Arda Fanfiction

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Unter schwarzen Schwingen

von Celebne

Der König von Haradwaith

Fast alle Einwohner von Minas Tirith säumten schaulustig die Straße, die sich durch die Festungsringe nach oben schlängelte. Jeder wollte die exotischen Menschen aus dem Süden sehen, die zu Friedensverhandlungen nach Minas Tirith gekommen waren.
Die Haradrim trugen scharlachrote, lange Hemden, dazu schwarze Hosen und Stiefel. Einige von ihnen trugen über ihrer Kleidung noch goldglänzende Rüstungen mit dem Wappen der schwarzen Schlange. Andere von ihnen hatten außerdem merkwürdige Kopfbedeckungen aus Stoff. Maskiert, wie im Ringkrieg, war jedoch niemand von ihnen. Ihre Gesichter waren zumeist grobschlächtig und dunkler als die der Gondorianer. Ihre Augen waren ebenfalls dunkel und die Haare waren schwarz. Viele Haradrim hatten goldene Bänder in ihre langen, lockigen Haare geflochten. Ihr Anführer, der sich als König betiteln ließ, trug nicht nur eine goldglänzende Rüstung sondern auch einen ebenso kunstvoll gearbeiteten Helm. Er hieß Minuril und behauptete, aus einem alten Fürstengeschlecht Nah-Harads zu stammen. Die Truppe war etwa hundert Mann stark. Frauen befanden sich keine unter ihnen, dafür aber gab es einen Pferdewagen, der angeblich mit vielen Geschenken beladen worden war. Die Einwohner von Minas Tirith jubelten den Südländern nur wenig zu, dafür war im Ringkrieg einfach zu viel passiert. Es gab kaum eine Familie in der Stadt, die keinen Sohn seinerzeit verloren hatte. Die Menschen betrachteten die Haradrim zwar neugierig, aber auch ebenso mißtrauisch.  

„Was wollen die hier?“ murrte Turwaithron, der Bäcker aus dem vierten Festungsring, schlechtgelaunt. „Sie wollen doch nur erreichen, dass König Elessar ihnen umsonst Lebensmittel nach Haradwaith schicken lässt. Die mögen uns doch genauso wenig wie wir sie!“
Beifälliges Raunen von anderen Zuschauern untermauerte seine Behauptung.
Túrin, ein guter Freund von Faramir, hatte die Worte des Bäckers gehört. Der junge Gelehrte hatte sich unter die Schaulustigen gemischt.
„Hüte deine Zunge, Bäcker!“ sagte Túrin tadelnd zu dem kleinen, dicken Mann. „Wenn jedermann solch eine Einstellung wie du hätte, dann würde es niemals Frieden geben.“
Turwaithron wurde rot und schwieg. Schließlich hatten die letzten südländischen Reiter den vierten Festungsring passiert, und die Menschen gingen wieder an ihre Arbeit zurück. Túrin jedoch folgte dem Reiterzug zu Fuß nach oben, denn er wohnte und arbeitete im sechsten Festungsring der Stadt.

*

Faramir und Aragorn hatten zur Feier des Tages ihre Festtagsgewänder angelegt. Während der König einen weinroten, ärmellosen Mantel aus Samt über seiner Tunika trug, war Faramir ganz in dunkelblau gekleidet. Nicht nur von der Kleidung, sondern auch vom Aussehen her, unterschieden sich die Männer. Während das schwarze Haar des Königs glatt über dessen Schultern fiel, hatten Faramirs Haare einen rotblonden Schimmer und waren lockig. Doch das unterschiedliche Aussehen täuschte: seit drei Jahren verband die beiden Männer eine tiefe Freundschaft. Anfangs war Aragorn sich nicht sicher gewesen, ob Faramir tatsächlich für das Amt des Statthalters geeignet war. Dem jüngeren Mann hatte es mächtig an Selbstvertrauen gefehlt. Doch schon bald hatte Aragorn gemerkt, dass dies das Ergebnis der jahrelangen Schmähungen Denethors war. So hatte er behutsam begonnen, seinen jungen Statthalter aufzubauen und schon bald war aus Faramir ein selbstbewußter Mann geworden, der dem König eine unentbehrliche Stütze wurde. Denn Faramir war ein sehr belesener und kluger Mann. Keiner wusste so gut wie er über die Geschichte und die Gesetze Gondors Bescheid.

