Arda Fanfiction

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Unterwegs mit dem anderen Zauberer - Eine Reise zur Heilung

von jodancingtree

Bronwe Athan Harthad

Sie reisten zwei Tage und kamen aus dem Wald heraus auf eine steinige Wiese, die von kleinen, gelben Blumen leuchtete. Es brauchte einen weiteren Tag, um sie zu überqueren; sie suchten sich ihren Weg zwischen den Felsen hindurch, die über das Land verstreut lagen, halb verborgen im hohen Gras, und am späten Nachmittag kamen sie an einen breiten Strom, der langsam und träge über ihren Weg floss. Ein weiterer Wald erhob sich dunkel auf der anderen Seite. Sie hielten an und ließen ihre Reittiere trinken, dann ritten sie durch das Wasser. Einmal auf der anderen Seite, stieg Radagast ab und ging zu Fuß. Er führte sein Pferd am Flussufer entlang, suchte nach Spuren im Schlamm und schnüffelte in die Luft.

„Das hier wird gut genug sein,“ sagte er endlich. „Machst du ein Feuer an, Esel? Ich habe etwas zu erledigen.“ Her ging stromabwärts und ließ Rauchwolke zurück, um auf dem grünen Streifen zwischen Fluss und Wald zu grasen.

Das Ganze schien nur zu zeigen, dass der Braune Zauberer ebenso geheimnisvoll sein konnte wie der Graue, dachte Frodo leicht verärgert. Er fing halbherzig an, nach Holz zu suchen, aber die westliche Sonne spiegelte sich im Strom, so dass das Wasser leuchtete wie Gold, und als er unter die Bäume vordrang, war der Duft nach frischen Wachstum so berauschend wie Wein. Als er mit seiner dritten Ladung Bruchholz zurückkam, war sein Ärger verschwunden und er war hungrig genug, sich zu fragen, was für ihr gemeinsames Abendessen wohl aus Radagasts Sack käme. Er stellte drei Steine auf, um die Pfanne zu stützen und zündete in der Mitte ein Feuer an.

Etwas Orangefarbenes schoss an ihm vorbei und verstreute seinen kleinen Stapel Feuerholz, und er sprang auf. Für einen Augenblick konnte er nicht erkennen, was ihn aufgeschreckt hatte; dann raste es wieder vorüber, den buschigen Schwanz gerade hinter sich – ein Fuchs! Streicher scheute und brach seitlich aus, als das kleine Tier beinahe zwischen seinen Beinen hindurchflitzte, und Frodo ging näher ans Feuer – das Geschöpf hatte doch sicher mehr Verstand als durch die Flammen zu rennen. Nicht dass er sich vor einem Fuchs fürchtete, dachte er, aber bei der Art, wie der hier umhersauste, konnte er ihn leicht umwerfen.

Cuina suchte sich genau diesen Moment aus, aus dem Himmel herabzukommen, aber sie wollte nicht auf seinen Finger, als er ihn ihr hinhielt, sondern klammerte sich statt dessen an sein Haar und zwitscherte bestürzt, während er den Fuchs beobachtete. Er rannte am Strom auf und ab und umkreiste die Pferde, so dass sie schnaubten und die Köpfe hochwarfen, und endlich blieb er einen Steinwurf von Frodo entfernt stehen und sah dem Hobbit mit hellen Augen ins Gesicht, das Maul geöffnet, als würde er lachen.

„Schön, dann bist du Rusco* also schon begegnet, wie ich sehe.“ Radagast kam am Ufer zurück. „Und er hat die arme Cuina so erschreckt, dass sie fast keinen Laut mehr von sich gibt, und trotzdem will sie dich nicht verlassen! Wahrhaftig, Esel, die Anhänglichkeit deiner Freunde geht über alles hinaus, was ich je gesehen habe.“

„Nein, deshalb will sie also nicht auf meine Hand? Arme Cuina! Kannst du nicht dafür sorgen, dass er verschwindet, Radagast? Ich hasse es, wenn sie sich erschreckt.“

Der Zauberer lächelte und ging, um seinen Sack von Rauchwolkes Rücken zu holen. „Das könnte ich, aber es wäre wohl kaum höflich von mir, nachdem ich ihn zum Abendessen eingeladen habe! Lass Cuina erst einmal auf deinem Kopf sitzen – Rusco wird ihr nicht wehtun. Ich habe etwas Besseres für ihn.“ Er zog purpurne Trauben aus dem Sack, und der Fuchs trottete neben ihn.

