Arda Fanfiction

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Das Licht der Hoffnung

von Dairyû

Gil-galad

"Nein!" Mein Schrei hallt über das Schlachtfeld, schrill und verzweifelt, mit einer Stärke die Mauern zum Einstürzen bringen könnte – wenn es hier Mauern gäbe. Aber drohend über mir ist nur der grollende Berg. Schwarz und unheilverkündend ragt er auf, sein feuriger Atem lässt die tief hängenden Wolken leuchten, als seien sie mit Blut durchtränkt - ein Zeichen des Triumphes. Der Sieg des Bösen ist nah, denn mit jedem gefallenen Krieger aus unseren Reihen – ob Elb oder Mensch – schwindet unsere Widerstandskraft. Meine düsteren Ahnungen bewahrheiten sich. Das Chaos bricht herein und ich bin machtlos, sehe meine Welt in Scherben gehen und verliere meine Hoffnung, so wie ich meinen König verliere ... Ein schwarzer Schatten huscht von rechts heran, dann noch einer und ein weiterer von links und kurze Zeit später versperren blutige Speere mir den Weg. Drei große Orks sind es, die mich nach kurzem Zögern gemeinsam angreifen. Sie wähnen sich überlegen. Ich kann es ihnen nicht verdenken, denn sie spüren meine Verzweiflung und mein Leid – es stärkt sie. Sie sehen meine zerrissenen Gewänder und den Brustpanzer, der einstmals glänzte und der nun stumpf ist von Schmutz und Blut und gezeichnet von den Streichen vieler Waffen; manche haben tiefe Wunden geschlagen, die mich hindern. Doch ich verdränge die Schmerzen. Ich will es schnell hinter mich bringen, meine Gedanken sind weit weg, bei meinem König, und voll unbändiger Wut pariere ich die Speere meiner Feinde. Sie haben keine Zeit und nicht das nötige Geschick es mit mir aufzunehmen. Einem Ork fährt mein Schwert in den Leib, als er unachtsam seine Deckung vernachlässigt. Überrascht sieht er mich an, bevor er lautlos zusammenbricht. Meine Klinge löst sich aus seinem Fleisch, nur um einen geschmeidigen Bogen zu beschreiben, der dem zweiten Ork das Haupt abschlägt, noch bevor er seinen Speer hat erheben können. Schwarzes Blut spritzt auf, es ist heiß, als es meine Hände und mein Gesicht berührt, achtlos wische ich es fort. So viel Blut ist über mich geflossen, dass dieses hier nicht mehr zählt. Der dritte Ork zögert nun, Unsicherheit flackert in seinen gelblichen Augen, er fletscht die Zähne und mit einem Mal wirft er seine Waffe fort und nimmt Reißaus. Kurz sehe ich ihm nach, aber dann vergesse ich ihn. Nun ist niemand mehr da, der mich hindern will. Durch ein Meer aus Blut, zerbrochenen Gliedern und schwelenden Knochen suche ich mir meinen Weg, sehe nicht worüber ich stolpere. Mein Körper regt sich nur noch, weil Schrecken, hilflose Wut und Trauer mich antreiben. Ich bin gefangen in einer Wirklichkeit, die wie ein erdrückender Schatten auf meiner Seele lastet, der sich nicht abschütteln lässt – im Gegenteil, er tastet sich voran, sucht mich zu verschlingen ... Mit aller Kraft wehre ich mich gegen den Feind in meinem Inneren, während ich vorwärts taumle, nicht auf die wenigen noch Lebenden achtend, die ihre Hände nach mir ausstrecken; ich kann ihnen nicht helfen, nicht mehr, denn ein Feuer hat sie verbrannt, das selbst meiner Macht trotzt. Einzig den Schmerz nehme ich ihnen, indem ich Ruhe aussende und ein unsichtbares Licht, das die Herzen der Verlorenen berührt, um ihnen das Hinübergleiten in das Reich des Todes zu erleichtern. Seltsam, dass ich es noch vermag. In meinem Inneren gibt es keine Ruhe mehr. Sie ist mir genommen worden in dem Augenblick als Er kam und seine Hand gegen meinen Fürsten erhob. Nie hätte ich es für möglich gehalten, den Stern der Elben fallen zu sehen. Und doch stürzte er vor meinen Augen in einen feurigen See, der nun alles zu verschlingen droht. Die Feuersbrunst wütet noch immer, Hitze schlägt mir entgegen und ich spüre die Feindseligkeit und Bösartigkeit in ihr, die mich am Fortkommen zu hindern sucht. Aber ich lasse mich nicht aufhalten. Auch nicht von den Flammenfingern, die sich wieder und wieder vom schwarzen Boden erheben, um nach mir zu greifen. Wütend und verzweifelt zugleich stolpere ich vorwärts durch einen Albtraum. Ich kann und will nicht fassen, was geschehen ist. Eben noch stand mein Fürst unter seinen Getreuen, unerschrocken und stark wie ein uralter Fels, den nichts zum Wanken bringen