Jetzt standen sie beide nebeneinander und warteten auf die Ankunft von König Minuril und seinen Mannen. Die Königin und Frau Éowyn, ebenfalls in festlicher Kleidung, befanden sich einige Schritte hinter ihren Ehegatten, so wie es Sitte war.
Faramir war ziemlich angespannt: er hatte im Ringkrieg und davor recht oft mit den Südländern gekämpft. Er hatte einige gute Freunde durch Südländerbolzen verloren und das nagte in ihm. Denn jetzt sollte er sich mit diesen Männern, gegen die er jahrelang gekämpft hatte, an einen gemeinsamen Tisch setzen, beraten, und wahrscheinlich auch essen und trinken.
Aragorn spürte Faramirs Nervosität.
„Hoffentlich kommen unsere Gäste jetzt bald “, bemerkte er plötzlich. "Mein Magen knurrt so laut wie Ioreths alte Holzpantinen."
Arwen und Éowyn, die das hörten, fingen an zu kichern. Und endlich huschte auch ein Lächeln über Faramirs Gesicht.

*

Hörner ertönten und König Minuril betrat mit seiner Gesandtschaft zu Fuß den siebten Festungsring, denn es war verboten, in den Königshof hineinzureiten. Aragorn ging dem Haradrim-König mit einem Lächeln entgegen.
„Ich bin froh, dass Ihr unserer Einladung gefolgt seid, König Minuril“, sagte er freundlich in der gemeinsamen Sprache.
Minurils Miene jedoch blieb ernst.
„Es wurde Zeit, dass wir über die Zukunft über unserer Länder beraten“, erwiderte er schließlich arrogant.
Faramir missfiel der Tonfall des Königs gewaltig und sein Antlitz verdüsterte sich. Dieser Südländer-Herrscher tat ja geradewegs so, als hätte er den Ringkrieg gewonnen und nicht Gondor. Langsam näherte sich der junge Statthalter König Minuril. Dieser lächelte spöttisch, denn er erkannte Faramir sofort.
„Wen haben wir denn da?“ fragte er grinsend. „Ist das nicht ein Sprössling aus Denethors Hause? Wie bedauerlich, dass die Truchsesse nicht mehr in Gondor herrschen dürfen. Ausgerechnet Euch traf dieses Los, die Herrschaft an Isildurs Erben abzugeben.“
„Ich tat dies mit Freude“, erwiderte Faramir kühl. „Im übrigen ist mir Euer Herrscherhaus aus Haradwaith nicht bekannt. Es scheint so, als ob dieses erst jüngst entstanden ist.“

Das saß! Minuril starrte den jungen Statthalter wütend an und schnaubte. Jedenfalls hatte es ihm erst einmal die Sprache verschlagen. Aragorn rettete die Situation, indem er den König in die Zitadelle hineinbat.
Éowyn trat jetzt an Faramirs Seite.
„Das war die Antwort, die dieser eingebildete Südländer verdient hat. Du bist ein Meister der Worte, Liebster“, sagte sie stolz.
„Ich glaube, Aragorn ist mit meinen Worten nicht ganz einverstanden“, seufzte Faramir. „Aber was habe ich für einen Grund, vor einem Südländer-Häuptling, der sich jetzt König nennt, kleinbei zu geben?“
„Keinen, Liebster, keinen“, betonte Éowyn lächelnd.
Sie hängte sich bei ihrem Gemahl ein und zusammen folgten sie der Südländer-Delegation in die Zitadelle hinein.

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