„Da, Rusco, das ist eine Leckerei, nicht wahr? Hier sind sie noch zwei Monate nicht reif – der Braun Zauberer ist immerhin ein Freund, den man gerne hat!“ Er kauerte sich hin und hielt die Traube, während der Fuchs die Beeren mit den Zähnen abzupfte und herunterschluckte. Nach einer kurzen Weile hielt Radagast nur noch einen leeren Zweig; der Fuchs stieß seinen Kopf sachte gegen die Hand des Zauberers und rannte am Fluss entlang davon.

Frodo wurde klar, dass er den Atem anhielt und ließ ihn hinaus. Cuina flatterte auf seine Schulter hinunter. „War das die Sache, die du erledigen musstest?“ fragte er.

Radagast war zum Feuer gegangen, setzte eine Pfanne darauf und kramte in seinem Sack herum. „Ja – wir gehen ihn morgen besuchen. Hol uns etwas Wasser, Esel, und wir fangen mit dem Essen an. Heute Abend koche ich.“

Als der Morgen kam, ließen sie die Pferde bei ihrem Lager grasen und folgten dem Strom nach Süden. Je weiter sie kamen, desto näher rückten die Wälder an das Wasser, bis das Grasland nur noch ein paar Fuß breit war, und dann endete es ganz bei einer riesigen Eiche, die den Streifen neben dem Fluss ganz ausfüllte und ihnen den Weg versperrte.

Radagast stieß einen leisen Ruf aus, der sich anhörte, als würde jemand – oder etwas – weinen, etwas, das nicht menschlich war, und er hielt Frodo am Ellbogen fest, um ihn davon abzuhalten, weiter zu gehen. Nach einem Moment schlich der Fuchs seitlich um den Baum herum, so vorsichtig und scheu, dass Frodo meinte, er würde es trotz dem feurigen Fell nicht gesehen haben, wenn er nicht darauf gewartet hätte. Sie standen da und sahen einander einen Herzschlag lang schweigend an, ehe der Fuchs sich umdrehte und denselben Weg zurücknahm, den er gekommen war; sie folgten ihm.

Die Höhle befand sich unter den Wurzeln des Baumes, halb hinter einem Felsblock verborgen, der schon da gewesen sein musste, als der Baum hunderte von Jahren zuvor Wurzeln geschlagen hatte, und die Eiche war über und um den Felsblock herumgewachsen. Ein weiterer Fuchs wartete dort; nur sein Kopf war in dem dunklen Loch sichtbar.

„Ich habe einen Freund mitgebracht, Runya**,“ sagte der Zauberer.

Die Füchsin kam näher und schlüpfte so leise wie ein Schatten aus der Höhle, aber da war eine Unregelmäßigkeit in ihrem Gang, die Frodos Blick auf ihre Beine zog. Drei elegante, schwarze Beine – aber das rechte Hinterbein endete ein gutes Stück über dem Boden in einem stumpfen Stummel. Ein weiterer von Radagasts Patienten?

Runya hatte der Zauberer sie genannt, und er musste zugeben, dass der Name passte. Nicht nur war ihr Fell flammend rot, ihre Augen sahen aus wie dunkles Feuer. Sie erwiderte Frodos Starren mit Stolz, anders als andere Tiere, die vor menschlicher Untersuchung zurückschreckten. Da war eine Intensität in ihrem Blick, eine Wildheit – ohne nachzudenken, kniete er sich hin und streckte die Hand aus. Er hätte nicht sagen können, was er erwartete, aber ganz sicher nicht das, was geschah. Die Füchsin kam zu ihm, schnüffelte einmal an seiner Hand und leckte die vernarbte Lücke, wo einst sein Finger gewesen war. Dann erhob sie sich und legte ihm die Pfoten auf die Schultern, wobei sie auf einem Bein balancierte. Ihre Augen waren nur ein kurzes Stück voneinander entfernt.

