Arda Fanfiction

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Fehlerhaft und Makellos

von Tehta

Waffenbrüder

Für jeden Krieger, der Jahrhunderte damit verbracht hat, sich zu verstecken, während seine Feinde frei umherliefen, ist die Gelegenheit zu einer Schlacht ein ganz besonderer Anlass. Die kleinsten Details erhalten große Bedeutung. Ecthelion zögerte bei der Auswahl seiner Waffen und blickte von seinem Speer zu seiner Keule und weiter zu seinen alten Schwert. Schließlich entschied er, dass Aredhels Ork-Warnung ihn ziemlich nostalgisch hatte werden lassen und nahm seine Schlachten-erprobte Klinge. Dann ging er zu den anderen an den Rand des Waldes, wo sie, halb von den Bäumen verborgen, beobachteten, wie einige gekrümmte Gestalten sich durch das Tal bewegten.

„Vier Dutzend“, sagte Egalmoth.

„Die auf uns zulaufen. Gut.“ Aredhel schlang glücklich die Arme um sich selbst wie ein kleines Mädchen, das sich anschickt, ein Geschenk auszuwickeln. „Hier, diese große Eiche sieht robust aus. Lasst uns gute Positionen dort oben finden und unsere Bögen spannen. Wir werden mit dem Schießen warten, bis wir ihre Zähne zählen können; auf diese Weise können wir sie alle abschießen, selbst wenn sie rennen. Die Schwertkämpfer werden unseren Baum unten bei den Wurzeln schützen.“

Widerwillig musste Ecthelion anerkennen, dass der Plan so gut war wie jeder andere. Aredhel war eindeutig geschickt darin, zu verletzen, ob es Wild, Orks oder Glorfindels Gefühle waren – obwohl Ecthelion erfreut war, zu bemerken, dass Glorfindel letztendlich etwas fröhlicher wurde, als sie ihre Positionen unter dem Baum ersten einmal eingenommen hatten.

„Wisst Ihr, Ecthelion“, sagte Glorfindel, „das ist, was ich ungefähr meinte, als ich gerade sprach. Es ist sicherlich weder scheußlich noch obszön, neben einem würdigen Gefährten zu stehen und Kreaturen des Bösen zu bekämpfen? Der Teil mit dem Verlangen bedeutet fast überhaupt nichts.“

Ecthelion konnte bei dieser letzten Aussage eine gewisse Anspannung in seiner Stimme erkennen. Glorfindel war niemals ein guter Lügner gewesen, doch wenn Lügen ihm halfen, über den Schmerz hinwegzukommen, wer war Ecthelion dann zu argumentieren?

„Ganz richtig“, sagte er. „Lasst uns alles über unnatürliches Verlangen vergessen und uns auf unsere Schwerter konzentrieren.“

Glorfindel blinzelte und senkte die Waffe, die er vor seinem Körper gehalten hatte, gerade als Aredhel über ihnen ein Jagdsignal pfiff. In der Ferne begannen die ersten Orks durch schnelle Pfeile zu fallen. Die übrigen Kreaturen liefen direkt auf den Wald zu.



Als die Orks endlich die Eiche erreichten, fand Ecthelion, dass sie einen enttäuschend armseligen Haufen abgaben. Zum einen waren ihre Taktiken grauenhaft. Anstatt sich fernzuhalten, bis sie einen konzentrierten Angriff führen konnten, kamen sie in kleinen Gruppen an, so dass Ecthelion und Glorfindel niemals mit mehr als zweien zugleich zu tun hatten. Und dann war ihr Kampfgeschick nicht gerade überwältigend: Ecthelion erhielt niemals eine einzige Gelegenheit, seine Schlachtordnungsübungen zu nutzen, um einen für Glorfindel bestimmten Schlag abzufangen. Die einzige wirkliche Herausforderung war die Fußarbeit, die zunehmend schwierig wurde, als der Berg von Körpern zu seinen Füßen anwuchs, bis er, um es genau zu sagen, ein Berg bis zu seinen Knien war.

Sobald seine Orks alle tot waren, sah Ecthelion hinüber zu seiner Rechten, wo Glorfindel, mit Anmut und einem selbstgefälligen Lächeln kämpfend seinen letzten Angreifer tötete. Ihn beobachtend fühlte Ecthelion sich durch den Sieg in Hochstimmung versetzt, trotz der Enttäuschung über den Kampf an sich. Doch Glorfindel schien seine Freude nicht zu teilen. Sein Lächeln verblasste, selbst als sein Gegner fiel und er stand nur verlegen da, uncharakteristisch zurückhaltend, um die traditionelle Gratulationsgeste unter Kriegern auszutauschen – eine raue Umarmung, gefolgt von einem Schlag auf den Rücken.

„Gut gekämpft“, sagte er stattdessen.

Ecthelion musste zugeben, dass er durch den Bruch mit dieser Tradition ziemlich erleichtert war, denn die Begeisterung ließ das Blut durch seinen Körper singen. Eine Umarmung erschien ziemlich riskant. „Ihr auch“, sagte er.