kann. Seine silberne Rüstung strahlte hell wie das Licht des Mondes, auf seinem Schild funkelte es, als seien die Sterne herabgekommen, um ihn zu ehren, und sein Speer fällte alle Feinde mit Leichtigkeit. Aber dann erschien Er! Wie aus dem schwarzen Nichts, das Sein verdorbenes Herz erfüllt mit Hass und einer dämonischen Kraft. Hoch aufgerichtet, verborgen hinter einer wundersamen Rüstung, die den ganzen Leib schützt – wenn es denn ein Leib ist, den der Fürchterliche vor den Augen aller versteckt hält. Ich glaube es nicht. Kein Wesen aus Fleisch und Blut vermag zu brennen, so wie Er und das überirdische Feuer zu beschwören, auf dass es ihm in fürchterlicher Weise zu Diensten ist. Mir scheint, der Herr des Bösen ist noch stärker geworden. All die Jahrhunderte, in denen wir ihm die Stirn geboten haben, sind für ihn von Vorteil gewesen; wir wurden geschwächt und er ist gewachsen. Bitter ist dies für alle freien Völker Mittelerdes, aber am schwersten tragen wir Elben an der Last, die der Dunkle Herrscher über die Welt bringt. Wir waren blind und taub gegenüber seiner Maskerade, haben ihm vertraut und ihn teilhaben lassen an unserem unermesslichen Wissen über geheimnisvolle und mächtige Dinge. Ja, auch wir Elben sind nicht unfehlbar. In unserem Stolz und unserem Entzücken über einen Kundigen, unter dessen geschickten Händen die erlesensten Kostbarkeiten Gestalt annahmen, vergaßen wir jegliche Vorsicht, weil er es uns wert schien. Edlen Angesichts und edlen Sinnes wie die Großen und Weisen unter den Menschen und Elben trat er unter uns und verwirrte unsere scharfen Augen, damit wir sahen, was er uns sehen lassen wollte. Verflucht sei unsere Überheblichkeit! Immer blickten wir auf die Zweitgeborenen und alle anderen Wesen hinab, die nicht von unserer Art waren, hielten sie für wenig klug und weitsichtig; dabei waren wir es, die der Torheit und Verblendung erlagen. Nun bezahlen wir mit unserem Blut – schlimmer noch: wir haben alle anderen mit in das Verderben gerissen. Endlich bin ich bei meinem König. Von Ferne treibt der Schlachtenlärm heran, doch hier ist es ruhig. Ich bin der einzige von dem Gefolge meines Fürsten, den das tödliche Feuer nicht erreicht hat, denn ich war fern genug. Doch grausam ist es zu leben, während andere sterben, denen zu leben vergönnt sein sollte – verdienen sie es doch so viel mehr als ich. Erschöpft lasse ich mich neben meinem Herrn nieder. Sein Anblick treibt mir Tränen der Wut und der Verzweiflung in die Augen. Sie quellen einfach hervor und ich schäme mich ihrer nicht. "Ereinion", höre ich mich flüstern und vergesse dabei jeglichen Respekt, denn ich nenne meinen König bei seinem wahren Namen. Warum enden all die Großen und Mächtigen unter uns in den Wirren gewaltiger Kriege und Schlachten? Ich wollte nie etwas anderes als Frieden, nun kauere ich hier, um mich herum, aber zugleich unendlich fern, tobt der Kampf unter einem Himmel, der uns den Tod verkündet. Uns, die wir doch unsterblich sind. Welch ein Hohn verbirgt sich in unserem Sein, denn auch wenn uns das Licht in Mandos' Halle willkommen heißt, so ist der Weg dorthin mit Dornen gespickt, die unsere Seelen schmerzhafter durchbohren, als die schärfste Klinge einen Körper. Klug sind diejenigen gewesen, die Mittelerde verlassen haben, bevor das Dunkel sein wahres Gesicht zeigte ... Alle anderen sind gezwungen es zu ertragen - oder zu bekämpfen. Doch wo ist unser Sieg? Aufrichtigen Herzens sind wir in diese Schlacht gezogen, haben den Feind hervorgelockt und seine Reihen gelichtet, es schien, als habe unser Vorgehen die erhoffte Wirkung gezeigt, denn wie erwartet nutzten die finsteren Scharen Saurons ihren Vorteil. Wir waren bereit und bald schon entbrannte ein Kampf, gewaltiger als alle, die wir zuvor geführt hatten. Die Tore Barad-dûrs öffneten sich weit und spieen unzählige Gegner hervor. Unablässig strömten uns neue Horden entgegen; warfen uns zurück und trieben uns schließlich in den Schatten des Feurigen Berges. Wehe all denen, die ihr Leben lassen mussten für unsere List! Oh, sie war erfolgreich, doch was gäbe ich dafür, dass sie es nicht gewesen wäre, denn nun hat man uns endgültig aufgehalten, so als habe Er nur darauf gewartet, dass wir den Fehler begingen, zu meinen, Sein Handeln durch unseres