Einen Moment später gab sie ein kleines Wuff! von sich, ließ sich wieder fallen und wandte sich zur Höhle zurück. Sie lief hinein und brachte einen Welpen mit, sein Fell noch kindergrau und wollig, den sie neben Frodo auf den Boden setzte. Radagast ließ sich mit gekreuzten Beinen neben ihm nieder, und die Füchsin brachte noch drei weitere Welpen heraus, einen nach dem anderen, die sie auf die Schwelle ihrer Höhle hinlegte.

Radagast hatte den Welpen aufgehoben, der ihm am nächsten war und strich mit den Händen darüber hin, als untersuchte er sein Wohlbefinden. „Feines, gesundes Kerlchen,“ sagte er und langte nach dem nächsten. Frodo liebkoste sie, wenn der Zauberer sie losließ, vergrub seine Finger in dem wolligen Fell, hob sie hoch, um ihnen in die Kleinkindergesichter zu sehen und rieb sein Gesicht an ihrer Weichheit. Als er sie absetzte, schüttelten sie die Köpfe und kratzten sich an den Ohren, und ohne Vorwarnung sprang einer von ihnen einem anderen auf den Rücken und warf ihn um.

Das schien das Zeichen für eine allgemeine Rangelei zu sein, und plötzlich schubsten sich alle Welpen und zerrten aneinander herum; sie kletterten über einander weg, kniffen sich gegenseitig in die Ohren und Pfoten. Ohne zu zögern krabbelten sie über Frodos und Radagasts Beine, und einer vergrub sich unter den Knien des Zauberers, um einem Bruder zu entkommen, der sein Ohr in der Zange hatte. Radagast gluckste und beförderte den Welpen unter seiner Robe hervor und Frodo lachte, nahm ihn aus seinen Händen und schmiegte sein Gesicht in den weichen Welpenpelz.

„Du Schlingel! Vor zwei Minuten hast du am Schwanz deines Bruders herumgekaut; glaub nicht, ich hätte dich nicht gesehen!“ Er setzte ihn ab und der Welpe stürzte sich wieder ins Getümmel. Sehr bald stand die Füchsin allerdings auf, erwischte einen der Welpen am Nacken und trug ihn zurück in die Höhle. Einen nach dem anderen trug sie die Kleinen hinein, und nach dem letzten kam sie nicht wieder heraus.

„Fütterzeit“, sagte Radagast. Er machte ein leises Geräusch in der Kehle, und aus der Höhle kam eine Antwort. „Zeit zu gehen, Esel.“ Der männliche Fuchs trottete neben ihnen her, bis sie in Sichtweite ihres Lagers waren, aber dann hielt er an, und Radagast ließ sich auf ein Knie nieder.

„Danke, Rusco. Ich bin froh, dass es dir und deiner Familie so gut geht.“ Er streichelte den orangefarbenen Kopf; der Fuchs ließ es geschehen und schaute ihm in die Augen, dann sprang er plötzlich auf und machte sich davon, in den Fluss und auf die andere Seite zur jenseitigen Wiese.

“Jagen. Er hat viele Mäuler zu füttern. Also Esel, wie gefallen dir meine Füchse?“

„Sie sind wunderbar!“ Das Entzücken klang noch in ihm nach… Runyas flammende Augen und ihre Freundschaft, die unschuldige Verspieltheit der Welpen. „War die Füchsin deine Patientin? Ist es das, woher du sie kennst?“

„Nein, sie ist zu dieser Verletzung gekommen, bevor ich sie kannte – hat sich selbst aus einer Falle heraus gebissen, vermute ich. Rusco war auch in einer Falle, als ich ihn fand – glücklicherweise bevor er versuchte, sich mit den Zähnen zu befreien. Diese Lande scheinen von Menschen verlasen zu sein, aber von Zeit zu Zeit überwintert ein einsamer Pelzjäger hier. Einer von denen muss eine seiner Fallen aus den Augen verloren haben, denn es war schon Sommer, als ich Rusco fand.“

„Die Pelzhändler kommen nicht im Sommer?“ fragte Frodo.