„Seid Ihr verletzt?“

„Ich bin nicht sicher. Ihr?“

„Ich bin auch nicht sicher.“

Sie begannen beide, sich selbst in der üblichen Weise zu untersuchen, die schwachen Punkte ihrer Rüstung zu prüfen und mit den Händen über ihre leicht gepanzerten Gliedmaßen zu fahren. Ecthelions Unterbewusstsein hatte ihm gerade vorhersagbare Gedanken präsentiert, dass sie sich wirklich gegenseitig untersuchen sollten und dass Kleider nur im Weg waren, als Glorfindel ein schmerzhaftes Zischen ausstieß. Ecthelion empfand unmittelbare Besorgnis, die nur leicht verblasste, als er erkannte, dass der Grund lediglich ein großer Blutklumpen war, der sich in Glorfindels Haar verfangen hatte.

Obwohl aufgrund der orkischen Herkunft des Drecks verunsichert, hatte Ecthelion eine Vision anderer Möglichkeiten wie das Haar wieder in Ordnung gebracht werden könnte. Ja, sein Blut sang tatsächlich, und in einigen Teilen seines Körpers mehr als in anderen. Er konnte von Glorfindel nicht fort sehen, nicht einmal, als Aredhel und Egalmoth von dem Baum herunterkamen.

„Oh, starrt mich nicht in dieser missbilligenden Weise an, Ecthelion“, sagte Glorfindel. „Ich werde nicht ‚anfangen, mein Haar wie ein normaler Krieger zu flechten’. So, wenn jetzt irgendjemand etwas von mir will, ich werde im Fluss baden.“

Aredhel lachte. „Nun, das ist auf jeden Fall eine verlockende Einladung. Ich möchte zu gern wissen, auf wen sie abzielt?“

Ecthelion wollte sie für die Grausamkeit, so mit jemandem zu spielen, den sie gerade zurückgewiesen hatte, ohrfeigen. Er versuchte, Glorfindel einen mitfühlenden Blick zuzuwerfen, doch Glorfindel sah ihn nicht an.

„Ich meinte, ‚wenn irgendjemand von mir will, dass ich weitere Orks schlachte’“, sagte er würdevoll, bevor er davonging.

Ecthelion hatte selbst eine Wäsche nötig, aber der kürzliche Sieg, die Haar-bezogene Vision und Aredhels Andeutung ließ selbst den Gedanken ans Baden irgendwo innerhalb einer Meile von Glorfindel viel zu gefährlich werden. Er entschied sich, sein Schwert zu reinigen und den Bogenschützen zu helfen, ihre verschossenen Pfeile wieder einzusammeln. Sie hatten so eine Art Wette laufen, wer die meisten Orks erledigt hatte, aber Ecthelion zog sich zurück, bevor die Sache endgültig entschieden war.



Ecthelion träumte, dass er in einer Landschaft sanft abfallender Hügel, bewachsen mit silbrigen Büschen, Glorfindel gegenüberstand. Er wusste, es war ein Traum, weil Glorfindels Gegenwart eine Quelle schlichten Vergnügens und nicht vermischt mit Scham war. Die Tatsache, dass die Hügel Haufen toter Orks und das Gebüsch ein Gewirr zerbrochener Ork-Waffen war, bestätigte nur seine Vermutungen. Die Tatsache, dass die toten Orks alle das Ork-Schlachte-Liedchen sangen, war ein völlig überflüssiger Hinweis. Die Tatsache schließlich, dass beide, Glorfindel und Ecthelion, nackt waren, war überaus vernünftig, weil die beiden sich gegenseitig auf Verletzungen untersuchen mussten. Ecthelion umrundete Glorfindel, doch er konnte keine auf seinem makellosen Körper erkennen.

„Diese Orks rannten von etwas in dem Tal davon, wisst Ihr“, sagte Glorfindel. „Sie liefen uns praktisch in unsere Schwerter.“

Bei der Erwähnung der Schwerter bemerkte Ecthelion erschrocken, dass er unbewaffnet war. Dies ließ ihn sich doppelt nackt fühlen. Er sah an sich herunter.

„Ja“, sagte Glorfindel. „Ich weiß, dass Euer Schwert lang und kräftig ist. Dennoch weiß ich nicht, ob es mit dem sanft gewölbten Bogen der Weißen Dame vergleichbar ist.“ Seine Hand beschrieb einen Bogen in der Luft und er wandte sich ab, einem Ork-Hügel zu. „Wir müssen all diese Orks zählen und nachsehen, wie viele von Pfeilen getötet wurden. Erst dann werde ich wissen, wer von Euch beiden des größeren Heldenmuts fähig ist.“

Ecthelion, der daran gewöhnt war, Lieder der vornehmsten Dichter zu singen, fand die plumpe Symbolik körperlich schmerzhaft. Aber schließlich hatte er immer gewusst, dass der Traum-Glorfindel eine weit schlimmere Gesellschaft war, als der wirkliche, trotz seiner häufigen Bereitwilligkeit und seiner noch häufigeren Nacktheit. Doch er war alles, was Ecthelion hatte, und so begann Ecthelion Pfeile zu zählen.



Dies ging die ganze Nacht so weiter; am Ende war das einzige, was ein frustrierter Ecthelion aus dem Traum mitnahm, die Überzeugung, dass die Orks tatsächlich vor etwas davongerannt waren. Als er diese Ansicht mit dem Rest der Gruppe teilte, bestand Aredhel, wie vorauszusehen gewesen war, darauf, dass sie den Ork-Spuren in Richtung der Gefahrenquelle folgten. Sie ritten hinaus in die Ebene und nachdem sie einen Fluss durchquert hatten, betraten sie das Tal des Abscheulichen Todes.

