Arda Fanfiction

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Wehe euch Sterblichen

von Dairyû

Chapter #3

Benommen lag der Krieger der Dúnedain auf dem Pflaster der Seitengasse und neben ihm lagen viele andere. Sie alle waren erschlagen worden, ganz gleich ob es Frauen, Männer oder Kinder waren. Sie alle hatten mit letzter Kraft gekämpft und selbst die Kinder hatten kurze Messer bekommen, wenn sie eines halten konnten, damit sie nicht völlig schutzlos waren. Die Frauen hatten sich auf das Kampfgeschick besonnen, das auch ihnen zu eigen war und zu den Schwertern gegriffen, um ihr Blut und das der ihren teuer zu verkaufen und sie waren nicht weniger wacker gewesen als die Männer. Aber Mut und Selbstlosigkeit helfen nicht gegen einen schwachen Körper und die Orks hatten ein leichtes Spiel gehabt, als ihnen der Zutritt zur Stadt nicht mehr verwehrt worden war. "Der Herr sucht nach einem, der noch einen Funken Leben im Leib hat!" schrie eine grobe Stimme in der Nähe des Mannes plötzlich und Orkfüße stampften lärmend heran. Die Toten wurden ergriffen, beäugt und geschüttelt und dann wieder zu Boden geworfen. Als die Reihe an den Mann kam, hielt er den Atem an. Wie eine Puppe riss man ihn hoch. Er unterdrückte ein Stöhnen, als Schmerz durch seine gepeinigten Glieder zuckte und schon spürte er, wie man ihn fallen lassen wollte, da knurrte eine Orkstimme nahe an seinem Ohr: "Der ist noch warm." Und dann lauter: "Hier ist einer von den elenden Burschen. Der Herr wird zufrieden sein!" Der Mensch wurde von groben Händen gepackt und auf seine Füße gezerrt. Gepeinigt stieß er einen Schmerzenslaut aus, denn viele Wunden bedeckten seinen Körper, die Knochen seines linken Armes waren zerschmettert, Rippen waren zerbrochen und das Stehen fiel ihm schwer. Seine Augen versagten ihm von Zeit zu Zeit den Dienst, seine Zunge klebte an seinem trockenen Gaumen und kein Wort meinte er aus seiner rauen Kehle hervorbringen zu können. Ein dünner Blutfaden rann aus seinem Mund und jeder Atemzug brachte Schmerz mit sich, der wie eine Welle durch seinen Körper lief. Es war ein Wunder, dass er noch lebte - aber vielleicht auch eine grausame Laune des Schicksals. Die Orks, die den Mann umringten, stießen ihn vorwärts und beschimpften ihn in ihrer häßlichen Sprache und trieben ihn an. Er ließ es geschehen, stolperte vorwärts ohne zu sehen, wohin ihn seine Füße trugen und endlich fand er sich auf dem Platz vor dem Wachturm wieder, von dem aus die Dúnedain mit scharfen Augen Ausschau gehalten hatten. Immer wieder war ihr Blick nach Osten gezogen worden, denn das Verfluchte Land war nahe aber nicht von dort war das Unheil gekommen, so wusste man nun.