bestimmen zu können. Es wäre nicht der erste Fehler gewesen, der uns unterlaufen ist. Aber einer der teuersten ... Ja, Sauron ist tatsächlich gekommen, so wie mein König es erwartet hat, und ich es fürchtete. Der Lärm des Schlachtfeldes verstummte, als Er erschien und es gab kein einziges Herz, das nicht erbebte bei Seinem Anblick, denn das Böse hat eine Gestalt bekommen - schrecklich und ehrfurchtgebietend, und auf seine eigene finstere Art von seltsamer Schönheit. Es schlug uns in einen Bann, aus dem wir erst erwachten, als es zu spät war, sich zu wappnen ... "Elrond ..." Gil-galads Stimme reißt mich aus meinen Gedanken zurück in die Wirklichkeit. Sie ist selbst für meine Ohren kaum noch zu vernehmen. Schnell beuge ich mich vor, sanft versuchen meine Hände den König zurückzuhalten. Aber Gil-galad widersetzt sich meinen Bemühungen. Verzweifelt sehe ich, wie das Blut aus seinem zerstörten Körper fließt. Dort, wo noch ein wenig Haut da ist, springt sie auf; alles andere ist rohes, verbranntes Fleisch, bedeckt von den Überresten des Kettenhemdes und des Brustpanzers. Das Metall ist geschmolzen, hat sich zu einer grausigen Liebkosung mit dem geschundenen Fleisch meines Fürsten verbunden. Eisige Hände legen sich um meine Kehle, ich beginne zu husten, denn mit einem Mal sind meine Lungen von dem Gestank des Todes erfüllt. Diese Erinnerung wird mich bis an das Ende verfolgen. Ich hoffe, dass es bald kommt. Wenn Er siegt, dann gibt es nichts mehr, für das sich zu leben lohnte. "El ... rond!" Hände packen meinen zerrissenen Umhang, ich starre sie an. Rote Klauen – mit Stellen, an denen das Fleisch bis auf die Knochen versengt wurde. Aber ihr Griff ist eisern. Ich löse mich von ihrem Anblick, zwinge mich, in die dunklen Augen meines Königs zu sehen. Das Licht der Sterne in ihnen ist erloschen, doch noch sind sie beseelt. "Du darfst ... nicht verzagen! ... Ich spüre deine ... Zweifel. Sie waren ... einstmals auch die ... meinen. Aber wir ... dürfen die Hoffnung ... nicht sterben lassen ..." Erschöpft hält mein König inne. Sein Atem geht flach und schnell, ich spüre wie jeder Atemzug ihm unendliche Pein bereitet. Sanft lege ich eine Hand auf seine Brust, versuche zu lindern und zu trösten. Das eine mag mir gelingen, aber das andere ist nur ein trauriger Versuch. Gil-galad lächelt. Es gibt mir einen Stich ins Herz zu sehen, dass er immer noch lächeln kann, aber es macht mich auch stolz. Gerne wäre ich wie mein König, gesegnet mit einer starken Seele und Zuversicht, selbst im Angesicht der Vernichtung und im erbarmungslosen Griff des Schmerzes. "Nicht mehr lange ... und du wirst es sein ..., Elrond", wispert er mir zu. Ich habe längst aufgehört mich zu wundern, wenn er meine Gedanken kennt, deshalb erwidere ich nichts. "Denn einmal ... ist die Zeit des ... Kampfes vorüber. Doch bis es ... soweit sein wird ... musst du wie ein Fels ... in der Brandung stehen. Mit jeder Faser ... deines Seins, denn ich werde eine ... große Verantwortung an dich ... übergeben." Gil-galads Hände tasten nach den meinen. Etwas Kühles streift meine Finger und gegen meinen Willen greife ich danach, ohne es anzusehen. Der Aufforderung in den Augen meines Fürsten jedoch kann ich mich nicht widersetzen und blicke hinab. Zwischen Schmutz und verkrustetem Blut funkelt mir reines Gold entgegen, gekrönt von einem blauen Schimmer, der selbst das Licht des Firmaments an einem wolkenlosen Sommertag verblassen lässt. Ein Ring. Einer der Drei. Geschmiedet von dem größten Meister seiner Zunft - Celebrimbor. Ich halte etwas unendlich Kostbares in den Händen, aber ich will und kann dieser Gabe nichts abgewinnen. Der Ring ist schön und unbefleckt. Doch was soll ich mit ihm? Um mich herum liegt die Welt in Trümmern. Der Ring ist nutzlos geworden ... Vielleicht hatte er auch noch nie einen Nutzen. Was hat er seinem Träger gebracht? Schmerz und Leid! Aber keine Hilfe in der Bedrängnis, als sie so nötig tat. Im Angesicht des Feindes hätte die Kraft des Ringes sich offenbaren müssen.

~*~

Stolz und unverzagt trat Gil-galad Sauron entgegen und forderte ihn heraus. Der Dunkle Herrscher zögerte nicht einen Augenblick die Herausforderung anzunehmen - und brachte Tod und Vernichtung über uns.

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