Das Tal war ein unfruchtbarer, felsiger Ort, nur zuweilen durchbrochen von dunklen Flüssen, die sich wie in Qualen um die Steine herum wanden. Selbst ihr Rauschen klang gequält. Ecthelion hatte niemals Wasser gehört, dass so unharmonisch klang, hatte es niemals so schwarz gesehen. Doch letztendlich war alles hier überschattet und die Schatten schienen länger, als sie sein sollten.

Und dann war da dieser Geruch.

„Was für ein äußerst merkwürdiges Aroma“, sagte Aredhel.

Ecthelion fand es weniger merkwürdig. „Ein bisschen wie die Abwasserkanäle unter unserer Stadt“, entgegnete er.

„Wie kannst du – oh, richtig“, sagte Egalmoth. „Ich vergesse immer wieder, dass ‚Herr der Brunnen’ eine Verschlüsselung für ‚Herr der Rohrleitungen’ ist. Ich nehme an, es macht irgendeinen semantischen Sinn, aber ich werde nie verstehen, warum du dich entschieden hast, einen so unangenehmen Aspekt der Stadtplanung zu überwachen, anstatt mit den Konzerthallen oder so etwas auszuhelfen.“

„Manche Leute“, sagte Glorfindel, „tun einfach, was getan werden muss.“

„Ja, Ecthelion ist sehr ehrenhaft, nicht wahr?“ Aredhel klang kokett und sah wahrscheinlich noch mehr danach aus, aber Ecthelion richtete seinen Blick zu Boden.

„Ein Baum!“, rief Egalmoth plötzlich. „Ich sehe einen Baum in der Ferne, einen, der merkwürdige helle Früchte trägt.“

Ecthelion konnte nur eine verschwommene Gestalt eines Pilzes erkennen, doch als sie darauf zuritten, stellte sich diese Gestalt tatsächlich als ein mit Früchten behangener Baum heraus. Als sie noch näher kamen, begannen die Früchte Kokons zu ähneln, die er einst in einer Seidenspinnerei gesehen hatte – nur, diese Kokons waren schmutzig und groß genug, um einen Krieger zu verbergen. Spinnenwerk, das war sicher. Ecthelion entschied zu überprüfen, ob sie die Spinnen selbst verbargen oder ihre tote Beute. Er hob seinen Speer an und ritt den anderen voraus, in der Hoffnung, dass diese vernünftig genug sein würden, zurückzubleiben. Als er in Reichweite eines Kokons war, stach er ihn leicht mit seiner weitreichenden Waffe. Die Bewegung, die der Kokon machte, war nicht gänzlich auf den Stoß zurückzuführen und durch die Fäden konnte er gerade eine bekannte Gestalt erkennen.

„Dieser enthält einen Ork“, sagte er über seine Schulter. „Einen lebenden Ork.“ Als er sich umsah, bemerkte er, dass die anderen Kokons ähnliche Gefangene enthielten. In manchen Fällen konnte er sogar hinter den Fäden gefangene Gesichter ausmachen, verzerrt in Wut und Angst. „Sie leben alle, glaube ich.“

Seine Gefährten stießen zu ihm und die vier gingen gemeinsam unter dem riesigen Baum umher, mitten zwischen den eingebundenen Orks.

„Die Speisekammer einer Spinne“, sagte Egalmoth. „Sehr interessant. Ich denke, dass unsere Orks diejenigen waren, die entkommen sind – oder eher diejenigen, die aussortiert wurden. Sie sahen wirklich ein bisschen mager aus.“

„Es ist ein passendes Ende für solche Kreaturen“, sagte Aredhel. „Übel ernährt sich von Übel… es ist fast poetisch, meint Ihr nicht, Ecthelion?“

Überrascht von der Frage sagte Ecthelion, was ihm in den Sinn kam. „Wenn Ihr so darüber denkt. Und doch, was für ein schrecklicher Tod.“

„Ihr fühlt mit den Orks?“, fragte Glorfindel. „Könnt Ihr nicht ihr Übel spüren? Ich kann es jedenfalls.“

Ecthelion hätte sich die Aussage zu Herzen nehmen können, nur wusste er, dass Glorfindel unfähig war, Übel zu entdecken, selbst wenn besagtes Übel auf seinem Bett saß. „Ich bin sicher, sie hatten alle eine schreckliche Kindheit“, sagte er.

„Was wollt Ihr, das wir tun? Sie befreien?“

„Ich denke, ich würde sie töten wollen. Ihnen einen gnädigen-“

„Sie töten, ja“, sagte Aredhel. „Ecthelion, Ihr seid ein Krieger nach meinem eigenen Herzen.“

„Natürlich“, fuhr Ecthelion fort, „könnte das Töten der Orks die Spinnen verärgern.“

Sie berieten die Angelegenheit. Egalmoth, der einige frische Spinnenspuren gefunden hatte, war dagegen, die Spinnen zu verärgern. Auch Ecthelion tendierte mehr zu dem ‚dagegen’, wegen seiner Pflicht, die Schwester seines Königs zu beschützen; er beruhigte sein Gewissen, indem er ihm sagte, dass er den Orks keinen aktiven Schaden antun würde. Glorfindel war unentschieden.