„Kaltes Wetter, dickerer Pelz, Esel. Damals war Rusco jung; jetzt kennt er den Geruch einer Falle, und Runya ebenfalls. Wenn sie nur ihre Welpen lehren können, wachsam zu sein!“

“Runya ist – “ Frodo wusste nicht, wie er sagen sollte, was er meinte.

„Das ist sie, nicht wahr? Ich wollte, dass du ihr begegnest. Ein sehr wissendes Tier, und sie besitzt eine Leidenschaft für das Leben…“ Seine Stimme erstarb, und Frodo starrte geradeaus. Eine Leidenschaft, die ich nicht besitze, dachte er rebellisch. Vergib mir, Radagast, dass ich nicht mehr bin wie ein Fuchs!

Sie verstreuten die Asche ihres Lagerfeuers und saßen auf, bereit, aufzubrechen. „Zurück über den Fluss und dann nach Süden,“ entschied Radagast. „Ich habe Lust, an diesem Tag im Sonnenlicht zu reiten, nicht in den Schatten des Waldes.“

Sie ritten den gesamten Morgen, ohne zu reden. Der Boden fing an sich in einer Reihe runder Hügel abzusenken, und der Fluss verengte sich und floss rascher. Cuina musste den beiden von oben gefolgt sein, denn sie kam auf Frodos Schulter hinunter, als sie zum Mittagessen Halt machten. Nachdem sie gegessen hatten, legte er sich auf die Erde, die Augen gegen das strahlende Sonnenlicht geschlossen; er ließ sie auf seiner Brust herumlaufen und nach seinen Knöpfen picken, als ob sie dachte, sie wären etwas Feines zu fressen.

„Hast du jemals Gandalfs Namen für deinen kleinen Gärtner gehört?“ fragte Radagast abrupt.

„Nein, ich glaube nicht. Wie war er?”

“Harthad Uluithiad hat er ihn genannt. Unstillbare Hoffnung.“

Frodo nickte. „Das ist ein guter Name; er passt zu ihm. Selbst in Mordor – es war eine Gnade, dass Sam noch immer Hoffnung hatte, denn ich hatte ganz sicher keine.“

„Er hätte auch zu meiner kleinen Füchsin gepasst – wie viel Hoffnung sie hatte, sich selbst aus einer Falle zu befreien, ganz allein, und auf Kosten von ihrem Bein! Ohne Hoffnung hätte sie sich zum Sterben hingelegt.“ Er seufzte. „Für dich hatte Gandalf auch einen Namen, Esel.“

Er hielt inne und ein langes Schweigen folgte. „Wirst du ihn mir sagen?“ meinte Frodo endlich. „Oder ist es nicht passend, ihn zu nennen?“

„Er passt, aber bist du bereit, ihn zu hören? Er hat dich Bronwe Athan Harthad genannt.“

Frodo setzte sich langsam auf. „Ertragen über alle Hoffnung hinaus,“ übersetzte er. „Ist es das, was er von mir dachte?“

„Es ist das, was du auf die Fahrt mitgebracht hast, Frodo. Das, und deine Fähigkeit zur Gnade, die nicht zuließ, dass du Smeagol getötet hast, oder dass du auch nur zugelassen hättest, dass er von jemand anderem getötet wird. Wenige hätten ihn in dem Wissen freigelassen, dass er sie verraten könnte – und noch wenigere hätten sich selbst zu dem getrieben, was du in Mordor durchlitten hast, als die Hoffnung verloren war. Dein Onkel hätte das nicht tun können, und dein kleiner Sam war nicht so gnädig wie du.“

Aber Frodo hörte nicht zu. Er saß da mit der Lerche auf seiner Hand und streichelte den weichen Flaum auf ihrem Bauch mit einem sanften Finger, die Augen voller Tränen. Bronwe Athan Harthad – Ertragen über alle Hoffnung hinaus. Oh Gandalf…

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*Rusco – Fuchs

**Runya – Rote Flamme

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