*

Aus dem Westen war es erschienen, war durch Ithilien heran gekrochen und hatte gewartet, sich dann und wann gezeigt und als es stark genug gewesen war, zum entscheidenden Schlag ausgeholt. Gegen ein ganzes Heer hätte Minas Ithil standgehalten, denn niemand vermochte abertausende von Krieger ein Gebirge hinauf zu schaffen und gegen eine Stadt anrennen zu lassen, die aus den Felsen geboren worden war und ihre immerwährende Stärke besaß. Aber es gab Feinde, die sich nicht besiegen ließen, egal wie gewaltig die Mauern einer Festung waren und wie tapfer ihre Verteidiger kämpften. Der Mond hatte seinen Lauf am Himmel zum dreiundzwanzigsten Mal vollendet, als die Kornkammern der Stadt leer wurden. Ein letztes Mal hatte man das feine, dunkle Mehl ausgegeben, das unter den geschickten Händen der Frauen zu schmackhaftem Brot wurde. Bald hatten die Kinder vor Hunger geweint und verzweifelte Mütter geklagt. Die Männer waren in ohnmächtigem Zorn gefangen gewesen, denn es hatte keinen Weg mehr aus der Feste gegeben, der nicht von Orks und gräßlichen Kreaturen bewacht war, die Furcht und Verderben gebracht hatten. All die geheimen Gänge hatte der Feind gefunden, auf denen man im Falle einer Belagerung Nahrung beschaffen konnte und auch die mutigen Boten, die man gen Minas Arnor ausgeschickt hatte, um Hilfe zu erbitten, waren nie an ihr Ziel gekommen. Selbst die abgerichteten Vögel, denen man Botschaften anvertraut hatte, hatten ein jähes Ende ihres Fluges gefunden, mit von schwarzen Pfeilen zerrissen Leibern. Als das Ende sich abgezeichnet hatte, hatte es nur noch wenige Menschen in Minas Ithil gegeben, die eine Waffe hatten führen können. Der Hunger hatte auch sie gequält und sie waren versucht gewesen, das Fleisch der Toten zu essen - doch niemand hatte es gewagt, denn es war ein unverzeihlicher Frevel. Zum Hunger waren vielfältige Leiden gekommen, die sich nicht hatten lindern lassen, waren doch schon seit Monaten keine Heilkräuter mehr in die Stadt gelangt. So waren die Menschen niedergeworfen worden, ohne dass der Feind sie hatte berühren müssen. Verzweiflung war zu einem ständiger Begleiter geworden und die Menschen hatten begonnen, zu den alten Göttern zu flehen, aber es schien, als hätten die Erhabenen ihre Gesichter abgewandt und keinen Anteil mehr am Schicksal der Kinder der Sonne. So warteten diese denn auf ihren Tod und nach zwei Jahren der Belagerung, die immer härter und grausamer geworden war, war er in der Stunde des Morgens über sie gekommen, an dem die Vögel anfangen zu singen. Dreimal hatte etwas Gewaltiges gegen das Tor der Stadt geschlagen, unsichtbare Hände hatten es aufgerissen und die Ketten der Zugbrücke gesprengt. Krachend war sie hinabgefallen und der Weg für den Feind war frei. Orks waren in die Gassen geströmt und bald waren die blanken Steine von rotem und schwarzem Blut besudelt worden. Lange Zeit hatten Schreie durch die Stadt gehallt, bis endlich Stille eingekehrt war. Dann hatten sie die Stadt betreten.

*

Neun finstere Gestalten auf großen schwarzen Pferden, deren Nüstern Flammen schnaubten und deren Augen glühten. Die Reiter waren in dunkle, graue Gewänder gekleidet, die sie von Kopf bis Fuß bedeckten. Der größte von ihnen ritt voran, ließ seinen unsichtbaren Blick über die Stadt schweifen und war sehr zufrieden, mit dem, was er sah. Die Stadt war sein! Wahrlich, nur kurz war die Zeitspanne gewesen, derer es bedurft hatte, um die Feste Isildurs einzunehmen - zwei Jahre; ein Augenblick für einen wie ihn, der schon ganze Königreiche in Kämpfen unterworfen hatte, die Jahrhunderte währten. Mit Minas Ithil aber feierte er einen besonderen Sieg, denn er tilgte damit die Schmach, die man ihm zugefügt hatte, als er aus seinem eigenen Reiche Angmar im Moment seines größten Triumphes vertrieben worden war, denn das letzte Königreich Arnors war in seine Hände gefallen und die Hauptstadt Fornost vor seinen Augen geschleift worden. Aber nicht lange hatte er sich dieses Sieges erfreuen können. Minas Ithil jedoch würde bis in alle Ewigkeit sein Sitz sein, so wie es eines Königs Recht war, denn König konnte er sich nennen - ein König der Schatten und der Verdammten ... Mit einem stummen Befehl sandte er seine acht Gefährten aus, auf dass sie nach nützlichen Dingen Ausschau hielten und sich mit der Stadt vertraut machten, denn auch sie würden hier hausen, wenn kein Befehl sie hinausschickte, um Schrecken über die Welt zu bringen. Acht Pferde preschten davon und auch der neunte Reiter gab seinem Ross die Sporen. Er hatte sich den Turm zum Ziel gewählt. Die eiserne Tür lag zerbrochen auf dem Boden, denn die Orks waren in ihrer Gier nach plünderbarem Gut kaum zu halten, sie brachen alle Häuser auf und auch den Turm hatten sie nicht verschont. Aber sehr enttäuscht waren sie, als sich nichts von Wert für sie fand. Der ganze Turm war leer, alle seine Zimmer beherbergten nur den Staub von Jahren. Lange schon wohnte niemand mehr dort, denn die Zeiten waren dunkler geworden. Die Menschen von Minas Ithil hatten dem Turm seitdem nur eine Aufgabe zugedacht gehabt: wachendes Auge über das verfluchte Land zu sein, an dessen Grenze er stand. Und so waren die Dúnedain immer nur in das höchste Zimmer hinaufgestiegen und dort hatten sie Stunde um Stunde, Tag um Tag und Jahr um Jahr ihre Aufgabe erfüllt und gen Osten geblickt. Die Orks schnüffelten dennoch überall herum, aber dann hatte einer das Kommen des Herrn der Nazgûl bemerkt und schnell hatten sie den Turm verlassen und sich in der Nähe verborgen, sie waren ein wenig verärgert, vor der Ankunft ihres Gebieters nicht auch noch das letzte und höchste Zimmer durchsuchen zu können.

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