„Nun, ich bin absolut dafür“, sagte Aredhel. „ich habe keine Angst vor den Spinnen. Und wir wollen doch nicht, dass diese Orks entkommen und irgendwelche Unschuldigen töten, nicht wahr?“ Sie ignorierte die anderen, spannte ihren Bogen und begann zu schießen. Ecthelion gesellte sich zu ihr, das Schwert in der Hand; es wäre scheinheilig gewesen, tatenlos daneben zu stehen.



Als sie ihre unerbittliche Aufgabe erledigt hatten, wandten die Reisenden sich ostwärts und machten sich auf den Weg durch die felsige Ebene. Während sie ritten, verdichteten sich die Wolken über ihnen und hingen schwer wie Ork-Kokons herab, und ein dichter Nebel begann von den Bergen herab zu treiben. Sie kamen an merkwürdigen stehenden Tümpeln vorbei, wo die Dunkelheit auf der Oberfläche des Wassers spielte, wie Licht auf der Oberfläche eines klaren Sees spielen würde. Voraus war der Nebel dichter, mit Flecken von tiefer Schwärze.

„Unlicht“, sage Ecthelion.

„Mein Großvater starb im Unlicht“, sagte Aredhel. „Die Spinnen müssen nahe sein.“ Sie sah die Wolken an, als ob sie auf einen verachteten Feind herabsah; dann, als sie wohl entschieden hatte, dass er genügend eingeschüchtert war, begann sie ihr scheuendes Pferd in seine Richtung zu treiben.

„Wir sollten vielleicht besser die Pferde durch den Nebel führen.“ Glorfindel schloss zu ihr auf und saß ab. Er legte seine Hände auf die Hälse beider Pferde, so dass sie stehen blieben, ruhig, aber misstrauisch.

„Eigentlich“, sagte Egalmoth, „denke ich, sollten wir die Pferde drumherum führen. Bevorzugt in Richtung des Waldes. Nennt mich einen Feigling, aber ich habe nicht den Wunsch, das Bogenschießen innerhalb einer Wolke von Unlicht auszuüben. Ich kann nicht auf eine Spinne zielen, die ich nicht sehe, gleichgültig wie riesig sie ist.“

„Ich glaube, ich kann sie sehen“, sagte Aredhel. „Innerhalb der Wolke.“

Ecthelion starrte in das Unlicht. Alles, was er zunächst sehen konnte, waren vage Schemen, Erinnerungen an Albträume der Kindheit, doch dann wurden die Schemen deutlicher, bis er Beine wie verdrehte Baumstämme und die Facetten-Augen von Insekten sehen konnte – doch keine haarigen Spinnenkörper. Er spannte sich an und versuchte abzuschätzen, ob diese Visionen real waren oder ein Trick des Unlichts, bis der Rand der Wolke sich wie die Oberfläche eines überfüllten Wasserschlauches spannte und blähte. Seine Finger schlossen sich um seinen Speer, als die Dunkelheit aufbrach und eine schattenhafte Gestalt freigab, die weit abstoßender war als eine Spinne: anstatt eines runden, regelmäßigen Leibs war sie eine gestaltlose Masse, an manchen Stellen dunkel wie Unlicht, an anderen abscheulich bleich.

Glorfindel versetzte Aredhels Pferd einen Schlag und veranlasste es so dazu, zurückzuweichen. „Geht hinter uns“, rief er, bevor er nach seinem eigenen Sattel griff. Ecthelion versuchte nach vorn zu reiten, um ihn zu decken, als er aufsaß, doch ihre beiden Pferde waren jetzt panisch. Er kämpfte darum, die Kontrolle wiederzuerlangen.

Die dunkle Gestalt türmte sich über Glorfindel auf, als er ihr zu Fuß gegenüberstand, die Klinge hoch erhoben. Ecthelion schrie und schleuderte das Schwert gegen den Kopf des Monsters. Er sah die Auswirkung nicht: sein Pferd hatte sich aufgebäumt und drehte sich auf der Stelle. Als sie sich drehten, sah er weitere kleinere Spinnen sich nähern. Eine torkelte, durchbohrt von einem weiß-befiederten Pfeil. Er sah Glorfindel wieder, kurz, noch immer stehend, und fühlte sich zunehmend hilflos. Während sein Pferd vor Entsetzen umhertobte, konnte er nicht mehr tun, als das Tier am Durchgehen zu hindern. Er konnte nicht einmal die Spinnen davon abhalten, sein Pferd unter ihm zu töten. Doch Ecthelion würde das nicht zulassen: er warf seinen Speer weit fort und sprang und fiel gleichzeitig aus dem Sattel und in eine Schulterrolle.

Der felsige Untergrund rammte sich in seinen Rücken. Er sah hinauf in den Himmel, zu benommen, um zu atmen, bis die Spinne sich bedrohlich über ihm aufbaute, jetzt größer denn je und noch viel scheußlicher und sie durchschnitt die Luft mit erhobenen Gliedmaßen.

