Arda Fanfiction

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Der Schatten von Angmar

von Dairyû

Kapitel IV - Aufbruch

Zögernd betrat Grotraug, oberster Heermeister des Königs von Angmar, die Halle tief in den Eingeweiden der Festung von Carn Dûm, die seinem Gebieter als Thronsaal diente.
Grotraug war ein stämmiger Mensch aus dem Nebelgebirge. Die Bewohner dieser unwirtlichen Höhen und Täler waren zähe, genügsame, kampferprobte und ausdauernde Krieger. Sie standen freiwillig in den Diensten des Hexenkönigs, denn sie hassten die Menschen der drei nördlichen Königreiche, und ganz besonders die Dúnedain, die sie schon immer von oben herab behandelt hatten. Die Wilden Menschen aus dem Nebelgebirge, als die sie allerorts bekannt waren, hatten ihren Stolz und ihn zu verletzen stellte eine Torheit dar, was die wenigsten wussten. Aber sie sollten es bald deutlich zu spüren bekommen ...

Grotraug trug grobe Kleidung in Grau und Braun, die mit Pelzfutter verstärkt war und so genügend Wärme spendete. Er war mit einem Ger und einem langen Schwert bewaffnet - beide Waffen konnte er vorzüglich handhaben.
Er ging weiter in die nur durch wenige Fackeln beleuchtete Halle, die kalt und düster war. Kein Schmuck verzierte sie, keine Wandteppiche, keine Felle; nur nackter, dunkler Stein war zu erblicken.
Mächtige Säulen stützten eine hochgewölbte Decke, die mit Querbalken aus schwarzem Holz verstärkt wurde.

Am Ende der Halle befand sich ein erhöhtes Podest, auf dem ein großer, steinerner Thron stand. Geschmückt war er mit allerlei Geschmeide und Gemmen, die das Licht der Fackeln einfingen und in ein düsteres Funkeln verwandelten. Aber sie verblassten gegen das rote Glühen, das von den Augen des Hexenkönigs von Angmar ausging.
Aran-dûr saß auf seinem Thron und erwartete den Bericht seines Heermeisters.
Grotraug warf sich vor seinem Herrn zu Boden. Er konnte den Blick aus den dämonischen Augen nicht ertragen - selbst jetzt, als er nicht mehr in sie schauen musste, fühlte er sich von Kälte durchbohrt, die sich bis in sein Herz grub.
"Mein Fürst! Das Heer ist bereit", brachte er hervor.

Aran-dûr nickte kaum merklich.
Auf diesen Moment hatte er lange gewartet und er kostete ihn aus. Endlich konnte er seine Macht entfesseln und Schrecken über Arnor bringen!
"Es ist gut", sprach er mit einer Stimme, die dem zitternden Menschen durch Mark und Bein ging. Grotraug hatte sich in all den Jahren seines Dienstes nicht an ihren Klang gewöhnen können. Sie erinnerte ihn an die Tiefe und die Schwärze eines Grabes. Aber dennoch lauschte er aufmerksam auf jedes Wort aus dem Munde seines Herrn. Erleichtert vernahm er die Zufriedenheit in der Stimme des Königs und als er schwere Gewänder rascheln hörte, wagte Grotraug die Augen zu heben. Der Fürst schritt an ihm vorbei. Zum ersten Mal in seinem Leben sah der Wilde Mensch seinen Gebieter lächeln ...

Der König von Angmar ritt an der Spitze seines Heeres fort von Carn Dûm, auf die weite Ebene, die sich bis an die nordöstliche Grenze Cardolans und darüber hinaus erstreckte.
Noch war der Schnee nicht gänzlich geschmolzen; einem Pferd bedeckte er die Fessel. Aber er taute immerzu.
Aran-dûr beachtete es nicht.
Ihm war gleichgültig, dass seine Krieger mit dem aufgeweichten Boden, dem rutschigen Schnee und dem Matsch ebenso zu kämpfen hatten, wie seine Feinde.
Das Heer kam so immer noch schneller voran, als im metertiefen Schnee der vergangenen Wochen.

Ein wenig Zeit würden die Plünderungen und Verwüstungen der Dörfer und Siedlungen auf ihrem Weg beanspruchen. Aber das nahm Aran-dûr in Kauf. Nichts sollte zurückbleiben von den Dúnedain und den Menschen ihrer Königreiche. Der Winter sollte ihr gemeinsames Grabtuch werden, denn der König von Angmar gedachte, ihn nach Arnor zurückzubringen.
Eine große Wolke folgte dem Heer auf dem Fuße. Sie war fast weiß und türmte sich in den Himmel, ein bizarres und bedrohliches Gebilde, todbringend wie der, der es heraufbeschworen hatte. In Cardolan würden dichte Flocken auf die Erde zu fallen beginnen und das Land wiederum in einen eisigen Griff zwingen ...

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