken. An denen sind schon ganz andere Kaliber gescheitert.“

„Warte es ab“ erwiderte Königin Lothíriel. „In Céorlred steckt mehr als du denkst. König Elessar lobt die Fähigkeiten der periannath im Landbau in den höchsten Tönen. Ich bin mir sicher, er weiß wie man mit halsstarrigen Bauern umgehen muss; immerhin hatte Holdwine in seinem letzten Brief doch davon geschrieben, Céorlred in der Kunst der Führung eines Landes unterwiesen zu haben. Und sagt man nicht, dass der Herr des Bocklands große Stücke auf ihn hält? Ich bin zuversichtlich, was unseren Vierten Marschall angeht, dass er Grimslade wieder auf Vordermann bringt. Was wetten wir, dass wir in einem Jahr mehr Lebensmittel aus Grimslade bekommen als jemals zuvor?“

„Ein großes Fass Met und ich werde Céorlred die Füße küssen, wenn es so kommt. Dann habe ich nämlich eine ganz große Sorge weniger!“

„Abgemacht! Ich werde dich zur rechten Zeit daran erinnern!“

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