Es war keine Zeit, darüber nachzudenken, wie schwer es ist, sich zu bewegen, wenn einem der Atem genommen ist; Ecthelion warf sich in Richtung seines Speers und hatte ihn fast senkrecht aufgerichtet, als das Monster zuschlug. Bald kauerte er unter einem scheußlich plumpsenden Ding, jedes Zucken drohte ihm den Speer aus den Händen zu reißen. Er hielt fest, überschüttet von Blut, bis die Kreatur erschauerte und still lag. Er kroch unter ihr hervor, seinen Speer hinter sich her schleifend und stand auf. Er stolperte, stach nach etwas Kleinem und Hässlichem, stolperte wieder und sah Glorfindel.

Der Anblick ließ ihn sich fühlen als ob er sänge. Glorfindel war strahlend, eine goldene Gestalt in all dem Schmutz, die schnell innerhalb und außerhalb der Reichweite verschiedener Spinnen tanzte, von denen einige begannen wie Zielscheiben auszusehen. Sein Glanz war ein Gipfel der Hoffnung; die Spinnen schienen davor zurückzuschrecken, ebenso wie sie vor seinem scharfen Schwert zurückschreckten. Doch da waren so viele dieser Kreaturen! Es war die archetypische Schlacht von Licht und Dunkel, die Schlacht, an der Ecthelion sich teilzunehmen sehnte. Und er begann wirklich zu singen – ein Lied über das erste Erscheinen der Sonne – und sprang vor, um seinen Platz an Glorfindels Seite einzunehmen.

Sie leisteten gemeinsam Widerstand, nicht Seite an Seite oder Rücken an Rücken, sondern beide drehten sich auf der Stelle; Ecthelion, mit der größeren Reichweite, stieß nach den größeren Spinnen, während Glorfindel nach den kleineren hieb. Obwohl dies keine Technik war, die sie jemals geübt hatten, arbeiteten sie gut zusammen: sie vertrauten den Fähigkeiten des anderen, waren sich des anderen bewusst wie gute Krieger es sein sollten, erregt davon, sich in solcher Harmonie zu bewegen. Der Moment, als alle ihre Gegner endlich reglos dalagen, kam wie ein Schock. Sie sahen hinaus über das Tal, auf die verschwindenden Fetzen dunklen Nebels, und wandten sich einander grinsend zu.

Dieses Mal umarmten sie einander, gänzlich und in aufrichtiger Freude. Auch in einer Art Unschuld, zuerst zumindest: nach ein paar Sekunden wurde Ecthelion sich Glorfindels Hüftknochen gegen seinen Körper und des starken Rückens gegen seine Hände bewusst. Er konnte niemals verstehen, warum Glorfindel, während alle Krieger dieselbe schmal zulaufende Figur hatten, so besonders gut aussah – und sich offensichtlich ebenso gut anfühlte. Er würde Glorfindel fragen müssen, ob dieser irgendwelche besonderen Rückenübungen machte.

„Oh.“ Glorfindel gefror. Ecthelion zog sich panisch zurück, aus Angst, dass er sich in irgendeiner Weise verraten hatte; doch er sah, dass Glorfindel an ihm vorbei blickte und wandte sich um, um ein Pferd bewegungslos auf dem Boden liegen zu sehen, aufgerissen von Spinnenklauen.

„Deins ist davongekommen, glaube ich“, sagte Glorfindel. Ecthelion erinnerte sich an seinen Sturz und bemerkte den Schmerz in seinem Rücken. Es stimmte: sein Pferd war nirgendwo zu sehen. Es gab immerhin die Hoffnung, dass es dem Schicksal, gebunden und irgendwohin fortgeschleppt zu werden, entkommen war. Doch es gab keine solche Hoffnung für Glorfindel.

Ecthelion legte seinen Arm um Glorfindel und drückte dessen Schulter leicht. Sie standen dort in Schweigen, bis die anderen zu ihnen stießen.

„Dreißig Spinnen, einschließlich der zwei riesigen Ungeheuer“, sagte Aredhel, als sie erst einmal die verstreuten Pfeile und anderen Ausrüstungsgegenstände aufgesammelt hatten. „Nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass wir keine wirklichen Verletzungen erlitten haben. Schade um die Pferde. Wir werden uns die beiden anderen teilen müssen auf dem Weg zurück in den Wald.“

Der Wald! Ecthelion war von diesem unerwarteten Beweis von Vernunft überrascht.

„Ja, wir können uns im Wald ausruhen, frisches Wasser finden…“ Aredhel sah sehr nachdenklich aus. „Vielleicht ein paar wilde Pferde fangen. Oder Hirsche. Oder sogar Elche.“ Sie stieg wieder auf. „Dann kommt, Ecthelion.“

Ecthelion brauchte eine Weile, um zu begreifen, dass sie ihm bedeutete, hinter ihr aufzusitzen. Er reichte ihr seinen Speer, kletterte hinauf und legte verlegen einen Arm um ihre Taille, während Glorfindel zu Egalmoth aufsaß. Ecthelion meinte, ihn mit Sehnsucht nach Aredhel blicken zu sehen, als ob er sich an Ecthelions Stelle wünschte.

„Sagt mir, Ecthelion“, sagte Aredhel, als sie ein paar Minuten geritten waren. „Gibt es irgendjemanden, für den Ihr… starke Gefühle hegt und der in Gondolin wartet?“

„Nein“, antwortete Ecthelion und bereute die Wahrheit dieser Aussage weit mehr, als nur die üblichen Gründe dafür.

„Also Ihr beide, Ihr und Glorfindel. Ihr ehrenhaften Kriegertypen… Ich könnte mir denken, dass es schwierig für Euch ist, Euch mit den meisten Frauen zu identifizieren, die keine Eurer Interessen teilen. Oh! Aber ich bin überglücklich, dass Ihr in diesem großen Abenteuer meine Waffenbrüder seid…“

Sie fuhr einige Zeit in dieser Laune fort, ihre Stimme beunruhigend neckend. Ecthelion lenkte sich selbst von ihrem Geplauder und dem Schmerz in seinem Rücken ab, indem er beobachtete, wie die dunklen Wolken über ihnen sich zu normalen Regenwolken wandelten. Als sie den nördlichen Rand der Wälder erreichten, begann es zu nieseln.



Sie schlugen das Lager auf. Um den Regen während des Schlafes abzuhalten, verflochten sie Zweige miteinander, um zwei traditionelle Jagdunterschlupfe zu bauen: einen für Aredhel und einen für jedwedes schlafende Mitglied ihrer Eskorte.

„Gut“, sagte Egalmoth als sie fertig waren. „Ich kann ebenso gut die erste Wache übernehmen; ich möchte meine eingesammelten Pfeile in Ordnung bringen.“ Er setzte sich neben Aredhel nieder, die bereits unter einem improvisierten Baldachin aus Umhängen durch ihre eigenen Pfeile sah.

Ecthelion machte einen Fluss ausfindig, wusch das Spinnenblut ab und zuckte zusammen, wann immer er seine Verletzung berührte. Seine steife Schulter bedurfte der Behandlung, wenn sie morgen zu irgendetwas zu gebrauchen sein sollte; wie es aussah, konnte er nicht einmal sein Hemd wieder anziehen. Er kroch in den Unterschlupf, um seine Medikamentenvorräte zu holen, bevor er sich daran erinnerte, dass sie in seiner Satteltasche gewesen waren.

Er überlegte sich gerade Alternativen, als die Zweige, die den Eingang bedeckten, raschelten und sich teilten und Glorfindel zu erkennen gaben.

„Ah, Glorfindel – ich habe mich gerade um meine Schulter gekümmert“, sagte Ecthelion. „Du hast nicht zufällig Salbe, oder? Meine ist jetzt wahrscheinlich im Inneren einer Spinne. Oder zumindest im Inneren eines Spinnen-Kokons.“

„Einen Moment.“ Glorfindel schlüpfte herein und wühlte in seiner Tasche herum. „Hier, dreh deinen Rücken zum Licht.“ Seine Berührung war sanfter, als Ecthelions eigene gewesen war. „Nun, interessant. Das müssen all diese Felsen gewesen sein. Willst du, dass ich… ich meine, vielleicht solltest du Egalmoth fragen, dir zu helfen. Er würde sich freuen, all die Farben zu sehen, die du hier hast.“

Es war ein schrecklicher Witz. Kein Wunder, dass Glorfindel so unbehaglich geklungen hatte, als er ihn machte, fast so unbehaglich wie Ecthelion selbst sich bei seiner Berührung gefühlt hatte. Egalmoth schien eine viel sicherere Wahl zu sein, bis Ecthelion sich daran erinnerte, dass er neben Aredhel saß. Ihr jüngstes Benehmen bedenkend war es fast sicher, dass sie ihre Hilfe anbieten würde; er wollte Glorfindel nicht dieser Eifersucht aussetzen, die dies zweifellos hervorrufen würde.

„Egalmoth ist beschäftigt“, sagte er. „Würde es dir etwas ausmachen?“

Glorfindel ließ sich hinter ihm nieder. Ecthelion war wirklich glücklich darüber, dass Blickkontakt unmöglich war. Der körperliche Kontakt war genug, womit er zu kämpfen hatte, ebenso aufgrund des unvermeidlichen Schmerzes wie auch aufgrund des ebenfalls unvermeidlichen Vergnügens, von dem Objekt seines kranken Verlangens berührt zu werden. Er versuchte sich auf andere, weniger attraktive Dinge zu konzentrieren. Nun, da war ein solches Thema, das er diskutieren wollte.

„Glorfindel“, sagte er. „Ich möchte nur, dass du weißt, dass ich Aredhels jüngste Aufmerksamkeiten verwirrend finde. Ich meine, ich habe nichts getan, um sie zu ermutigen, und ich bin nicht an ihr interessiert.“

„Ich habe nicht geglaubt, dass du es bist.“ Glorfindels Hände bewegten sich über seinen Rücken und drückten so leicht, dass der Schmerz leicht zu ignorieren war. „Doch warum genau möchtest du mich das wissen lassen?“

„Nun, ich weiß von deinen… Gefühlen.“ Der Druck ließ nach; Ecthelion war fast sicher, dass Glorfindel den Atem angehalten hatte. Er erkannte, dass das Vorbringen der unglücklichen Leidenschaft seines Freundes taktlos war, aber es war zu spät, aufzuhören. „Ich meine, ich weiß, dass du einiges Interesse an der Dame hast und ich wollte dich nur wissen lassen, dass ich-“

Glorfindel lachte, ein bisschen sonderbar. „Du glaubst, dass ich an ihr interessiert bin? Valar, aber das ist zu merkwürdig! Ich meine, Finwes Enkelin… Ich würde eher einem Balrog den Hof machen.“ Er stieß den Atem aus und seine Hände nahmen ihre Bewegungen wieder auf. „Nein, warte, das war unhöflich. Wäre es besser, wenn ich sage, dass ich glaube, Aredhel würde eher einem Balrog den Hof machen? Sie sagt immer, dass du wahre Leidenschaft nicht ohne Ärger haben kannst.“

Ecthelion fühlte sich benommen. Seine geistige Landschaft verschob sich auf verwirrende Weise und dann waren da diese Hände auf seinem Rücken. „Aber die Art und Weise, wie du dich benommen hast: ihr so viel Aufmerksamkeit geschenkt, zu ihr von Liebe gesprochen hast…“

„Nun, ich kenne sie ganz gut, und was ich weiß, ruft mein Mitgefühl hervor. Sie hat Ehrgeiz, aber keine Anleitung. Sie ist stolz und durch ihren Stolz nur noch einsamer, weil sie die Vasallen ihres Bruders als Untergebene betrachtet; also hat sie niemanden, den sie liebt, außer einem überängstlichen Bruder, der sie nicht die Aufregungen erfahren lässt, die sie ersehnt und eine Nichte, die glücklich mit dem Leben ist, das sie selbst langweilt.“

Ecthelions Rücken kribbelte, als die Salbe zu wirken begann. Er erschauerte. „Du scheinst sie wirklich gern zu mögen.“

„Ich verstehe sie, aber… Ecthelion, sie riskiert unser aller Leben für einen leichtfertigen Grund, indem sie zu einem Cousin reist, den sie kaum mag, in der Hoffnung, die Zeit habe ihre Gefühle intensiviert. Es ist natürlich möglich, dass jüngste historische Ereignisse einen Feanorion irritierender machen, aber ich glaube nicht, dass Liebe auf diese Weise funktioniert. Und sicherlich hast du gesehen, wie sie mich quält?“ Glorfindel seufzte. „Wahrlich, sie hat mich gelehrt, dass es möglich ist, Verwirrung zu empfinden ohne Leidenschaft.“

Der Schmerz der Verletzungen war jetzt fast vorbei und die Erinnerung daran wurde so schwach und lächerlich wie die Erinnerung an Ecthelions Vermutungen. „In diesem Fall hast du eine bemerkenswerte Beherrschung gezeigt. Wie ich es nicht tat. Ich nehme an, dass das erklärt, warum sie jetzt Interesse an mir zeigt; sie muss meine Verärgerung bemerkt haben.“

„Vielleicht. Es sind wohl eher deine kämpferischen Fähigkeiten.“ Glorfindel rutschte leicht hin und her. „Und diese unnahbare und leicht rüde Art von dir. Viele Leute finden das attraktiv. Und dein Aussehen natürlich.“

„Was ist mit meinem Aussehen? Erinnere ich sie an irgendeinen anderen Cousin?“

„Nein, ich habe mich auf diese ganze ‚Makellosester-aller-Noldor’-Angelegenheit bezogen, weißt du“, sagte Glorfindel ausweichend.*

Ecthelion hatte häufig genug diese Beschreibung auf sich bezogen gehört, aber das war absurd. „Komm, du weißt so gut wie ich, dass Pengolodh mich nur so nennt, weil ich immer meinen Anteil des Biergeldes bezahle.“

„Das meinst du auch noch ernst!“ Glorfindel schien fast wütend. „Betrachtest du dich niemals selbst im Spiegel?“

„Sicherlich, wenn ich mein Haar frisieren oder meine Kleider richten muss. Also bin ich mir wohl bewusst, dass ich ganz normal aussehe.“

„Normal? Aber was ist mit deiner Kinnlinie und die Art deiner… Egal. Wenn du mir nicht glaubst, frag jemand anderen. Frag Aredhel selbst. Jedenfalls denke ich, dass ich jetzt hier fertig bin.“ Glorfindels Hände blieben auf Ecthelions Schultern ruhen „Weißt du, da ist etwas, was ich dich fragen wollte – machst du irgendwelche besonderen Übungen für deinen unteren Rücken?“

Sie diskutierten die feineren Aspekte der Gewichtsübungen, während Ecthelion sich wieder anzog und seinen Arm jetzt frei bewegen konnte. Dann streckten sie sich auf dem Boden aus und verfielen in Schweigen.

Als er in Dunkelheit und Ungestörtheit neben Glorfindel lag und ihre Schultern sich beinahe berührten, erkannte Ecthelion, dass, auch wenn Glorfindel sich sicherlich in der Deutung dieses ‚Makellosester-aller-Noldor’-Beinamens täuschte, das Eigentliche dieses Fehlers bedeutete, dass er Ecthelion tatsächlich attraktiv fand. Ecthelion war angewidert davon, wie glücklich ihn das machte. Schlimmer noch, seine Freude machte ihn größenwahnsinnig, denn er begann zu glauben, dass er eine gewisse Sinnlichkeit in Glorfindels Berührung entdeckt hatte. Er ließ ihre Unterhaltung noch einmal in seinem Kopf ablaufen und versah sie mit unangebrachten, warmen Beiklängen. Die Phantasie bedingte, dass er sich danach sehnte, hinüberzulangen und Glorfindels Hand zu nehmen.

Und was zu tun? Was ihn störte an diesem Impuls war, dass er nicht einmal beabsichtigt hatte, seine Hand an irgendeine spezielle Stelle seines Körpers zu legen. Natürlich, einerseits war, die Hand eines anderen Mannes zu ergreifen, weit weniger unnatürlich, als nach irgend einer der verschiedenen verlockenden Alternativen zu greifen – nur eine freundliche Geste unter Waffenbrüdern – aber Ecthelion wusste, dass er es nicht auf diese Weise gemeint hatte. Lust ist schlimm, aber Lust ist eine hungrige Kreatur, die gefüttert und für eine Weile befriedigt werden kann. Die zärtlicheren Gefühle weben einen verführerischen Kokon, aus dem zu entkommen nicht leicht ist.

Nein, es war viel besser, Lust zu empfinden, unnatürlich wie es sein mochte. Ecthelion beschwor seine gewöhnliche Verärgerung herauf, in dem Wissen, dass für ihn wie auch für Aredhel Verwirrung nahe bei Leidenschaft lag. Eher wie Reibung, die letztendlich eine Form von Verärgerung war. Er drehte sich zur Wand des Unterschlupfes, presste sich in den harten Boden, der fast wie der Körper eines anderen Kriegers war, und rief seine herberen Phantasien zusammen. Wie oft hatte es ihn verlangt zu sagen ‚Knie nieder vor mir und lass mich dich an den Haaren packen’? Glorfindel aus seiner selbstgefälligen Ehrwürdigkeit aufzurütteln. Ihn hilflos angesichts unnatürlicher Annäherungen zu sehen, überwältigt von dunklem Vergnügen. Errötet, aber nicht aus Verlegenheit. Oder selbst aus Verlegenheit, denn es war erregend, jemandem normalerweise so Selbstgefälligen Unbehagen zu bereiten.

Die Phantasien wirkten; Ecthelion konnte sich nicht länger daran erinnern, was er zu vergessen versucht hatte. Er entschloss sich, ein bisschen nach draußen zu gehen. Er kroch zum Eingang, sehr umsichtig, um seinen Zeltnachbarn nicht zu stören, und erhob sich im Nieselregen.

„Ich bin so froh, dich wach zu finden!“ Egalmoth kam auf das Zelt zu. „Ich glaube, ich kann weitere Spinnen in unsere Richtung kommen sehen. Ich habe euch gesagt, wir hätten diesen Baum in Ruhe lassen sollen.“

Seine Worte dämpften Ecthelions Erregung und ein einzelner Blick hinaus über das Tal verscheuchte sie völlig. Die Spinnen waren deutlich zu erkennen: eine Masse unfreundlicher Gestalten, dunkler als die Nacht.

„Ich habe sie seit einiger Zeit beobachtet“, sagte Aredhel. „Sie sind schlauer als die Orks von gestern. Ich denke, sie sammeln ihre Kräfte, bevor sie angreifen.“

Glorfindel trat zu ihnen. „Vielleicht versuchen sie einfach, uns aus dem Tal herauszuhalten. Wir könnten versuchen, uns am Rande des Waldes entlang fortzubewegen. Ich frage mich, ob sie uns hier hinein folgen könnten?“

Aredhels Nicken war in der Dunkelheit kaum zu sehen „Es gibt alte Spinnen-Pfade in diesem Wald.“

„Ja, das stimmt“, sagte Egalmoth. „Jetzt, da ich weiß, wonach ich suche, sehe ich ihre Spuren überall. Es müssen Hunderte der Kreaturen in dem Tal leben. Diese Reise könnte sich zu einem ernsthaften militärischen Feldzug wandeln.“

Ecthelion erwog die Chancen. „Wir können es nicht riskieren“, sagte er, sicher, dass seine Freunde dieselbe Schlussfolgerung ziehen würden. „Wir müssen uns in Richtung der Stadt zurückziehen.“

„Was, aufgeben?“ Aredhels Augen glitzerten. „Niemals.“



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Anmerkungen:

1. Für den Fall, dass irgendjemand sich für die Geographie all dessen interessiert: die Ork-Schlacht fand in Dimbar statt, nahe des Brithiach. Also wäscht Glorfindel sein Haar im Sirion. Das Durchqueren von Dimbar, was wahrscheinlich eine Weile dauert, wird in einem einzigen Satz erledigt. Die Geschichte endet im Wald von Neldoreth.

2. Die „Makellosester-aller-Noldor“-Angelegenheit: so wird Ecthelion in „The Fall of Gondolin“ beschrieben. Welche der möglichen Bedeutungen des Wortes „fair“ beabsichtigt ist, bleibt dem Leser überlassen. (Anm.d.Übs.: siehe Fußnote *)

* „Makellosester aller Noldor“: im Original lautet diese Beschreibung „fairest of the Noldor“ (siehe Anmerkung 2). Für das englische Wort „fair“ ist gleichzeitig die Bedeutung „gerecht“, wie auch im älteren Englisch „schön“ gegeben. Eine eindeutige Übertragung dieser Doppeldeutigkeit ins Deutsche ist nicht möglich, daher habe ich mich bemüht, ein Wort zu finden, das beide Bedeutungen abdecken kann, um die unterschiedlichen Interpretationen Ecthelions und Glorfindels deutlich werden zu lassen.
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